Hans-Joachim Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt den Datenschutzbeauftragten der Freien und Hansestadt Hamburg, Hartmut Lubomierski. Guten Tag.
Hartmut Lubomierski: Guten Tag, Herr Wiese.
Wiese: Herr Lubomierski, Otto Schily will also, um an die Planung von Verbrechen und terroristischen Aktionen heranzukommen, die Telefon-, die Internet- und SMS-Verbindungsdaten länger, nämlich ein Jahr lang speichern. Stimmen Sie da Ihrem Kollegen vom Bund, den wir ja gerade gehört haben, Herrn Schar zu, dass dies völlig unverhältnismäßig ist?
Lubomierski: Ja, das kann ich ganz eindeutig mit einem Ja beantworten. Alle Datenschützer, sowohl des Bundes als auch der Länder, also alle meine Kollegen lehnen eine flächendeckende Vorratsspeicherung aller Teilnehmer- und Verkehrsdaten ab. Also alle Spuren, die man bei der Telekommunikation oder auch beim Surfen im Internet hinterlässt, die in einen großen Datenhaufen zu tun und dann ein Jahr lang zu speichern, ist völlig außerhalb jeder Vorstellung, wenn man so will und unsinnig. Es hat wohl auch keinen richtigen, wie man so sagt, Kriminalitätswert. Es ist wahrscheinlich ein Symbolakt, um vorzugaukeln, dass man gewissermaßen Sicherheit erzeugen kann auf diese Weise, aber es ist unverhältnismäßig und es widerspricht der geltenden Rechtslage und dem Verfassungsrecht, sowohl dem europäischen als auch dem deutschen.
Wiese: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, Herr Lubomierksi, lehnen Sie diese Sammlung solch riesiger Datenmengen lediglich aus pragmatischen Gründen ab oder auch, weil es schlicht und ergreifend den Grundrechten der Menschen widerspricht?
Lubomierski: Es widerspricht ganz eindeutig dem deutschen Verfassungsrecht. Schon das Bundesverfassungsgericht hat ja im Volkszählungsurteil eindeutig gesagt, dass eine Speicherung von Daten zu noch völlig unbestimmten Zwecken generell verfassungswidrig sei. Wenn man es auch für Strafverfolgung haben wollte, dann muss man zumindest einen Anfangsverdacht haben, eine ausreichende Tatsachengrundlage, aber dass hier alle Normalbürger gewissermaßen unter den Generalverdacht einer strafbaren Handlung gestellt werden und diese Daten dann über ein Jahr gespeichert werden sollen, ist verfassungsrechtlich, nach deutschem Verfassungsrecht eindeutig ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Wiese: Aber das wird doch Otto Schily wissen? Der ist doch nicht umsonst Bundesinnenminister.
Lubomierski: Was Otto Schily für eine verfassungsrechtliche Vorstellung von der Durchsetzbarkeit seiner Forderung hat, weiß ich nicht. Der Deutsche Bundestag hat ja gerade erst vor einem Monat eine Entschließung gefasst, in der er gesagt hat, die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einführung von Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Wie das im Deutschen Bundestag durchgesetzt werden soll, das weiß ich nicht, aber ich würde auch noch mal sagen, auch europäisch widerspricht es natürlich gegen Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention, die ja dem normalen EU-Bürger das Menschenrecht auf Schutz des Privatlebens gibt. Wenn man sich vorstellt, dass man alle Spuren, die man im Internet hinterlässt, nachvollziehen kann, über ein Jahr lang, dann sind das Persönlichkeitsprofile, dann gibt das Auskunft über politische Präferenzen der Nutzer, dies alles verstößt gegen den Grundsatz der freien Meinungsäußerung und auch des ungehinderten Zugangs zu allgemein zugänglichen Quellen.
Wiese: Schily, Herr Lubomierski, begründet seinen Plan ja mit den Erfolgen, die die Sicherheitsbehörden bei der Aufspürung von Verdächtigen etwa durch Telefonüberwachung gemacht haben. Ihr Kollege vom Bund, Herr Schar sprach gerade von 0,01 Prozent. Wie viel Schnüffelei rechtfertigt denn Ihrer Meinung nach der Schutz vor Terroranschlägen?
