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Umweltjournalisten unter Lebensgefahr
"Vor allen Dingen einheimische Journalisten betroffen"

Es sind Regierungen und Konzerne, die die Recherchen von Umweltjournalisten kritisch sehen und negative oder kritische Berichterstattungen unterbinden wollten, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" im DLF. Seit 2010 seien mindestens zehn Umweltjournalisten weltweit ermordet worden - die meisten in Indien und Kambodscha.

Christian Mihr im Gespräch mit Stefan Römermann | 10.12.2015
    Journalisten in Indien entzünden in Gedenken an ihren getöteten Kollegen Jagendra Singh Kerzen.
    Journalisten in Indien entzünden in Gedenken an ihren getöteten Kollegen Jagendra Singh Kerzen. (imago/stock&people/ZUMA press)
    Stefan Römermann: Ganz ehrlich: Hier beim Deutschlandfunk über Umweltthemen zu sprechen, das ist schon ein toller Job. Aber viel Mut? Nein, Mut brauche ich da eigentlich nicht. Außer ein bisschen Lampenfieber vor den ersten Moderationen hatte ich hier bisher mit eher weniger Widerstand zu kämpfen. Anderswo leben Umweltjournalisten dagegen weit gefährlicher, müssen unter Umständen sogar um ihr Leben fürchten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat in dieser Woche dazu einen Bericht veröffentlicht. Darüber spreche ich jetzt mit ihrem Geschäftsführer Christian Mihr. Herr Mihr, wer oder was bedroht denn die Arbeit von Umweltjournalisten? Sind das Regierungen, Konzerne oder kriminelle Banden?
    Christian Mihr: Es sind tatsächlich Regierungen und Konzerne, die die Recherchen von Umweltjournalisten als kritisch sehen und die unzufrieden sind mit Berichterstattungen, die solche Berichterstattungen unterbinden wollen. Und das hat dazu geführt, dass seit 2010 nach Recherchen von uns mindestens zehn Umweltjournalisten weltweit ermordet wurden, davon übrigens die meisten in Südostasien, hier vor allen Dingen Indien und Kambodscha.
    Bedrohungen in Südostasien
    Römermann: Wie läuft das konkret ab? Wie muss ich mir das vorstellen? Wie läuft so eine Bedrohung typischerweise ab?
    Mihr: Ich kann es ja einfach mal an einem Beispiel erzählen aus Indien, weil wir dort tatsächlich viele Morde beobachtet und registriert haben. Dort gibt es zum Beispiel den Fall des Journalisten Jagendra Singh. Der hat wiederholt einem Minister im Bundesstaat Utar Pradesh Korruption im Zusammenhang mit illegalem Bergbau und Beschlagnahmen von Land vorgeworfen. Jagendra Singh, der viele Jahre auch schon zu Themen aus diesem Bereich recherchiert hatte, kam nicht mehr zu der Veröffentlichung, weil er bei einer Polizei-Razzia in seiner Wohnung so schwere Verbrennungen erlitten hat, dass er mehrere Tage später daran gestorben ist. Und ähnliche Fälle gibt es auch in Kambodscha und auf den Philippinen.
    Römermann: Sind solche Todesfälle trotz allem eher die Ausnahme, oder ist da schon ein System dahinter?
    Mihr: Man kann natürlich sagen, zehn Umweltjournalisten seit 2010 sind vielleicht nicht so viele, wenn man das mal weltweit vergleicht mit anderen Bedrohungen. Aber trotzdem: Von zehn getöteten Journalisten, würde ich sagen, ist jeder einzelne davon einer zu viel. Die Mehrzahl sind allerdings tatsächlich eher Drohungen, die nicht dazu führen, dass Leute gleich ermordet werden, sondern es sind auch Gesetze und Inhaftierungen wie zum Beispiel in Usbekistan wissen wir vom Journalisten wie dem Fall von Salijon Abdurakhmanov, einer der Journalisten, der weltweit am längsten mittlerweile im Gefängnis sitzt, der sich immer wieder mit dem Aralsee beschäftigt hat und den Folgen der Austrocknung, und der ist mit dubiosen Drogenvorwürfen inhaftiert in Usbekistan. Das ist ein Beispiel und in Ecuador ist ein anderes Beispiel, wo es drakonische Gesetze gibt gegen Journalisten, die berichten wollen über die Erdölförderung im Yasuní-Nationalpark. Das ist sozusagen das ganze Spektrum. Und als drittes vielleicht noch, weil wir vorhin über Konzerne auch gesprochen haben: Es gibt tatsächlich auch immer wieder, dass Unternehmen versuchen, Journalisten zu korrumpieren, indem sie zum Beispiel Geld anbieten, dass sie über bestimmte Dinge nicht berichten.
    Drakonische Gesetze gegen Journalisten
    Römermann: Sind von diesen Fällen vor allem Reporter der jeweiligen Länder, also lokale Reporter vor Ort betroffen, die in inländischen Medien dort berichten, die Missstände anprangern, oder betrifft das auch Reporter, die beispielsweise von Deutschland oder aus anderen Ländern dorthin gehen? Sind die relativ sicher?
    Mihr: Das betrifft tatsächlich, wenn wir über die konkreten Drohungen reden, vor allen Dingen einheimische Reporter und Journalisten. Wenn wir über diese Korruptionsangebote reden, da betrifft das auch sehr viele ausländische Journalisten. Aber insgesamt, wenn wir über die Drohungen, die Angriffe, die Gewalt, die Inhaftierung reden, davon sind vor allen Dingen einheimische Journalisten betroffen.
    Druck ausüben
    Römermann: Erzielt der Druck Erfolge? Haben Sie den Eindruck, dass Umweltjournalisten dort in Südostasien, in Indien, dass die vorsichtiger sind und weniger berichten?
    Mihr: Das ist natürlich immer das Ziel von solcher Repression und das Ziel davon, Druck auszuüben. Aber erfreulicherweise zeigen Journalisten immer wieder auch den Mut, weiter über solche Dinge zu berichten, und insofern führt das in vielen Fällen nicht zu dem gewünschten Erfolg.
    Römermann: Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.