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Umstrittenes Buch über den Einfluss der Stasi auf West-Medien

Meurer: "Der diskrete Scharm der DDR - Stasi und West-Medien". Noch ist das Buch des Stasi-Experten Hubertus Knabe gar nicht erschienen. Brisanter Untersuchungsgegenstand: haben sich zu DDR-Zeiten westdeutsche Journalisten vor den Karren des SED-Staates spannen lassen? Konkret richtet sich dieser Vorwurf zum Beispiel gegen das Hamburger Magazin "Stern" oder den Journalisten Manfred Bissinger, die sich juristisch zur Wehr setzen wollen. Aber auch die Gauck-Behörde hat Anstoß am Buch ihres einstigen Mitarbeiters Hubertus Knabe genommen. In einem Vergleich vor Gericht erhielt die Behörde das Recht, das Manuskript Knabes vier Wochen lang zu prüfen, was jetzt geschehen ist. Am Telefon begrüße ich Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Guten Morgen Frau Birthler!

    Birthler: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Warum hatten Sie überhaupt eine einstweilige Verfügung gegen das Buch erwirken wollen?

    Birthler: Es ging uns wie Sie gesagt haben um die Möglichkeit, das Manuskript zu prüfen. Dazu muss man wissen, dass Herr Knabe bis vor kurzer Zeit Mitarbeiter der Behörde war und ein solcher einen privilegierten Zugang zu Daten hatte. Normalerweise geben wir Unterlagen nur heraus, in denen private persönliche Daten geschwärzt sind, auch die Rechte Dritter geschützt sind. Die Wissenschaftler der Behörden haben Zugang zu Daten, ohne dass diese anonymisiert sind, und das hat natürlich zur Folge, dass damit auch bestimmte Bindungen verbunden sind. Wir mussten als Behörde das Manuskript daraufhin prüfen, ob die Daten, zu denen Herr Knabe Zugang hatte, sensibel und sorgfältig genug verwendet worden sind. Insofern hatte unsere Intervention Erfolg. Wir hatten die Möglichkeit, vor Erscheinen des Buches diese Verwendung der Daten zu prüfen. Was nie in unserem Sinn lag, dass wir Inhalte dieses Buches zu bewerten haben. Dazu würde ich mich auch nicht äußern. Das steht auf einem ganz anderen Blatt, wie ich wissenschaftliche oder politische Aussagen in diesem Manuskript bewerte. Das stand auch bei der Prüfung nie zur Debatte.

    Meurer: Und zu welchem Ergebnis sind Sie bei der Prüfung jetzt gekommen?

    Birthler: Zunächst einmal ist das Buch durch die Prüfung besser geworden, denn es war ursprünglich vorgesehen, dass es ohne Fußnoten, also ohne Belege für einzelne Aussagen erscheint. Inzwischen hat es einen umfänglichen Fußnotenteil. Wir hatten die Möglichkeit, doch bei einigen Passagen, die uns zunächst problematisch erschienen, festzustellen, dass Belege dafür vorhanden sind. Zum Teil handelte es sich auch um Sekundärliteratur, die Herr Knabe verwandt hat.

    Meurer: Aber das war ja wohl der geringste Einwand, dass Fußnoten fehlen. Wenn ich das richtig sehe, werfen Sie vor, dass persönliche Angaben verwendet wurden?

    Birthler: Die Fußnoten sind deswegen wichtig, weil man in einer ganzen Reihe von Angaben natürlich prüfen muss, ob die Behauptungen, die in einem Manuskript enthalten sind, auch belegt werden können. Wenn beispielsweise gegen Jemand ein IM-Vorwurf erhoben wird, dann interessiert es den Leser des Buches schon, ob das eine Vermutung ist oder ob diese Behauptung auch mit Stasi-Akten belegbar ist.

    Meurer: Werden in dem Buch solche IM-Vorwürfe erhoben?

    Birthler: Davon gibt es einige. Das gehört auch zu dem, was wir nach wie vor am Manuskript zu beanstanden haben, dass IM-Vorwürfe in einigen Fällen erhoben werden mit Berufung auf die sogenannte Sira-Datei. In dieser Sira-Datei, die bei uns in der Behörde vorliegt, sind aber nur Decknamen enthalten. Eine eindeutige Zuordnung zum Klarnamen von Personen ist zumindest auf der Grundlage der uns vorliegenden Daten nicht erforderlich, so dass Herr Knabe von uns jetzt gebeten wurde, entweder diesen Zusammenhang zu belegen oder auf die Beschuldigung, Jemand sei IM, in diesen Fällen zu verzichten.

    Meurer: Hubertus Knabe sagt, Ihre Einwendungen würden nur Randbereiche betreffen und Sie hätten ihm auch "ein amtliches Gütesiegel" gegeben. Haben Sie das?

    Birthler: So lange wir 19 oder 20 Stellen haben, wo wir noch dringend darum gebeten haben, die Behauptungen im Buch zu belegen, kann man wohl nicht von einem Gütesiegel sprechen. Wenn überhaupt, dann haben wir ja nur beurteilt, ob Daten sorgfältig verwendet wurden. Ich wäre zurückhaltend, wenn es um die Frage ginge, ob ein Gütesiegel gegenüber wissenschaftlichen oder politischen Aussagen des Buches angebracht wäre.