Lubomierski: Also, die Bundesregierung hat selber in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage "Vorratsdatenspeicherung" gesagt, sie habe überhaupt keinen Überblick darüber, in welchem Verhältnis Mindestspeicherungsfristen und Datenmenge für die Strafverfolgung stehen. Das ist nachlesbar. Also, die Bundesregierung selber ist sich nicht sicher, ob dies wirklich etwas bringt. Niemand ist gegen sachgerechte Lösungen zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung, aber undifferenzierte massenhafte Speicherung ist schlicht sinnlos. Das ist auch nicht das, was gewissermaßen die Bundesregierung selber fordert, insofern weiß ich nicht, warum der Bundesinnenminister diese bisher auch nur von vier europäischen Ländern forcierte Initiative so vehement unterstützt.
Wiese: Herr Schily will noch einen weiteren Punkt nachbessern, sagt er. Um finanzielle Transaktionen potenzieller Terroristen besser nachvollziehen zu können, soll der Verfassungsschutz zukünftig Auskunft darüber erhalten, wo ein Verdächtiger welche Konten unterhält, und zwar auch auf Dauer. Stößt das auch bei Ihnen auf Ablehnung?
Lubomierski: Diesen Vorschlag haben wir noch nicht geprüft, ich kenne jetzt seine konkrete Ausgestaltung nicht, insofern ist das eher die Problematik der Steuernummer und des Abgleichs mit Steuerdaten. Auch dies wird ja, wenn das zu einem generellen Abgleich führen würde, von den Datenschützern abgelehnt. Aber diesen konkreten Vorschlag haben die Datenschützer noch nicht einer Prüfung unterzogen.
Wiese: Ich sagte eingangs, bei den Antiterrorgesetzen ist es immer ein schmaler Grat zwischen berechtigten Sicherheitsbedürfnissen und der Einschränkung freiheitlicher Grundrechte. Ganz kurz noch, wenn das geht, wie lässt sich Ihrer Meinung nach diese Balance am besten aufrechterhalten?
Lubomierski: Diese Balance ist aufrechtzuerhalten durch strenge Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Es macht keinen Sinn, Szenarien zu entwickeln, die, wenn man so will, im konkreten polizeilichen und kriminalpolitischen Handeln nicht greifen. Von daher muss man sich einfach fragen, ob es Sinn macht, von Millionen von Bürgern Daten zu speichern, um an konkrete Kriminelle heranzukommen. Das scheint mir unverhältnismäßig zu sein und von daher ist es für mich nicht eine Frage zwischen Freiheit und Sicherheit sondern zwischen Vernunft und Unvernunft.
Wiese: Das war Hartmut Lubomierski, der Datenschutzbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg.
Hartmut Lubomierski: Guten Tag, Herr Wiese.
Wiese: Herr Lubomierski, Otto Schily will also, um an die Planung von Verbrechen und terroristischen Aktionen heranzukommen, die Telefon-, die Internet- und SMS-Verbindungsdaten länger, nämlich ein Jahr lang speichern. Stimmen Sie da Ihrem Kollegen vom Bund, den wir ja gerade gehört haben, Herrn Schar zu, dass dies völlig unverhältnismäßig ist?
Lubomierski: Ja, das kann ich ganz eindeutig mit einem Ja beantworten. Alle Datenschützer, sowohl des Bundes als auch der Länder, also alle meine Kollegen lehnen eine flächendeckende Vorratsspeicherung aller Teilnehmer- und Verkehrsdaten ab. Also alle Spuren, die man bei der Telekommunikation oder auch beim Surfen im Internet hinterlässt, die in einen großen Datenhaufen zu tun und dann ein Jahr lang zu speichern, ist völlig außerhalb jeder Vorstellung, wenn man so will und unsinnig. Es hat wohl auch keinen richtigen, wie man so sagt, Kriminalitätswert. Es ist wahrscheinlich ein Symbolakt, um vorzugaukeln, dass man gewissermaßen Sicherheit erzeugen kann auf diese Weise, aber es ist unverhältnismäßig und es widerspricht der geltenden Rechtslage und dem Verfassungsrecht, sowohl dem europäischen als auch dem deutschen.
Wiese: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, Herr Lubomierksi, lehnen Sie diese Sammlung solch riesiger Datenmengen lediglich aus pragmatischen Gründen ab oder auch, weil es schlicht und ergreifend den Grundrechten der Menschen widerspricht?
Lubomierski: Es widerspricht ganz eindeutig dem deutschen Verfassungsrecht. Schon das Bundesverfassungsgericht hat ja im Volkszählungsurteil eindeutig gesagt, dass eine Speicherung von Daten zu noch völlig unbestimmten Zwecken generell verfassungswidrig sei. Wenn man es auch für Strafverfolgung haben wollte, dann muss man zumindest einen Anfangsverdacht haben, eine ausreichende Tatsachengrundlage, aber dass hier alle Normalbürger gewissermaßen unter den Generalverdacht einer strafbaren Handlung gestellt werden und diese Daten dann über ein Jahr gespeichert werden sollen, ist verfassungsrechtlich, nach deutschem Verfassungsrecht eindeutig ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Wiese: Aber das wird doch Otto Schily wissen? Der ist doch nicht umsonst Bundesinnenminister.
