Dirk-Oliver Heckmann: Schon im übernächsten Jahr läuft es aus, das Kyoto-Protokoll, das erste völkerrechtlich bindende Abkommen zur Eindämmung des Klimawandels. Die Ziele, die damals vereinbart wurden, reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Erderwärmung aufzuhalten, zumal Schlüsselstaaten wie die USA und China sich gar nicht haben einbinden lassen. Außerdem steht nach dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen im vergangenen Jahr immer noch kein Nachfolgeabkommen. Nun macht die internationale Staatengemeinschaft im mexikanischen Cancun einen neuen Anlauf. Kaum jemand verspricht sich allerdings den großen Durchbruch. Anders als im vergangenen Jahr in Kopenhagen spart sich Bundeskanzlerin Angela Merkel die Reise zur Klimakonferenz. – Vor dieser Sendung habe ich mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen gesprochen, der auch stellvertretender CDU-Vorsitzender ist und sich heute auf den Weg nach Cancun macht, und ihn habe ich gefragt, ob die Bundeskanzlerin das Interesse an dem Thema verloren hat, auch wegen mangelnder Erfolgsaussichten.
Norbert Röttgen: Im letzten Jahr war die Möglichkeit in der Luft, dass es einen Big Bang gibt, unter Einsatz auch der Regierungs- und Staatschefs, und die deutsche Bundeskanzlerin war im Vorfeld äußerst engagiert, auch andere Staats- und Regierungschefs für die Teilnahme zu bewegen. Sie hat sich auch inhaltlich eingesetzt. Wie wir wissen, ist es ja nicht zu dem einen großen Wurf gekommen, sondern jetzt müssen wir das versuchen, in kleinen Schritten nachzuholen. Das muss man trotzdem tun, wir richten den Blick nach vorne, aber das kann jetzt nicht ein Dauergeschäft der Regierungs- und Staatschefs sein, das ist auch jetzt weltweit nicht typisch für das Verhalten der einzelnen Staaten, sondern jetzt müssen wir eben im Verhandlungskreis der Beamten, dann der Minister zu Fortschritten kommen. Aber das sagt nichts über Interessen aus, sondern es war eine besondere, es war ein Momentum vor einem Jahr, wo vielleicht mit der Hilfe der Regierungs- und Staatschefs der große Wurf hätte gelingen können, und nun haben wir die einzelnen Schritte, aber die Bundeskanzlerin misst diesem Thema weiterhin höchste Priorität zu.
Heckmann: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann erwarten Sie den Durchbruch auch nicht hin zu einem verbindlichen Nachfolgeabkommen für Kyoto?
Röttgen: Nein. Es gibt für dieses Treffen auch nach Kopenhagen im letzten Jahr jetzt nicht die Erwartung des Durchbruchs in einer Verhandlungsrunde, sondern wir sind jetzt darauf verwiesen, in einzelnen Schritten Bauelemente für ein weltweites Klimaabkommen zu schaffen, immer weiter voranzugehen.
Heckmann: Zum Beispiel?
Röttgen: In einzelnen Elementen, zum Beispiel dem internationalen Waldschutz, der eine hohe Bedeutung hat, der Technologiekooperation der Industrieländer mit den Entwicklungsländern, der langfristigen Finanzierung der Maßnahmen in den Entwicklungsländern, aber auch Fragen der Anrechnung der Transparenz der Berechnungsmethoden, damit wir auch in der gleichen Sprache sprechen, wenn in irgendeinem Entwicklungsland von einer Tonne Reduzierung CO2 gesprochen ist, damit sichergestellt ist, dass das auch das gleiche bedeutet, wie wenn wir von Deutschland sagen, wir reduzieren eine Tonne CO2, und das muss ja alles verabredet werden, da muss auch Transparenz herrschen, damit nicht nur Geld fließt, sondern auch Maßnahmen wirksam werden.
Heckmann: Sie haben ein Ziel, Herr Röttgen, nicht genannt, nämlich den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Haben Sie dieses Ziel schon aufgegeben?
Röttgen: Nein. Vielleicht hätte ich es sagen sollen, weil es die Selbstverständlichkeit ist. Darauf hat man sich ja in Kopenhagen auch schon geeinigt. Es ist ja nicht so, dass nichts in Kopenhagen erreicht worden wäre, sondern es ist der sogenannte Kopenhagen Akkord ja verabredet worden ...