    Meurer: Und die Verwendung der Sira-Datei, um Journalisten als Inoffizielle Mitarbeiter zu bezeichnen, halten Sie auch nicht für Randbereiche?

    Birthler: Nein, nein. Das ist schon problematisch, denn wenn man bis jetzt nur Decknamen von Ims kennt und dann einen Zusammenhang zu Klarnamen herstellt, dann muss man schon nachweisen nicht nur gegenüber den Betreffenden, auch gegenüber der Öffentlichkeit, woher man so sicher diesen Zusammenhang nimmt. Mag sein, dass Herr Knabe dies belegen kann. Da haben wir ihn dann gebeten, diesen Zusammenhang auch Offenzulegen. Oder aber er sollte besser darauf verzichten, einen nicht bewiesenen Vorwurf aufrecht zu erhalten.

    Meurer: Was sagen Sie, Frau Birthler, wenn man Ihnen und der Behörde den Vorwurf machen würde, Sie schützten West-Journalisten?

    Birthler: Das ist natürlich Unsinn, weil wir erstens keine Unterschiede machen je nach Berufsgruppe, zweitens aber großen Wert darauf legen, dass IM-Vorwürfe, wenn sie von jemand erhoben worden sind, dann auch zu belegen sind. Wir haben schon die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass man hier Persönlichkeitsrechte auch insofern schützen muss, als man nicht voreilig solchen IM-Vorwurf erhebt.

    Meurer: Haben Sie sich im Fall Knabe besonders engagiert, mehr als üblich?

    Birthler: Das ist deswegen nötig, weil, wie ich eingangs sagte, Herr Knabe einen privilegierten Zugang zu den Unterlagen unserer Behörde hat. Als Dienstherrin der Behörde bin ich natürlich verpflichtet, auch auf die sich daraus ergebenden Bindungen zu achten.

    Meurer: Ein anderer Fall: Gegen die Gauck-Behörde klagt ja augenblicklich der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Wie ist eigentlich hier der Stand der Dinge?

    Birthler: Wir erwarten für Anfang Juli die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts in dieser Sache. Wie es dann weiter geht wird man sehen.

    Meurer: Sie haben den Anwälten Kohls angeboten, sie würden vorab über Akten informiert, über diejenigen Akten, die an Journalisten herausgegeben werden sollen, haben auch mitgeteilt, welche Journalisten es sind. Was bedeutet dieses Angebot an die Kohl-Anwälte?

    Birthler: Wir teilen nie mit, um welche Journalisten es sich handelt. Wir machen das generell und nicht nur im Fall Kohl so, dass die Betreffenden, um deren Akten es geht, darüber informiert werden, dass ihre Akten zur Nutzung angefordert worden sind, damit alle, die die Stasi ausgespäht hat, die Möglichkeit haben, selber erst einmal zur Kenntnis zu nehmen, was sie möglicherweise zwei oder drei Tage später dann in der Presse finden werden. Das trifft jetzt auch für die Akte Helmut Kohls zu, aber selbstverständlich geht dieses Angebot an alle, deren Akte genutzt werden soll.

    Meurer: Ist das dann nur eine ganz allgemeine Information an Helmut Kohl, oder nennen Sie konkret die Akten, die eingesehen werden sollen?

    Birthler: Nein, die Information erfolgt immer allgemein. Wir schreiben den Betreffenden immer, wenn Rechercheanträge eingehen, dass jemand beantragt hat, Akten einzusehen. Aus Gründen des Rechercheschutzes wird darauf verzichtet zu sagen, um wen es sich handelt. Dann haben die Betreffenden innerhalb von vier Wochen die Möglichkeit uns mitzuteilen, ob sie ein Interesse daran haben, ihrerseits in die Akten einzusehen. Es gibt natürlich auch ein Grundrecht auf Desinteresse. Niemand wird dazu gezwungen.

    Meurer: Aber der Betroffene, in dem Fall Helmut Kohl, hat nicht die Möglichkeit, Einspruch gegen die Herausgabe der Akten einzulegen?

    Birthler: Die Entscheidung, was herausgegeben wird, liegt nach wie vor bei der Behörde.

    Meurer: Und er kann auch nicht mitreden, was geschwärzt werden soll?

    Birthler: Jede Aktenherausgabe ist ja von vornherein - so war das schon immer - das Ergebnis eines Abwägungsprozesses. Bevor Akten herausgegeben werden, werden beispielsweise die Rechte Dritter gewürdigt. Außerdem werden Informationen aus dem persönlichen oder privaten Bereich geschwärzt. Diese Abwägung erfolgt ja immer auf der Grundlage von Argumenten und Gegeneinanderhalten von öffentlichem Aufklärungsinteresse und Persönlichkeitsrechten. Die Betroffenen, die diese Möglichkeit wahrnehmen, in ihre Akte vor Herausgabe einzusehen, haben dann auch die Möglichkeit, ihrerseits Argumente für diesen Abwägungsprozess mit einzubringen. Aber wie gesagt: abhängig machen wir uns bei der Herausgabe von Akten dadurch nicht.

    Meurer: Das war Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. - Frau Birthler, ich danke Ihnen und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio