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UNESCO-Welterbe
Frust über Windrad-Verbot im Tal der Loreley

Drei Städte im Mittelrheintal sowie 19 Dörfer bilden die Verbandsgemeinde Loreley. An mehreren Stellen ist der Bau von Windrädern geplant. Die rheinland-pfälzische Landesregierung befürchtet deswegen Ärger mit der UNESCO. Denn das Tal der Loreley gehört zum Weltkulturerbe.

Von Ludger Fittkau | 05.11.2013
    Eigentlich seien die Menschen hier keine Revoluzzer. Sagt der Christdemokrat Werner Groß, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley. Doch das Fass sei nun übergelaufen. Das Fass mit Vorschriften und Verboten, das seit zehn Jahren von der UNESCO und der Mainzer Landesregierung gefüllt werde. Ein drohendes Verbot für Windräder auf der östlichen Seite des Mittelrheintales hat das Fass nun zum Überlaufen gebracht, so Loreley-Bürgermeister Werner Groß: Die Gemeinde will nun aus dem kommunalen Zweckverband für das Welterbe im Tal der Loreley aussteigen:
    “Wo sich hier zu Recht drüber aufgeregt wird, ist ein Abhängen dieser Rheinseite von jeglicher Entwicklung. Ich nenne mal neben der Windenergie das Thema Mittelrheinbrücke. Die Problematik, die die UNESCO aufgetan hat mit dem Thema Sommerrodelbahn auf der Loreley. Wir sind hier überzogen mit Verordnungen und Gesetzen, die woanders im Land keine Rolle spielen.“
    Seit zehn Jahren gehört das Tal der Loreley zum UNESCO-Weltkulturerbe. Loreley-Bürgermeister Werner Groß fühlt sich heute in den Befürchtungen bestätigt, die er Angesichts des enormen Bevölkerungsverlustes im strukturschwachen Mittelrheintal damals schon gehabt habe:
    “Ich will nicht erleben, dass zum Schluss hier noch ein paar übrig bleiben, die in alten Gewändern am Rhein enzlang wandeln und von Touristen, die auf dem Schiff fahren, gefüttert werden.“
    Die UNESCO habe die Befürchtungen der Loreley-Anwohner vor einer Musealisierung des Tales mit ihren Bauverboten in den letzten Jahren noch verstärkt. Das Windradverbot ist dabei nur das letzte Glied in der Vorschriftenkette: Zwar konnte durch großen Protest in Koblenz der von der UNESCO verlangte sofortige Abbau der beliebten Seilbahn auf die Festung Ehrenbreitstein vorerst verhindert werden. Doch eine neue Sommerrodelbahn auf dem Loreleyfelsen muss nach dem Willen der Pariser UN-Kulturorganisation eigentlich sofort abgebaut werden. Rainer Knecht, der Betreiber der Sommerrodelbahn, befindet sich nun mit Duldung der lokalen Behörden seit einigen Monaten praktisch im Zustand des zivilen Ungehorsams gegen die UNESCO:
    “Uns ärgert schon, wie das alles so abgelaufen ist, das ist ganz klar. Wir fühlen uns aber jetzt nicht unter Druck gesetzt. Wir haben ja eine gültige Baugenehmigung durch den Rhein-Lahn-Kreis. Das ist für uns Fakt und das ist auch gerichtlich schon überprüft worden. Und wir haben jetzt noch die Auflage, die Bepflanzungen und alles, was drum herum ist, ordentlich zu machen und dem werden wir jetzt auch nachkommen. Dass wir dann bis zum Saisonbeginn 2014 dort alles gemacht haben.“
    Jetzt, Anfang November, kommen nur noch wenige Besucher auf den Loreleyfelsen. Windräder im Übermaß wollen auch sie hier nicht sehen, aber die Sommerrodelbahn stört sie nicht – im Gegenteil:
    “Die Rodelbahn stört mich nicht, das ist eine Attraktion für die Kinder. Ich finde, sie passt sich dem Landschaftsbild an. Und Windräder wären hier, auch wenn sie in der Weite hinter dem Wald stehen, störend, wenn sie gesehen werden. Wären nicht passend.“
    “Trotz UNESCO, trotz Weltkulturerbe soll es ja immer noch für Menschen sein. Es ist ja nicht so, dass das irgendwie ein Gebilde ist, das keiner mehr betreten darf. Macht null Komma null sind. Kultur bringt man dem Menschen nah. Und das geht dann nur mit Kompromissen. Ich denke, das ist ein lebbarer Kompromiss.“
    Ein Kompromiss in Sachen Windradbau soll an der Loreley nun mit der rot-grünen Landesregierung im Mainz gesucht werden. Schließlich gibt es heute schon auf der westlichen Hunsrückseite des Rheintales eine Vielzahl von Strommühlen. Doch der rheinland-pfälzische Landeskulturbeauftragte Walter Schumacher will durch den weiteren Bau von Windkraftanlagen den Welterbestatus für das Obere Mittelrheintal nicht gefährden:
    “Es würde auch keiner unmittelbar am Niagarafall Windräder hinstellen, auch bei den Pyramiden von Giseh ist glaube ich nichts geplant. Wir haben da Verpflichtungen und wir nehmen die auch ernst.“
    Loreley-Bürgermeister Werner Groß ärgert vor allem der Vergleich mit den Niagarafällen:
    “Ich bin durchaus ein Freund von Metaphern, weiß aber auch, dass Vergleiche immer hinken. Und der mit den Niagarafällen, der hinkt ja ganz besonders, weil die Niagarafälle in einem Bereich liegen, wo drum rum sehr viel an Urbanität und Industrie zu sehen ist.“
    Auf die UNESCO jedenfalls will die Verbandsgemeinde Loreley künftig keine Rücksicht mehr nehmen.
    “Jetzt haben wir die Spezialität, dass unsere Verbandsgemeinde Loreley heißt und nun der eine oder andere denkt, das sei ja völlig abstrus, wenn gerade diese Kommunen nicht mehr mitmachen.“
    Das UNESCO-Welterbe Tal der Loreley muss also womöglich künftig ohne die Loreley-Anwohner auskommen.