Heckmann: ... , der aber nicht verbindlich ist!
Röttgen: Ja, genau so ist es. Aber er hat sich trotzdem verselbstständigt. Ich gebe zu, ich habe am Morgen danach auch gedacht, das ist doch nicht verbindlich, das ist in Wahrheit gar nichts, aber er hat sich jetzt faktisch verselbstständigt in dem einen Jahr und eines der Ziele ist, ihn jetzt in Cancun auch in den Charakter einer Entscheidung zu heben, also von der Unverbindlichkeit zur Entscheidung der Staatengemeinschaft zu machen und in Einzelschritten auch darüber hinauszugehen, und das Zwei-Grad-Ziel, das steht ganz vorne weg. Ich glaube auch, dass wir es entscheiden werden. Die Verabredung war wie gesagt in Kopenhagen, jetzt soll es eine Entscheidung werden, weil von dem Zwei-Grad-Ziel sich dann die einzelnen Maßnahmen ableiten.
Heckmann: Herr Röttgen, Sie haben sich dafür starkgemacht, dass die EU sich verpflichtet, eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent zuzusagen. Bisher stehen ja nur 20 Prozent auf der Agenda. Berlin hat da nicht mitgemacht. An wem sind Sie gescheitert, an Bundeskanzlerin Angela Merkel, oder an Wirtschaftsminister Brüderle?
Röttgen: Nein, Sie schildern den Sachverhalt nicht richtig, sondern wir sind in dieser Frage in einem europäischen Entscheidungsprozess und der hält auch noch an. Also insofern ist der Sachverhalt schlicht nicht so, wie Sie ihn schildern. Es ist auch nicht so, dass die EU nicht 30 Prozent von vornherein verweigert, sondern wir haben eben ein konditioniertes 30 Prozent-Angebot. Aber richtig ist, ich bin der Auffassung, dass wir, gerade wir Deutsche, die wir ja sagen, national 40 Prozent, ein eigenes Interesse, aber auch ein globales klimaschutzpolitisches Interesse daran haben, dass die EU von 20 Prozent auf 30 Prozent hochgeht, und zwar aus einem ganz bestimmten wirtschaftlich-technologischen Verständnis von Klimaschutz heraus. Ich bin davon überzeugt, dass die Klimaschutztechnologien zu den Technologien und Produkten zählen, mit denen wir heute schon Arbeitsplätze und Marktanteile schaffen und in der Zukunft erst recht, weil alle auch schon ökonomisch auf diese Technologien angewiesen sein werden, wenn sie in Zukunft weiter Entwicklung und erst recht wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum haben wollen, und darum geht es darum, wer ist der Herausforderer, wer ist der Technologieführer in diesen Technologien, in diesem wichtigen Zukunftsmarkt auch, und darum bin ich dafür, dass wir von 20 auf 30 Prozent hochgehen, damit wir ausdrücken, auch gegenüber China etwa, wir sind die Herausforderer, wir warten nicht, wir lassen uns nicht zurückfallen, sondern wir wollen die Technologieherausforderer auf diesem Gebiet sein, weil das auch wirtschaftlich ein absolutes Zukunftsgebiet ist.
Heckmann: Sie sind dafür, auf 30 Prozent zu gehen, aber Sie haben sich bisher nicht durchsetzen können. Liegt das auch am Koalitionspartner, an der FDP?
Röttgen: Nein. Wenn man in einer Diskussion ist, geht es nicht um Durchsetzen, sondern wir sind da in einer europäischen Diskussion, auch in einer nationalen Diskussion, aber vor allem in einer europäischen Diskussion, und europäisch geht es am allermeisten darum: Ist das ein Ziel, dem wir uns alle verschreiben können? Denn es kann natürlich nicht sein, dass die EU 30 Prozent zusagt und man sagt, die Deutschen müssen dann 50 Prozent Anteil leisten, damit wir insgesamt auf 30 Prozent kommen, sondern wir brauchen dann auch eine faire Verteilung der Anstrengungen in Europa, weil wir ja auch die Rendite, Technologieführerschaft, Marktanteile, Wachstum, Arbeitsplätze in Europa und für ganz Europa haben wir wollen, und das ist eine andauernde Diskussion, sieht man darin eher eine Belastung, eine kostenmäßige Belastung, kurzfristig, oder sieht man darin eine Investition in Technologieführerschaft und Marktanteile. Und natürlich muss man da sagen, es sind nicht alle Länder auch so technologiestark, dass sie das gleiche Interesse haben wie wir Deutsche. Wir haben es vernünftigerweise ganz vorne weg, schon wegen der eigenen Ziele, aber auch wegen der Technologieführerschaft, die wir ja schon heute haben. Deutschland ist Weltmarktführer in den Umwelttechnologien und ich will eben, dass das so bleibt und sich weiter verfestigt.
