Man hat sich entschieden, ein wohl orchestriertes Verfahren ablaufen zu lassen. Schritt für Schritt soll der Druck auf Warschau erhöht werden, so lautet das Szenario, das aus der Kommission zu vernehmen ist.
Den Aufschlag gewissermaßen machte der Erste Vizepräsident, machte Frans Timmermans. Bereits kurz vor Weihnachten schrieb er an die für Außen und Justiz zuständigen Minister im Kabinett von Premier Szydlo. Und er teilte ihnen deutlich, wenn auch freundlich mit, dass Brüssel von den Plänen nichts, aber auch gar nichts hält. Weder vom Umbau des Verfassungsgerichts, noch vom Zugriff auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Doch in Warschau ließ man sich ganz offenbar nicht beirren und peitschte die Beschlüsse im Eilverfahren durch. An Heilig Abend und am Silvestertag stimmte auch der Senat, die zweite Kammer des von der nationalkonservativen Partei PiS dominierten Parlaments, zu.
Oettinger will Warschau unter Aufsicht stellen
Nun zündet auch Brüssel die Stufe 2. Und zwar in Form des Interviews, das der für Medien zuständige Kommissar, Günther Oettinger, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gegeben hat, und das nicht ohne Zufall heute erschienen ist. Der deutsche CDU-Politiker bemüht sich darin erst gar nicht um diplomatische Floskeln. Er redet Klartext. Oettinger spricht sich für eine deutlich härte Gangart aus. Er will den sogenannten "Rechtsstaatsmechanismus" aktivieren und Warschau damit unter Aufsicht stellen. Bei dem Verfahren wird überprüft, ob ein Land gegen die Grundwerte der EU, also unter anderem gegen den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, verstößt. Kommt die EU-Kommission zu genau diesem Ergebnis kann der jeweilige Staat am Ende sogar sein Stimmrecht in der Union verlieren. Es ist die härteste Strafe, die Brüssel verhängen kann. Sie war deshalb bisher noch nie angewandt worden.
Dabei hätte es auch schon in der Vergangenheit dafür immer wieder Anlass gegeben. Erstmals testete die EU im Jahr 2000 ihr Arsenal, als in Österreich Jörg Haiders rechtspopulistische FPÖ an der Regierung beteiligt wurde. Damals redeten zahlreiche EU-Staaten einfach nicht mehr mit Wien, sie verhängten bilateral eine Art Kontaktsperre. Der Schuss ging ziemlich nach hinten los, erreicht wurde nichts.
Ganz anders 2012. Da reichte im Falle Rumäniens ein Papier mit zehn Forderungen und Bukarest ruderte zurück. An Viktor Orban hingegen biss sich Brüssel dann später wieder die Zähne aus. Der Ungar führte die EU und ihre Vertreter im eigenen Land regelrecht vor.
EU-Kommission berät über das Thema Polen
Das alles soll jetzt nicht passieren. Deshalb arbeitete die Mannschaft um Kommissionspräsident Juncker schon seit längerem an ihrem Fahrplan. Und damit der Chef nicht selbst angreifbar wird, schickt er eben seine Mannschaft vor. Vizepräsident Timmermans, den für Medien zuständigen Kommissar Oettinger und sowie die für Justiz verantwortliche Rerssortleiterin Jourova, die Druck machen sollen.
Juncker selbst setzte das Thema Polen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der EU-Kommission in zehn Tagen. Ob dabei bereits Schritt gegen Warschau beschlossen werden, ist noch unklar - offenbar sind noch nicht alle Kommissare auf Linie.
Klar ist allerdings, dass es für die polnische Regierung nicht einfach werden wird, sollte sie sich tatsächlich komplett gegen Brüssel stellen. Polen ist auf Gelder der EU angewiesen - etwa zur Entschädigung polnischer Bauern, die wegen der Russland-Sanktionen leiden.
Brüssel setzt also auf Zermürbung ... und wartet gespannt, wie Warschau reagiert.