Lubomierski: Was Otto Schily für eine verfassungsrechtliche Vorstellung von der Durchsetzbarkeit seiner Forderung hat, weiß ich nicht. Der Deutsche Bundestag hat ja gerade erst vor einem Monat eine Entschließung gefasst, in der er gesagt hat, die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einführung von Vorratsdatenspeicherung abzulehnen. Wie das im Deutschen Bundestag durchgesetzt werden soll, das weiß ich nicht, aber ich würde auch noch mal sagen, auch europäisch widerspricht es natürlich gegen Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention, die ja dem normalen EU-Bürger das Menschenrecht auf Schutz des Privatlebens gibt. Wenn man sich vorstellt, dass man alle Spuren, die man im Internet hinterlässt, nachvollziehen kann, über ein Jahr lang, dann sind das Persönlichkeitsprofile, dann gibt das Auskunft über politische Präferenzen der Nutzer, dies alles verstößt gegen den Grundsatz der freien Meinungsäußerung und auch des ungehinderten Zugangs zu allgemein zugänglichen Quellen.
Wiese: Schily, Herr Lubomierski, begründet seinen Plan ja mit den Erfolgen, die die Sicherheitsbehörden bei der Aufspürung von Verdächtigen etwa durch Telefonüberwachung gemacht haben. Ihr Kollege vom Bund, Herr Schar sprach gerade von 0,01 Prozent. Wie viel Schnüffelei rechtfertigt denn Ihrer Meinung nach der Schutz vor Terroranschlägen?
Lubomierski: Also, die Bundesregierung hat selber in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage "Vorratsdatenspeicherung" gesagt, sie habe überhaupt keinen Überblick darüber, in welchem Verhältnis Mindestspeicherungsfristen und Datenmenge für die Strafverfolgung stehen. Das ist nachlesbar. Also, die Bundesregierung selber ist sich nicht sicher, ob dies wirklich etwas bringt. Niemand ist gegen sachgerechte Lösungen zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung, aber undifferenzierte massenhafte Speicherung ist schlicht sinnlos. Das ist auch nicht das, was gewissermaßen die Bundesregierung selber fordert, insofern weiß ich nicht, warum der Bundesinnenminister diese bisher auch nur von vier europäischen Ländern forcierte Initiative so vehement unterstützt.
Wiese: Herr Schily will noch einen weiteren Punkt nachbessern, sagt er. Um finanzielle Transaktionen potenzieller Terroristen besser nachvollziehen zu können, soll der Verfassungsschutz zukünftig Auskunft darüber erhalten, wo ein Verdächtiger welche Konten unterhält, und zwar auch auf Dauer. Stößt das auch bei Ihnen auf Ablehnung?
Lubomierski: Diesen Vorschlag haben wir noch nicht geprüft, ich kenne jetzt seine konkrete Ausgestaltung nicht, insofern ist das eher die Problematik der Steuernummer und des Abgleichs mit Steuerdaten. Auch dies wird ja, wenn das zu einem generellen Abgleich führen würde, von den Datenschützern abgelehnt. Aber diesen konkreten Vorschlag haben die Datenschützer noch nicht einer Prüfung unterzogen.
Wiese: Ich sagte eingangs, bei den Antiterrorgesetzen ist es immer ein schmaler Grat zwischen berechtigten Sicherheitsbedürfnissen und der Einschränkung freiheitlicher Grundrechte. Ganz kurz noch, wenn das geht, wie lässt sich Ihrer Meinung nach diese Balance am besten aufrechterhalten?
Lubomierski: Diese Balance ist aufrechtzuerhalten durch strenge Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Es macht keinen Sinn, Szenarien zu entwickeln, die, wenn man so will, im konkreten polizeilichen und kriminalpolitischen Handeln nicht greifen. Von daher muss man sich einfach fragen, ob es Sinn macht, von Millionen von Bürgern Daten zu speichern, um an konkrete Kriminelle heranzukommen. Das scheint mir unverhältnismäßig zu sein und von daher ist es für mich nicht eine Frage zwischen Freiheit und Sicherheit sondern zwischen Vernunft und Unvernunft.
Wiese: Das war Hartmut Lubomierski, der Datenschutzbeauftragte der Freien und Hansestadt Hamburg.