Heckmann: Von einer Vorreiterrolle der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz ist trotzdem nicht mehr die Rede, jedenfalls aus Sicht der Opposition. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagt, die Bundesregierung blockiert, unter anderem durch die Verlängerung der Atomlaufzeiten, die behinderten nämlich die erneuerbaren, und Berlin habe sich auch gegen die Einführung strenger Verbrauchsobergrenzen für Autos und LKW ausgesprochen und dort dagegen votiert.
Röttgen: Ja, ich glaube, das ist keine wirklich ernst zu nehmende Kritik. Wenn es um Laufzeitverlängerung ginge, dann würden ja alle anderen erst recht blockieren. Frankreich hat eine nahezu komplette Stromversorgung aus Kernkraftwerken, in Großbritannien werden neue Kernkraftwerke geplant, genauso in Finnland. Also das ist offensichtlich ein Blick, der parteipolitisch so verengt ist, dass er europäisch nicht mehr in der Lage ist, auch nur die Realitäten wahrzunehmen. Nein, es ist überhaupt kein Zweifel europaweit vorhanden, dass Deutschland die Rolle einnimmt, Europa an der Stelle zu führen, und auch international in der Lage ist, ein starkes Gewicht für Europa einzubringen. Das ist übrigens über mehrere Regierungen hinweg ein angesammeltes Kapital. Das ist gar nichts, was allein die jetzige Regierung einbrächte, sondern das haben wir uns über mehrere Legislaturperioden und Regierungen hinweg erarbeitet. Darauf könnten wir eigentlich alle stolz sein, anstatt da klein herumzumäkeln. Ich glaube, es ist eines der wichtigsten, gerade außenpolitischen Felder der Bundesrepublik Deutschland, aber immer in der europäischen Einbettung. Alleine können wir gar nichts bewirken global, aber wenn wir unser Gewicht einbringen in eine europäische Position, dann kann es eben eine ganz starke Stimme und ein ganz starkes Gewicht global und weltweit sein, und das ist genau unsere Auffassung, wie wir das machen.
Heckmann: Blicken wir abschließend noch in die USA. Die haben ja Kyoto nicht unterschrieben. US-Präsident Obama steht im Kongress ohne Mehrheit da. Glauben Sie denn im Ernst, dass er eine ambitionierte Klimapolitik durchsetzen kann gegen die Republikaner? Was erwarten Sie von Obama?
Röttgen: Ja, es liegt nicht an der Administration, schon gar nicht an Obama, sondern es liegt an der gesellschaftlichen politischen Debatte in den USA und an der Mehrheitsbildung, die eher gegen Klimaschutz sich weiter verfestigt als pro Klimaschutz. Und insofern ist das richtig, was Sie beschreiben an der Stelle, leider, denn meine Auffassung ist, es geht um die Transformation der Wirtschaften, der Gesellschaften vom Ressourcenverbrauch, vom Konsum, vom Wegwerfen zur Ressourceneffizienz. Das ist eine technologisch-ökonomische Herausforderung, und darüber haben wir eben gesprochen, aber es ist auch eine sozial-kulturelle Herausforderung, vom Wegwerfen zur Effizienz zu kommen, und da tun sich die Amerikaner so schwer wie wenige andere Gesellschaften. Und ich fürchte, dass das eine Voraussetzung, diese kulturelle Disposition zu verändern, eine Voraussetzung dafür ist, dass die USA auch geopolitisch eine Führungsmacht bleiben. Die Felder, auf denen sich Führungsfähigkeit international zu bewähren hat, die verändern sich. Das werden nicht mehr nur militärische Fähigkeiten sein, sondern es werden auch diese technologischen Fähigkeiten sein, und die müssen in einer Gesellschaft entwickelt sein, und hier liegen die USA gesellschaftlich-kulturell zurück. Es ist eine Frage nach meiner Einschätzung ihrer künftigen wirtschaftliche, technologischen Stärke, aber eben auch geopolitischen Führungsfähigkeit, ob sie auch in der Gesellschaft diese Zeichen der Zeit erkennen oder zurückfallen.
