Elke Durak: Menschenrechtsverletzungen in Darfur, Sudan, das ist jetzt unser Thema. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs legt heute in New York seinen neuen Bericht über den Stand der Ermittlungen vor. Darauf gestützt soll der Sicherheitsrat über das weitere Vorgehen gegen die sudanesische Führung entscheiden - zum Beispiel ob und wie welche Sanktionen verhängt werden könnten beziehungsweise sollten. Aber wird es wirklich Sanktionen geben, angesichts des chinesischen zum Beispiel Widerstands bisher, und wenn doch, was würden die bewirken? Gerhart Rudolf Baum ist am Telefon, ehemals Berichterstatter der UNO für den Sudan. Er engagiert sich mit vielen anderen deutschen wie internationalen Menschenrechtlern und deren Organisationen in der Kampagne "Justice for Darfur". Guten Morgen Herr Baum!
Gerhart Rudolf Baum: Guten Morgen.
Durak: Wie weit ist denn der Internationale Strafgerichtshof in seinen Ermittlungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Darfur, Herr Baum?
Baum: Er ist einigermaßen weit gekommen, und zwar so weit, dass er einige Personen namhaft gemacht hat, die er anklagt. Also das was wir von einem Gerichtshof erwarten - er hat ja ein Mandat bekommen, die ganze Situation zu untersuchen, gegen den Willen des Staates Sudan -, das hat er gemacht, ist allerdings immer wieder auf eine Kooperationsunwilligkeit der Regierung in Khartum gestoßen. Und die Personen, deren Auslieferung er jetzt fordert, sind in staatliche Ämter gebracht worden. Das heißt nicht einmal zu Hause, also im Sudan, werden diese Täter verfolgt, sondern der Sudan brüskiert geradezu den Internationalen Strafgerichtshof.
Durak: Das ist doch aber nicht verwunderlich, Herr Baum.
Baum: Nein. Das wundert mich überhaupt nicht und diese Diskussion, wie wir sie jetzt führen, haben wir ja schon vor Jahren geführt. Es bewegt sich nichts! Diese schreckliche Situation in Darfur ist nun mehrere Jahre, etwa fünf Jahre alt. Es hat sich keine Bewegung gezeigt. Trotz unzähliger Versuche, Frieden herzustellen, wird weiter gekämpft, sind die Menschen schutzlos, sterben Menschen, werden Menschen erschlagen, bombardiert und das ganze Land, der ganze Sudan ist instabil. Eine Region zwischen Nord und Süd, in der Erdöl gefördert wird, die Region von Abbey, ist erschüttert von heftigen Kämpfen zwischen Nord- und Südtruppen. Der Ort Abbey ist vollkommen zerstört. Das zeigt: Es muss wirklich endlich mal eine Kraftanstrengung gemacht werden, um dieses Land zu befrieden. Ich stelle mir vor - und andere auch - eine Friedens- und Versöhnungskonferenz, um alle an einen Tisch zu bringen, denn das Problem ist, dass ganze Landesteile vernachlässigt werden von den Nil-Arabern in Khartum.
Durak: Wer ist "alle"?
Baum: Das heißt also Nord, Süd, die Darfuris, die Leute am Roten Meer, also die verschiedenen Stämme und Gruppen des Landes müssen zusammengeführt werden und müssen sich über die Zukunft des Landes unterhalten können. In dem Friedensabkommen zwischen Nord und Süd, das wir so heftig begrüßt haben, ist vorgesehen, dass im nächsten Jahr freie Wahlen stattfinden. Wie will man das denn machen? Wie will man mit den Leuten, mit den zweieinhalb Millionen in den Flüchtlingslagern in Darfur und noch mal einer Million im Tschad freie Wahlen machen?
Durak: Und wer soll den Sudanesen dabei helfen? Der Westen?
Baum: Ich würde sagen nicht nur der Westen. Die sudanesische Regierung reagiert nur, wenn sie sich einem Willen gegenüber sieht, der nicht nur der europäische oder der amerikanische Wille ist, sondern da müssen die Chinesen eine wichtige Rolle spielen und sie haben angefangen, eine Verantwortung für den Sudan wahrzunehmen. Wir müssen praktisch eine Allianz bilden. Sonst werden die Chinesen bitter enttäuscht werden. Ihre Investitionen werden in Flammen aufgehen.
Durak: Womit haben die Chinesen begonnen? Zu investieren?
Baum: Die Chinesen haben begonnen, mit dem Einfluss auf die Regierung in Khartum beispielsweise jetzt Friedenstruppen in Darfur zu stationieren. Da gab es einen richtigen chinesischen Druck auf die Regierung des Sudan. Also hier tut sich etwas! Das Land ist groß. Das Land hat große Entwicklungspotenziale, viele Völkerschaften. Wenn es nicht auseinanderknallen soll, muss eine gemeinsame Anstrengung gemacht werden. Es muss auch ein Friedensprozess für Darfur aufgebaut werden - nicht mit spektakulären Konferenzen, sondern mit mühsamen Gesprächen. "Grassroot"-Gespräche, also von unten her muss ein nachhaltiger Frieden aufgebaut werden. Aber dazu braucht es Kraft von allen Seiten und auch den Druck: Druck auf die Regierung, aber auch Druck auf die Rebellen.
