Christine Heuer: Das Auswärtige Amt streitet öffentlich und zwar darüber, ob man Mitarbeiter, die NSDAP-Mitglieder gewesen sind, nach ihrem Tod in Nachrufen ehren darf oder nicht. Der Minister wollte das bekanntlich verbieten, es gab Proteste aus seinem Haus, Joschka Fischer konterte mit der Verfügung, dann eben soll es gar keine Nachrufe mehr geben, auf niemanden, sondern nur noch Todesnachrichten. Fischers Mitarbeiter sind gespalten, in ihrer Hauszeitung erscheinen heute Leserbriefe beider Lager und wir fragen, ob das Auswärtige Amt seine Vergangenheit hinreichend aufgearbeitet hat. Am Telefon der Zeithistoriker Norbert Frei von der Friedrich-Schiller Universität in Jena. Herr Professor Frei, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, war in der Bundesrepublik immer ein großes Thema. Hat es arge Versäumnisse in diesem Punkt im Auswärtigen Amt gegeben?
Norbert Frei: Tatsächlich kann man sagen, dass sich das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang nicht mit Ruhm bekleckert hat. Obwohl auf der einen Seite sehr viel Wert darauf gelegt wird, die Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren zu dokumentieren und historisch zu edieren - es gibt da eine eigenen Kommission - hat man sich über die internen Vorgänge und die interne Entwicklung des Auswärtigen Amtes nach 1951, also mit Begründung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland nicht gekümmert. Das ist zunächst einmal einfach ein Faktum.
Heuer: Woran liegt das?
Frei: Ich glaube, das hängt natürlich auch schon damit zusammen, dass im Grunde genommen die Gründung des Auswärtigen Amtes, oder die Wiederbegründung des Auswärtigen Amtes, verbunden war mit einem Skandal. Es gab ja schon im Herbst, im Oktober 1951, von der sozialdemokratischen Opposition beantragt einen Untersuchungsausschuss, der die Frage der Personalkontinuität und des Einflusses von ehemaligen NSDAP-Mitglieder in dem neuen Auswärtigen Amt zum Gegenstand hatte. Insofern gibt es so etwas, wie ein Gründungsproblem und eine Gründungssituation, die von Anfang an umstritten gewesen ist und das hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass das Auswärtige Amt einen liberalen und selbstkritischen Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit für wichtig gehalten hätte. Ganz im Gegenteil. Das hat zu Geheimniskrämerei geführt, das hat dazu geführt, dass man die Personalakten auch längst über die Todesfälle hinaus, also über den Zeitraum, in dem die Akten nun wirklich auch gesichert sein müssen, hinaus geheim gehalten hat, den Zugang der Wissenschaft nicht ermöglicht hat.
Heuer: Nun gibt es ja unterschiedliche Grade des schuldig geworden seins im so genannten Dritten Reich. Ist eine NSDAP-Mitgliedschaft wie Joschka Fischer es ursprünglich gesehen hat, bereits ein Ausschlussgrund, beziehungsweise ein Grund, ehemalige Diplomaten nach deren Ableben, nicht mehr ehrend zu erwähnen.
Frei: Das ist ganz sicher eine sehr schematische Vorgehensweise gewesen, eine Entscheidung, die gerade nicht darauf sieht, was der einzelne denn konkret getan hat, wie er sich auch in den, oftmals sehr viele Jahrzehnte umfassenden Zeitraum nach 1951, also im neuen Auswärtigen Amt verhalten hat und insofern denke ich, das ist kein adäquater Umgang mit diesem Thema. Aber das ist auch etwas, wo man sich fragen muss, wieso denn nicht eigentlich gerade eine rot-grüne Bundesregierung, ein grüner Minister, ein anderes Signal gegeben hat, als all seine Vorgänger vorher, zu sagen, "Also wenn wir hier ein solches Problem haben, wie wir unsere ehemaligen Mitarbeiter gedenken, wenn sie versterben, dann sollten wir uns die Dinge doch mal genau angucken" und dann können auch solche Pannen nicht passieren, wie in diesem Fall, den Fischer ja zum Anlass genommen hat, zu sagen, "Nun überhaupt nichts mehr, beziehungsweise, jetzt nur noch Todesnachricht und keine weitere Würdigung". Das ist kein richtiges Vorgehen. Auf der anderen Seite will ich gleich hinzufügen, dass es mir als Leser und Beobachter doch etwas sehr fragwürdig vorkommt, wie jetzt vor allem ehemalige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes dies zum Anlass einer nun wirklich sehr ungewöhnlich massiven Kampagne zu machen. Da scheint mir, spielen ganz andere Dinge noch eine Rolle, da spielt ein Groll eine Rolle, der andere Motive hat, als sie in der Sache selbst liegen.
Heuer: Zum Abschluss: Verstehe ich Sie richtig, dass sie ein Plädoyer abgeben für die Einzelfallprüfung für jeden einzelnen Mitarbeiter und gleichzeitig aber auch für den Auftrag, die Vergangenheit des Auswärtigen Amtes wissenschaftlich grundsätzlich zu erforschen?