Heckmann: Die Klimakonferenz von Cancun geht in die entscheidende Runde. Das Interview mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.
Weltklimagipfel in Cancun hat begonnen
Norbert Röttgen: Im letzten Jahr war die Möglichkeit in der Luft, dass es einen Big Bang gibt, unter Einsatz auch der Regierungs- und Staatschefs, und die deutsche Bundeskanzlerin war im Vorfeld äußerst engagiert, auch andere Staats- und Regierungschefs für die Teilnahme zu bewegen. Sie hat sich auch inhaltlich eingesetzt. Wie wir wissen, ist es ja nicht zu dem einen großen Wurf gekommen, sondern jetzt müssen wir das versuchen, in kleinen Schritten nachzuholen. Das muss man trotzdem tun, wir richten den Blick nach vorne, aber das kann jetzt nicht ein Dauergeschäft der Regierungs- und Staatschefs sein, das ist auch jetzt weltweit nicht typisch für das Verhalten der einzelnen Staaten, sondern jetzt müssen wir eben im Verhandlungskreis der Beamten, dann der Minister zu Fortschritten kommen. Aber das sagt nichts über Interessen aus, sondern es war eine besondere, es war ein Momentum vor einem Jahr, wo vielleicht mit der Hilfe der Regierungs- und Staatschefs der große Wurf hätte gelingen können, und nun haben wir die einzelnen Schritte, aber die Bundeskanzlerin misst diesem Thema weiterhin höchste Priorität zu.
Heckmann: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann erwarten Sie den Durchbruch auch nicht hin zu einem verbindlichen Nachfolgeabkommen für Kyoto?
Röttgen: Nein. Es gibt für dieses Treffen auch nach Kopenhagen im letzten Jahr jetzt nicht die Erwartung des Durchbruchs in einer Verhandlungsrunde, sondern wir sind jetzt darauf verwiesen, in einzelnen Schritten Bauelemente für ein weltweites Klimaabkommen zu schaffen, immer weiter voranzugehen.
Heckmann: Zum Beispiel?
Röttgen: In einzelnen Elementen, zum Beispiel dem internationalen Waldschutz, der eine hohe Bedeutung hat, der Technologiekooperation der Industrieländer mit den Entwicklungsländern, der langfristigen Finanzierung der Maßnahmen in den Entwicklungsländern, aber auch Fragen der Anrechnung der Transparenz der Berechnungsmethoden, damit wir auch in der gleichen Sprache sprechen, wenn in irgendeinem Entwicklungsland von einer Tonne Reduzierung CO2 gesprochen ist, damit sichergestellt ist, dass das auch das gleiche bedeutet, wie wenn wir von Deutschland sagen, wir reduzieren eine Tonne CO2, und das muss ja alles verabredet werden, da muss auch Transparenz herrschen, damit nicht nur Geld fließt, sondern auch Maßnahmen wirksam werden.
Heckmann: Sie haben ein Ziel, Herr Röttgen, nicht genannt, nämlich den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Haben Sie dieses Ziel schon aufgegeben?
Röttgen: Nein. Vielleicht hätte ich es sagen sollen, weil es die Selbstverständlichkeit ist. Darauf hat man sich ja in Kopenhagen auch schon geeinigt. Es ist ja nicht so, dass nichts in Kopenhagen erreicht worden wäre, sondern es ist der sogenannte Kopenhagen Akkord ja verabredet worden ...
Heckmann: ... , der aber nicht verbindlich ist!
