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Umweltabkommen
"Handfeste wirtschaftliche Interessen Europas und der USA"

Der Markt für Umwelttechnik soll weltweit liberalisiert werden. Bei den Verhandlungen im Rahmen der WTO in Genf gehe es mehr um Arbeitsplätze als um Umweltschutz, sagt der Klimapolitik-Experte Professor Felix Ekardt. Die EU und die USA wollten gegen Billigprodukte aus China und die Pekinger Zollpolitik vorgehen.

Felix Ekardt im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 18.07.2014
    Ein Wohnhaus mit Solardach steht am 05.06.2013 in einer Wohnsiedlung in Mössingen (Baden-Württemberg).
    Solarmodule und andere Umweltprodukte billiger zu machen, ist das Ziel von Verhandlungen in Genf. (dpa / Daniel Bockwoldt)
    Susanne Kuhlmann: Nach TTIP kommt EGA, was für "Environmental Goods Agreement" steht, ein Abkommen über die Liberalisierung im Umweltsektor. Die Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO verhandeln darüber in Genf. Auch hier geht es unter anderem um Zölle auf Industrieprodukte. Wenn sie wegfielen, oder zumindest gesenkt würden, wirkte sich das zum Beispiel auf die Preise für Solaranlagen oder Windturbinen aus. - Am Telefon in Leipzig ist Professor Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik. Guten Tag!
    Felix Ekardt: Schönen guten Tag.
    Kuhlmann: Welche Auswirkungen erwarten Sie? Sollte Zubehör fürs Nutzen erneuerbarer Energien beispielsweise günstiger werden?
    In Europa wird sich das nur begrenz auswirken
    Ekardt: Generell schafft Zollabbau häufig natürlich steigenden Wohlstand. Deswegen ist ja Zollabbau auch das zentrale Instrument der Globalisierung. Allerdings stimmt schon diese allgemeine Aussage nicht. Immer wenn bereits - und so ist es letzten Endes - weltweit ein relativ hohes Liberalisierungsniveau erreicht ist, dann ist zunehmend fraglich, ob tatsächlich weitere Liberalisierungsschritte noch mehr Wohlstand bringen. Was auf jeden Fall jetzt in dem konkreten Fall, bei der Liberalisierung des Marktes für Umweltgüter, festzuhalten ist, ist, dass entgegen der Bekundung der Betroffenen es im Grunde mehr um Arbeitsplätze geht als jetzt um Umweltschutz, denn das Ziel ist ja explizit: Man will vorgehen, oder will eine Maßnahme dagegen ergreifen, dass beispielsweise China sehr preiswert, sagen wir, Solar-Panels in die EU exportiert, umgekehrt aber Schutzzölle verhängt, wenn die EU versucht, ihrerseits Solar-Panels nach China zu verkaufen. Das ist eine Frage, die ist relevant für europäische Arbeitsplätze. Sie ist aber nicht wirklich relevant für die Frage, was beispielsweise Solar-Panels in der EU kosten, denn es gibt die chinesischen Billig-Panels ja schon heute.
    Kuhlmann: Was heißt in diesem Zusammenhang Wohlstand? Ist damit gemeint wirtschaftliches Wachstum, oder sind positive Veränderungen in Sachen Natur- und Umweltschutz damit gemeint?
    Ekardt: Ich hatte tatsächlich an der Stelle wirtschaftliche Vorteile gemeint. Die andere Frage ist in der Tat: Bringt das Ganze für den Umweltschutz etwas? Generell ist es natürlich so, dass der Umweltschutz vorangebracht werden kann, dadurch, dass Güter des technischen Umweltschutzes wie beispielsweise Windräder, Solaranlagen oder Abwasserbehandlungsanlagen billiger werden. Nur muss man an der Stelle differenzieren. Auf der einen Seite ist es zwar gut, wenn man an der Stelle schafft, die Dinge billiger zu machen, und Zollabbau trägt dazu bei, denn Zölle sind bisher ein erheblicher Teil der Produktkosten für Umweltschutzgüter in bestimmten Ländern. Aber unmittelbar in Europa wird sich das wie gesagt nur begrenzt auswirken. Das wird sich hauptsächlich in den Entwicklungsländern auswirken. Auch das ist allerdings günstig. Nur muss man auch hier wieder die Einschränkung machen: Umweltschutz hängt nicht einfach nur daran, dass technische Güter bereitstehen; Umweltschutz hängt beispielsweise daran, dass bestimmte Gesetze in den Ländern existieren, die den Einsatz bestimmter Techniken auch vorschreiben. Allein dadurch, dass ein Produkt vielleicht zehn Prozent billiger wird, wird es nicht zwangsläufig sehr viel häufiger eingesetzt.
    Das hat Deutschland im 19. Jahrhundert auch gemacht
    Kuhlmann: Lassen sich Antreiber und Bremser in diesem Verhandlungsprozess ausmachen und gibt es womöglich nationale Eigeninteressen, die den Verhandlungen Vorschub leisten oder auch ihnen entgegenstehen?
    Ekardt: Ich persönlich bin sehr gespannt, wie sich China am Ende in den Verhandlungen positionieren wird, denn aus Sicht der EU und aus Sicht der USA ist klar: Das Ganze ist im Interesse der westlichen Industriestaaten. Es geht tatsächlich darum: Man möchte vermeiden, dass der eigene Markt mit insbesondere chinesischen Billigprodukten überschwämmt wird, und umgekehrt die eigenen Produkte aus den USA oder Europa in China Absatzschwierigkeiten haben, weil die Chinesen auf Importe, die nach China reinkommen, hohe Schutzzölle verhängen. Insofern gibt es handfeste wirtschaftliche Eigeninteressen in Europa und in den USA an diesem Prozess. Nun muss man allerdings auch sagen, die gängige westliche Linie, die auch jetzt bei diesen Verhandlungen wieder durchscheint, dass man nämlich im Grunde erwartet, dass Entwicklungsländer und Industriestaaten sich wechselseitig gleich behandeln, die ist nach wie vor schwierig. Denn immer noch sind die Industriestaaten in der wirtschaftlich stärkeren Position und nach aller Erfahrung übrigens auch in der deutschen Geschichte ist es so: Wenn man selber von den Lohnstückkosten, von den Produktionskosten her noch in der unterlegenen Position ist – und das trifft auf die Entwicklungsländer generell in jedem Fall zu, auf China natürlich nur noch eingeschränkt -, dann ist es durchaus sinnvoll, dass man den eigenen Markt auch mit Schutzzöllen schützt aus Sicht des jeweiligen Entwicklungslandes. Und wenn wir alle ein Interesse daran haben, dass die Entwicklungsländer wirtschaftlich auf die Beine kommen und beispielsweise die Armutsbekämpfung vorantreiben können, dann können wir jetzt auch nicht sagen, das ist nur irgendein unverständliches borniertes chinesisches Eigeninteresse, wenn der eigene Markt geschützt wird. Das hat man in Deutschland im 19. Jahrhundert nicht anders gemacht, als die Industrieproduktion dort anders war.
    Kuhlmann: Danke an Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.