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Umweltschutz in der russischen Provinz
Mit kleinen Schritten ins Grüne

Umweltschützer haben in Russland einen schweren Stand, das muss auch Dmitrij Rybakow immer wieder erfahren. Der 50-jährige Wissenschaftler ist ein Veteran der Öko-Bewegung. Er weiß: Große Umweltschutzprojekte lassen sich zurzeit nicht durchsetzen. Doch aufgeben muss man deshalb nicht.

Von Gesine Dornblüth | 16.09.2015
    Dmitrij Rybakow steht auf einer Lindenallee in Petrosawodsk, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Karelien.
    Der Umweltschützer Dmitrij Rybakow in Petrosawodsk in Karelien. Er hat erreicht, dass eine Lindenallee erhalten bleibt (Deutschlandradio - Gesine Dornblüth)
    Dmitrij Rybakow steht auf einer Lindenallee in Petrosawodsk, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Karelien. Eigentlich ist es ein Fahrbahnmittelstreifen, rechts und links fließt der Verkehr. Das Erdreich zwischen den Bäumen ist aufgerissen, in regelmäßigen Abständen mit Schotter bedeckt.
    "Hier sollten Parkplätze entstehen. Dort vorn sind ein Restaurant und ein Hotel. Die Besitzer wollten die Parkplätze. Aber wir haben die Bauarbeiten gestoppt. Sie waren illegal. Die Linden haben das überlebt, jetzt muss nur noch der Schotter wieder entfernt werden."
    Dmitrij Rybakow ist ein Veteran der russischen Umweltbewegung. Vor 25 Jahren hat er die "Vereinigung der Grünen Kareliens" mitgegründet, eine überparteiliche Organisation. In den 90er-Jahren haben die Umweltschützer den Bau eines Atomkraftwerks in Karelien verhindert. Sie setzten durch, dass Nationalparks gegründet wurden und ein grüner Gürtel entlang der Grenze zu Finnland erhalten blieb.
    Umweltlobbyismus weiterhin nötig
    Seit Kurzem aber existieren die Grünen Kareliens nur noch als ein loses Netzwerk. Ihre Konten hat die Organisation aufgelöst. Rybakow will damit verhindern, dass die Organisation Probleme mit den Behörden bekommt. Eine andere Umweltschutzorganisation in der Region, die "Nördliche Naturschutzkoalition" SPOK, wurde im Juli in das Register ausländischer Agenten eingetragen - mit den damit einhergehenden bürokratischen Unannehmlichkeiten.
    "Früher, in den 90er-Jahren, hatten wir Schwierigkeiten, konkrete Projekte umzusetzen. Wir haben uns mit Müllkippen oder Wasserverschmutzung beschäftigt und stießen auf Widerstand. Jetzt sind wir nur noch damit beschäftigt, Kopfschläge abzuwehren."
    Dabei wäre Umweltlobbyismus in Karelien auch jetzt noch nötig, sagt Rybakow. Er nennt ein Beispiel.
    "Es gibt in sechs Städten Kareliens überhaupt keine Kläranlagen. Die Abwässer gehen einfach so in Flüsse und in den Onegasee. In der entsprechenden Bucht ist das Wasser bereits stark belastet."
    Bisher gilt der Onegasee als eines der saubersten Gewässer Europas. Rybakow möchte, dass das so bleibt, sieht aber wenig Möglichkeiten, so auf die Politik einzuwirken, dass Kläranlagen gebaut werden. Seine Organisation hat auch lange für einen weiteren Nationalpark in der Region gekämpft. Doch zurzeit ist der Widerstand der Lokalpolitiker stärker. Zwei Fraktionen wollten den Nationalpark um jeden Preis verhindern, erzählt Rybakow:
    "Sie haben Unterschriften gegen den Nationalpark gesammelt und Demonstrationen organisiert. Sie argumentieren, wenn der Nationalpark komme, dürften die Anwohner nicht mehr in den Wald, um Beeren und Pilze zu sammeln, zu jagen und zu angeln. Das stimmt aber gar nicht. Stattdessen werden dort, solange es keinen Nationalpark gibt, Wälder abgeholzt."
    Kampf für die Lindenallee
    Rybakow sieht die Lage nüchtern: Die Umweltschützer hätten zurzeit keine Chance, große Projekte in Karelien durchzusetzen. Der 50-Jährige konzentriert sich deshalb auf kleine Schritte wie den Erhalt der Lindenallee in der Petrosawodsk. Die Umstände sind günstig. Die Stadt hat eine grünennahe Bürgermeisterin, vermutlich die einzige in Russland. Sie hat öffentliche Anhörungen wieder eingeführt, auch zu Umweltfragen.
    Rybakow, Dozent für Ökologie an der Universität von Petrosawodsk, sitzt außerdem in einem Expertengremium, das die Bürgermeisterin in Umweltfragen berät. Darüber ist es ihm gelungen, unberührte Wälder im Stadtgebiet zu erhalten, die eigentlich für den Wohnungsbau abgeholzt werden sollten. Rybakow setzt sich auch für umweltfreundliche Müllcontainer ein - zwei gibt es immerhin schon. Bei rund einer Viertelmillion Einwohner immerhin ein Anfang, meint er. Und Rybakow pflanzt Bäume. Dabei, sagt er, mache die Bevölkerung gern mit:
    "In den sozialen Netzwerken schließen sich hunderte Leute zu Umweltgruppen zusammen. Eine macht jeden Sonnabend einen Subbotnik und sammelt Müll in Parks oder im Wald. In Petrosawodsk werden diese Leute immer mehr. Das Umweltbewusstsein steigt. Hauptsache, man lässt uns gewähren."