Röttgen: Ja, genau so ist es. Aber er hat sich trotzdem verselbstständigt. Ich gebe zu, ich habe am Morgen danach auch gedacht, das ist doch nicht verbindlich, das ist in Wahrheit gar nichts, aber er hat sich jetzt faktisch verselbstständigt in dem einen Jahr und eines der Ziele ist, ihn jetzt in Cancun auch in den Charakter einer Entscheidung zu heben, also von der Unverbindlichkeit zur Entscheidung der Staatengemeinschaft zu machen und in Einzelschritten auch darüber hinauszugehen, und das Zwei-Grad-Ziel, das steht ganz vorne weg. Ich glaube auch, dass wir es entscheiden werden. Die Verabredung war wie gesagt in Kopenhagen, jetzt soll es eine Entscheidung werden, weil von dem Zwei-Grad-Ziel sich dann die einzelnen Maßnahmen ableiten.
Heckmann: Herr Röttgen, Sie haben sich dafür starkgemacht, dass die EU sich verpflichtet, eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent zuzusagen. Bisher stehen ja nur 20 Prozent auf der Agenda. Berlin hat da nicht mitgemacht. An wem sind Sie gescheitert, an Bundeskanzlerin Angela Merkel, oder an Wirtschaftsminister Brüderle?
Röttgen: Nein, Sie schildern den Sachverhalt nicht richtig, sondern wir sind in dieser Frage in einem europäischen Entscheidungsprozess und der hält auch noch an. Also insofern ist der Sachverhalt schlicht nicht so, wie Sie ihn schildern. Es ist auch nicht so, dass die EU nicht 30 Prozent von vornherein verweigert, sondern wir haben eben ein konditioniertes 30 Prozent-Angebot. Aber richtig ist, ich bin der Auffassung, dass wir, gerade wir Deutsche, die wir ja sagen, national 40 Prozent, ein eigenes Interesse, aber auch ein globales klimaschutzpolitisches Interesse daran haben, dass die EU von 20 Prozent auf 30 Prozent hochgeht, und zwar aus einem ganz bestimmten wirtschaftlich-technologischen Verständnis von Klimaschutz heraus. Ich bin davon überzeugt, dass die Klimaschutztechnologien zu den Technologien und Produkten zählen, mit denen wir heute schon Arbeitsplätze und Marktanteile schaffen und in der Zukunft erst recht, weil alle auch schon ökonomisch auf diese Technologien angewiesen sein werden, wenn sie in Zukunft weiter Entwicklung und erst recht wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum haben wollen, und darum geht es darum, wer ist der Herausforderer, wer ist der Technologieführer in diesen Technologien, in diesem wichtigen Zukunftsmarkt auch, und darum bin ich dafür, dass wir von 20 auf 30 Prozent hochgehen, damit wir ausdrücken, auch gegenüber China etwa, wir sind die Herausforderer, wir warten nicht, wir lassen uns nicht zurückfallen, sondern wir wollen die Technologieherausforderer auf diesem Gebiet sein, weil das auch wirtschaftlich ein absolutes Zukunftsgebiet ist.
Heckmann: Sie sind dafür, auf 30 Prozent zu gehen, aber Sie haben sich bisher nicht durchsetzen können. Liegt das auch am Koalitionspartner, an der FDP?
Röttgen: Nein. Wenn man in einer Diskussion ist, geht es nicht um Durchsetzen, sondern wir sind da in einer europäischen Diskussion, auch in einer nationalen Diskussion, aber vor allem in einer europäischen Diskussion, und europäisch geht es am allermeisten darum: Ist das ein Ziel, dem wir uns alle verschreiben können? Denn es kann natürlich nicht sein, dass die EU 30 Prozent zusagt und man sagt, die Deutschen müssen dann 50 Prozent Anteil leisten, damit wir insgesamt auf 30 Prozent kommen, sondern wir brauchen dann auch eine faire Verteilung der Anstrengungen in Europa, weil wir ja auch die Rendite, Technologieführerschaft, Marktanteile, Wachstum, Arbeitsplätze in Europa und für ganz Europa haben wir wollen, und das ist eine andauernde Diskussion, sieht man darin eher eine Belastung, eine kostenmäßige Belastung, kurzfristig, oder sieht man darin eine Investition in Technologieführerschaft und Marktanteile. Und natürlich muss man da sagen, es sind nicht alle Länder auch so technologiestark, dass sie das gleiche Interesse haben wie wir Deutsche. Wir haben es vernünftigerweise ganz vorne weg, schon wegen der eigenen Ziele, aber auch wegen der Technologieführerschaft, die wir ja schon heute haben. Deutschland ist Weltmarktführer in den Umwelttechnologien und ich will eben, dass das so bleibt und sich weiter verfestigt.