Durak: Immerhin gibt es ja heute den Bericht des Chefanklägers und der Sicherheitsrat wird darüber beraten. Erwarten Sie denn aus der heutigen Sitzung - und vielleicht wird sie auch morgen fortgesetzt - schon Beschlüsse für Sanktionen oder andere Maßnahmen?
Baum: Sanktionen allein werden diese Ziele, die ich geschildert habe, nicht erreichen.
Durak: Das wäre fast kontraproduktiv!
Baum: Ja. Wichtig ist, dass der Sicherheitsrat Signale gibt. Ich gehe noch mal zurück auf die Einsetzung des Internationalen Strafgerichtshofs mit dem Mandat zum Sudan. Das war eine Sensation. Da haben sich die Chinesen und die Amerikaner der Stimme enthalten. Und plötzlich hatte der Internationale Strafgerichtshof sein erstes umfassendes Mandat. Möglicherweise lässt sich der Sicherheitsrat von diesem Geist erneut inspirieren und mahnt nachdrücklich auch mit politischer Überzeugungskraft die beteiligten Akteure. Dieser Friedensprozess zwischen Nord und Süd, der einen jahrzehntelangen Krieg beendet hat, der ist mühsam in Kraft gesetzt worden und stockt. Das heißt das, was da aufgebaut wird, geht möglicherweise auch wieder in die Brüche und hinter allem stehen auch rassistische Motivationen. Es ist doch ganz klar, dass der Norden, die Nil-Araber, Rassismus praktiziert gegenüber den afrikanischen Stämmen. Das muss überwunden werden, oder das Land ist in diesem Zusammenhalt nicht aufrecht zu halten.
Durak: Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang, den Sudan zu befrieden und China zu überzeugen - Russland ja auch -, von der Bundesregierung?
Baum: Die Bundesregierung sollte sich wirklich nicht scheuen, hier eine aktive Rolle zu spielen. Sie war schon mal aktiver. In der Zeit von Rot-Grün gab es sehr mutige Vorstöße, auch in der Europäischen Union, und als wir im Sicherheitsrat in New York den Vorsitz hatten, hatten wir eine führende Rolle. Ich meine wir sollten das wieder versuchen und uns nicht scheuen, uns unbeliebt zu machen. Im Übrigen ist es ja so: Der Sudan wird jetzt entwickelt mit Geldern aus dem Nahen Osten. Da spielen die Staaten des persischen Golfs eine Rolle, da spielt China eine Rolle. Als Wirtschaftsfaktor sind wir da gar nicht mehr so groß im Spiel. Aber wir sind ein Menschenrechtsfaktor und das sollten wir ausspielen.
Durak: Gerhart Rudolf Baum, ehemals Berichterstatter der UNO für den Sudan. Herr Baum, danke Ihnen!
Gerhart Rudolf Baum: Guten Morgen.
Durak: Wie weit ist denn der Internationale Strafgerichtshof in seinen Ermittlungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Darfur, Herr Baum?
Baum: Er ist einigermaßen weit gekommen, und zwar so weit, dass er einige Personen namhaft gemacht hat, die er anklagt. Also das was wir von einem Gerichtshof erwarten - er hat ja ein Mandat bekommen, die ganze Situation zu untersuchen, gegen den Willen des Staates Sudan -, das hat er gemacht, ist allerdings immer wieder auf eine Kooperationsunwilligkeit der Regierung in Khartum gestoßen. Und die Personen, deren Auslieferung er jetzt fordert, sind in staatliche Ämter gebracht worden. Das heißt nicht einmal zu Hause, also im Sudan, werden diese Täter verfolgt, sondern der Sudan brüskiert geradezu den Internationalen Strafgerichtshof.
Durak: Das ist doch aber nicht verwunderlich, Herr Baum.
Baum: Nein. Das wundert mich überhaupt nicht und diese Diskussion, wie wir sie jetzt führen, haben wir ja schon vor Jahren geführt. Es bewegt sich nichts! Diese schreckliche Situation in Darfur ist nun mehrere Jahre, etwa fünf Jahre alt. Es hat sich keine Bewegung gezeigt. Trotz unzähliger Versuche, Frieden herzustellen, wird weiter gekämpft, sind die Menschen schutzlos, sterben Menschen, werden Menschen erschlagen, bombardiert und das ganze Land, der ganze Sudan ist instabil. Eine Region zwischen Nord und Süd, in der Erdöl gefördert wird, die Region von Abbey, ist erschüttert von heftigen Kämpfen zwischen Nord- und Südtruppen. Der Ort Abbey ist vollkommen zerstört. Das zeigt: Es muss wirklich endlich mal eine Kraftanstrengung gemacht werden, um dieses Land zu befrieden. Ich stelle mir vor - und andere auch - eine Friedens- und Versöhnungskonferenz, um alle an einen Tisch zu bringen, denn das Problem ist, dass ganze Landesteile vernachlässigt werden von den Nil-Arabern in Khartum.
