Archiv


Und ewig grüßt das Standesamt

Als Sommernachmittagskomödie beginnt "Der Komet" und wandelt sich zu einem düsteren Nachtstück: Die Hochzeitsgesellschaft spricht dem Alkohol zu, neurotische Paarverstrickungen treten zutage, und am Ende steht blanke, männliche Gewalt. Leider hat die Autorin ihr Stück mit albernen Gags und pseudotiefsinnigen Exkursen überfrachtet.

Von Günter Kaindlstorfer |
    Und ewig grüßt das Standesamt. Justine del Cortes Protagonistin Elisabeth gibt in diesem eigenartigen Stück nicht nur die Braut, die sich was traut, sie scheint auch praktizierende Nietzscheanerin zu sein. Der Autor des Zarathustra hat bekanntlich die tiefgründig mystelnde Lehre von der "Ewigen Wiederkunft des Gleichen" propagiert: Alle Ereignisse, so postulierte Nietzsche, würden sich unendlich oft wiederholen. Justine del Cortes bräutliche Heldin glaubt das auch. Nach ihrem Tod, so mutmaßt die junge Frau, sei sie dazu verurteilt, ihr Leben unendlich oft zu wiederholen. Sylvie Rohrer verkörpert diese Elisabeth in der Wiener Uraufführung bravourös.

    "Der Tod ist, dass wir träumen von unseren Erlebnissen. Endlos. Immer wieder. Immer wieder. Und wenn man nicht achtgibt auf seine Erlebnisse, dann träumt man im Tode vielleicht endlos von Dingen, die einem im Leben wehgetan haben, und bis in alle Ewigkeit wehtun werden… Was schaut Ihr denn so besorgt?"

    Um sich post mortem auch an schöne Dinge erinnern zu können, wiederholt Elisabeth zehn Jahre, nachdem sie ihrem Gatten das Jawort gegeben hat, den Tag ihrer Hochzeit: mit Gartenfest und Speis und Trank und heiterem, ausgelassenem Spiel: Bräutigam Arthur bläst die Brunftmuschel, Schwester Vera bäckt eine Bombastik-Torte, und auf dem Höhepunkt der Sause saust ein Komet übers Firmament: Die Freundinnen und Freunde dürfen sich, wie vor zehn Jahren, was wünschen:

    "Einen Mann, bitte, einen Mann! – Ich wünsche mir, dass mein Kind ein glücklicher Mensch wird. – Ich wünsch mir Frieden auf Erden, und dass es keinen Hunger und keine Armut mehr gibt."

    Justine del Cortes Stück beginnt als zündende Sommernachmittagskomödie unterm Apfelbäumchen und wandelt sich nach der Pause zu einem düsteren Nachtstück mit deutlich dionysischen Anklängen: Die Hochzeitsgesellschaft spricht dem Alkohol zu, neurotische Paarverstrickungen treten zutage, ein Toter taucht auf, Schwesternrivalitäten flammen empor, und am Ende steht blanke, rohe männliche Gewalt. Regisseur Roland Schimmelpfennig:

    "Es ist eine Reise in die Nacht, würde ich sagen. Das Stück beginnt noch im hellen Klang einer Komödie, auch in der Mechanik einer Komödie, und verdüstert sich immer mehr."

    Am spielfreudigen Ensemble liegt es nicht, dass dieser Komet im Akademietheater nicht so recht einschlägt. Sylvie Rohrer, Fabian Krüger, Martin Reinke, Corinna Kirchhoff und eine hinreißende Dorothee Hartinger hauchen der Hochzeitsgesellschaft komödiantisches Feuer ein. Nach der Pause aber hat Justine del Corte ihr Stück mit albernen Gags und pseudotiefsinnigen Exkursen überfrachtet. Da geht's mit einem Mal um den Holocaust und die Entsolidarisierung in der neoliberalen Welt. Das alles hätte man ebenso energisch streichen müssen wie eine lange, unfassbar läppische Ballade rund um ein Brötchen und eine Wurst, die Corinna Kirchhoff zum Besten geben muss:

    "Mein Brötchen, mein Brötchen, was jammerst du so?"
    "Ich bin gleich vertrocknet!"
    "Zeig doch mal, wo?"


    Das hat sich diese wunderbare Schauspielerin nicht verdient. Matter Applaus und ein paar pflichtschuldige Bravos fürs Ensemble. Aus diesem Abend hätte man mehr machen können.