Frei: Ich würde schon sagen, dass es immer notwendig ist, jeden Einzelfall sich anzugucken. Wenn jemand viele Jahrzehnte gut genug war, für das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland Dienst zu tun als Diplomat, dann muss man fragen, kann da eine so schwere Verfehlung vorgelegen haben vorher, dass man jetzt ihm nicht gedenken kann. Aber auf der anderen Seite würde ich doch in der Tat sagen, dass das, was bisher wissenschaftlich möglich gewesen ist an Erforschung, noch weitaus zu wenig gewesen ist und insofern wäre das jetzt ein gutes Signal zu sagen, nun mal die Akten freilegen und in der Tat sich die Frühgeschichte des Auswärtigen Amtes angesichts dieser ja evidenten hohen Personalkontinuität vom alten Auswärtigen Amt in das der frühen Bundesrepublik hinein, genauer anzugucken und da zu sinnvollen Ergebnissen beizutragen.
Norbert Frei: Tatsächlich kann man sagen, dass sich das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang nicht mit Ruhm bekleckert hat. Obwohl auf der einen Seite sehr viel Wert darauf gelegt wird, die Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren zu dokumentieren und historisch zu edieren - es gibt da eine eigenen Kommission - hat man sich über die internen Vorgänge und die interne Entwicklung des Auswärtigen Amtes nach 1951, also mit Begründung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland nicht gekümmert. Das ist zunächst einmal einfach ein Faktum.
Heuer: Woran liegt das?
Frei: Ich glaube, das hängt natürlich auch schon damit zusammen, dass im Grunde genommen die Gründung des Auswärtigen Amtes, oder die Wiederbegründung des Auswärtigen Amtes, verbunden war mit einem Skandal. Es gab ja schon im Herbst, im Oktober 1951, von der sozialdemokratischen Opposition beantragt einen Untersuchungsausschuss, der die Frage der Personalkontinuität und des Einflusses von ehemaligen NSDAP-Mitglieder in dem neuen Auswärtigen Amt zum Gegenstand hatte. Insofern gibt es so etwas, wie ein Gründungsproblem und eine Gründungssituation, die von Anfang an umstritten gewesen ist und das hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass das Auswärtige Amt einen liberalen und selbstkritischen Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit für wichtig gehalten hätte. Ganz im Gegenteil. Das hat zu Geheimniskrämerei geführt, das hat dazu geführt, dass man die Personalakten auch längst über die Todesfälle hinaus, also über den Zeitraum, in dem die Akten nun wirklich auch gesichert sein müssen, hinaus geheim gehalten hat, den Zugang der Wissenschaft nicht ermöglicht hat.
Heuer: Nun gibt es ja unterschiedliche Grade des schuldig geworden seins im so genannten Dritten Reich. Ist eine NSDAP-Mitgliedschaft wie Joschka Fischer es ursprünglich gesehen hat, bereits ein Ausschlussgrund, beziehungsweise ein Grund, ehemalige Diplomaten nach deren Ableben, nicht mehr ehrend zu erwähnen.
Frei: Das ist ganz sicher eine sehr schematische Vorgehensweise gewesen, eine Entscheidung, die gerade nicht darauf sieht, was der einzelne denn konkret getan hat, wie er sich auch in den, oftmals sehr viele Jahrzehnte umfassenden Zeitraum nach 1951, also im neuen Auswärtigen Amt verhalten hat und insofern denke ich, das ist kein adäquater Umgang mit diesem Thema. Aber das ist auch etwas, wo man sich fragen muss, wieso denn nicht eigentlich gerade eine rot-grüne Bundesregierung, ein grüner Minister, ein anderes Signal gegeben hat, als all seine Vorgänger vorher, zu sagen, "Also wenn wir hier ein solches Problem haben, wie wir unsere ehemaligen Mitarbeiter gedenken, wenn sie versterben, dann sollten wir uns die Dinge doch mal genau angucken" und dann können auch solche Pannen nicht passieren, wie in diesem Fall, den Fischer ja zum Anlass genommen hat, zu sagen, "Nun überhaupt nichts mehr, beziehungsweise, jetzt nur noch Todesnachricht und keine weitere Würdigung". Das ist kein richtiges Vorgehen. Auf der anderen Seite will ich gleich hinzufügen, dass es mir als Leser und Beobachter doch etwas sehr fragwürdig vorkommt, wie jetzt vor allem ehemalige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes dies zum Anlass einer nun wirklich sehr ungewöhnlich massiven Kampagne zu machen. Da scheint mir, spielen ganz andere Dinge noch eine Rolle, da spielt ein Groll eine Rolle, der andere Motive hat, als sie in der Sache selbst liegen.
Heuer: Zum Abschluss: Verstehe ich Sie richtig, dass sie ein Plädoyer abgeben für die Einzelfallprüfung für jeden einzelnen Mitarbeiter und gleichzeitig aber auch für den Auftrag, die Vergangenheit des Auswärtigen Amtes wissenschaftlich grundsätzlich zu erforschen?
Frei: Ich würde schon sagen, dass es immer notwendig ist, jeden Einzelfall sich anzugucken. Wenn jemand viele Jahrzehnte gut genug war, für das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland Dienst zu tun als Diplomat, dann muss man fragen, kann da eine so schwere Verfehlung vorgelegen haben vorher, dass man jetzt ihm nicht gedenken kann. Aber auf der anderen Seite würde ich doch in der Tat sagen, dass das, was bisher wissenschaftlich möglich gewesen ist an Erforschung, noch weitaus zu wenig gewesen ist und insofern wäre das jetzt ein gutes Signal zu sagen, nun mal die Akten freilegen und in der Tat sich die Frühgeschichte des Auswärtigen Amtes angesichts dieser ja evidenten hohen Personalkontinuität vom alten Auswärtigen Amt in das der frühen Bundesrepublik hinein, genauer anzugucken und da zu sinnvollen Ergebnissen beizutragen.