Durak: Wer ist "alle"?
Baum: Das heißt also Nord, Süd, die Darfuris, die Leute am Roten Meer, also die verschiedenen Stämme und Gruppen des Landes müssen zusammengeführt werden und müssen sich über die Zukunft des Landes unterhalten können. In dem Friedensabkommen zwischen Nord und Süd, das wir so heftig begrüßt haben, ist vorgesehen, dass im nächsten Jahr freie Wahlen stattfinden. Wie will man das denn machen? Wie will man mit den Leuten, mit den zweieinhalb Millionen in den Flüchtlingslagern in Darfur und noch mal einer Million im Tschad freie Wahlen machen?
Durak: Und wer soll den Sudanesen dabei helfen? Der Westen?
Baum: Ich würde sagen nicht nur der Westen. Die sudanesische Regierung reagiert nur, wenn sie sich einem Willen gegenüber sieht, der nicht nur der europäische oder der amerikanische Wille ist, sondern da müssen die Chinesen eine wichtige Rolle spielen und sie haben angefangen, eine Verantwortung für den Sudan wahrzunehmen. Wir müssen praktisch eine Allianz bilden. Sonst werden die Chinesen bitter enttäuscht werden. Ihre Investitionen werden in Flammen aufgehen.
Durak: Womit haben die Chinesen begonnen? Zu investieren?
Baum: Die Chinesen haben begonnen, mit dem Einfluss auf die Regierung in Khartum beispielsweise jetzt Friedenstruppen in Darfur zu stationieren. Da gab es einen richtigen chinesischen Druck auf die Regierung des Sudan. Also hier tut sich etwas! Das Land ist groß. Das Land hat große Entwicklungspotenziale, viele Völkerschaften. Wenn es nicht auseinanderknallen soll, muss eine gemeinsame Anstrengung gemacht werden. Es muss auch ein Friedensprozess für Darfur aufgebaut werden - nicht mit spektakulären Konferenzen, sondern mit mühsamen Gesprächen. "Grassroot"-Gespräche, also von unten her muss ein nachhaltiger Frieden aufgebaut werden. Aber dazu braucht es Kraft von allen Seiten und auch den Druck: Druck auf die Regierung, aber auch Druck auf die Rebellen.
Durak: Immerhin gibt es ja heute den Bericht des Chefanklägers und der Sicherheitsrat wird darüber beraten. Erwarten Sie denn aus der heutigen Sitzung - und vielleicht wird sie auch morgen fortgesetzt - schon Beschlüsse für Sanktionen oder andere Maßnahmen?
Baum: Sanktionen allein werden diese Ziele, die ich geschildert habe, nicht erreichen.
Durak: Das wäre fast kontraproduktiv!
Baum: Ja. Wichtig ist, dass der Sicherheitsrat Signale gibt. Ich gehe noch mal zurück auf die Einsetzung des Internationalen Strafgerichtshofs mit dem Mandat zum Sudan. Das war eine Sensation. Da haben sich die Chinesen und die Amerikaner der Stimme enthalten. Und plötzlich hatte der Internationale Strafgerichtshof sein erstes umfassendes Mandat. Möglicherweise lässt sich der Sicherheitsrat von diesem Geist erneut inspirieren und mahnt nachdrücklich auch mit politischer Überzeugungskraft die beteiligten Akteure. Dieser Friedensprozess zwischen Nord und Süd, der einen jahrzehntelangen Krieg beendet hat, der ist mühsam in Kraft gesetzt worden und stockt. Das heißt das, was da aufgebaut wird, geht möglicherweise auch wieder in die Brüche und hinter allem stehen auch rassistische Motivationen. Es ist doch ganz klar, dass der Norden, die Nil-Araber, Rassismus praktiziert gegenüber den afrikanischen Stämmen. Das muss überwunden werden, oder das Land ist in diesem Zusammenhalt nicht aufrecht zu halten.
Durak: Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang, den Sudan zu befrieden und China zu überzeugen - Russland ja auch -, von der Bundesregierung?
Baum: Die Bundesregierung sollte sich wirklich nicht scheuen, hier eine aktive Rolle zu spielen. Sie war schon mal aktiver. In der Zeit von Rot-Grün gab es sehr mutige Vorstöße, auch in der Europäischen Union, und als wir im Sicherheitsrat in New York den Vorsitz hatten, hatten wir eine führende Rolle. Ich meine wir sollten das wieder versuchen und uns nicht scheuen, uns unbeliebt zu machen. Im Übrigen ist es ja so: Der Sudan wird jetzt entwickelt mit Geldern aus dem Nahen Osten. Da spielen die Staaten des persischen Golfs eine Rolle, da spielt China eine Rolle. Als Wirtschaftsfaktor sind wir da gar nicht mehr so groß im Spiel. Aber wir sind ein Menschenrechtsfaktor und das sollten wir ausspielen.
Durak: Gerhart Rudolf Baum, ehemals Berichterstatter der UNO für den Sudan. Herr Baum, danke Ihnen!