Heckmann: Von einer Vorreiterrolle der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz ist trotzdem nicht mehr die Rede, jedenfalls aus Sicht der Opposition. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagt, die Bundesregierung blockiert, unter anderem durch die Verlängerung der Atomlaufzeiten, die behinderten nämlich die erneuerbaren, und Berlin habe sich auch gegen die Einführung strenger Verbrauchsobergrenzen für Autos und LKW ausgesprochen und dort dagegen votiert.
Röttgen: Ja, ich glaube, das ist keine wirklich ernst zu nehmende Kritik. Wenn es um Laufzeitverlängerung ginge, dann würden ja alle anderen erst recht blockieren. Frankreich hat eine nahezu komplette Stromversorgung aus Kernkraftwerken, in Großbritannien werden neue Kernkraftwerke geplant, genauso in Finnland. Also das ist offensichtlich ein Blick, der parteipolitisch so verengt ist, dass er europäisch nicht mehr in der Lage ist, auch nur die Realitäten wahrzunehmen. Nein, es ist überhaupt kein Zweifel europaweit vorhanden, dass Deutschland die Rolle einnimmt, Europa an der Stelle zu führen, und auch international in der Lage ist, ein starkes Gewicht für Europa einzubringen. Das ist übrigens über mehrere Regierungen hinweg ein angesammeltes Kapital. Das ist gar nichts, was allein die jetzige Regierung einbrächte, sondern das haben wir uns über mehrere Legislaturperioden und Regierungen hinweg erarbeitet. Darauf könnten wir eigentlich alle stolz sein, anstatt da klein herumzumäkeln. Ich glaube, es ist eines der wichtigsten, gerade außenpolitischen Felder der Bundesrepublik Deutschland, aber immer in der europäischen Einbettung. Alleine können wir gar nichts bewirken global, aber wenn wir unser Gewicht einbringen in eine europäische Position, dann kann es eben eine ganz starke Stimme und ein ganz starkes Gewicht global und weltweit sein, und das ist genau unsere Auffassung, wie wir das machen.
Heckmann: Blicken wir abschließend noch in die USA. Die haben ja Kyoto nicht unterschrieben. US-Präsident Obama steht im Kongress ohne Mehrheit da. Glauben Sie denn im Ernst, dass er eine ambitionierte Klimapolitik durchsetzen kann gegen die Republikaner? Was erwarten Sie von Obama?
Röttgen: Ja, es liegt nicht an der Administration, schon gar nicht an Obama, sondern es liegt an der gesellschaftlichen politischen Debatte in den USA und an der Mehrheitsbildung, die eher gegen Klimaschutz sich weiter verfestigt als pro Klimaschutz. Und insofern ist das richtig, was Sie beschreiben an der Stelle, leider, denn meine Auffassung ist, es geht um die Transformation der Wirtschaften, der Gesellschaften vom Ressourcenverbrauch, vom Konsum, vom Wegwerfen zur Ressourceneffizienz. Das ist eine technologisch-ökonomische Herausforderung, und darüber haben wir eben gesprochen, aber es ist auch eine sozial-kulturelle Herausforderung, vom Wegwerfen zur Effizienz zu kommen, und da tun sich die Amerikaner so schwer wie wenige andere Gesellschaften. Und ich fürchte, dass das eine Voraussetzung, diese kulturelle Disposition zu verändern, eine Voraussetzung dafür ist, dass die USA auch geopolitisch eine Führungsmacht bleiben. Die Felder, auf denen sich Führungsfähigkeit international zu bewähren hat, die verändern sich. Das werden nicht mehr nur militärische Fähigkeiten sein, sondern es werden auch diese technologischen Fähigkeiten sein, und die müssen in einer Gesellschaft entwickelt sein, und hier liegen die USA gesellschaftlich-kulturell zurück. Es ist eine Frage nach meiner Einschätzung ihrer künftigen wirtschaftliche, technologischen Stärke, aber eben auch geopolitischen Führungsfähigkeit, ob sie auch in der Gesellschaft diese Zeichen der Zeit erkennen oder zurückfallen.
Heckmann: Die Klimakonferenz von Cancun geht in die entscheidende Runde. Das Interview mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.
Weltklimagipfel in Cancun hat begonnen