Archiv


Unesco-Welterbe in Gefahr?

Zwischen Schloss Pillnitz im Osten und Übigaus im Westen ist das Dresdner Elbtal als Zusammenspiel von Architektur, Landschaft und Wasserlauf mit dem UNESCO-Welterbe gewürdigt worden. Schon 1996 wurde der Bau der so genannten Waldschlösschenbrücke im Dresdner Stadtrat beschlossen, jetzt soll sie gebaut werden und gefährdet den UNESCO-Welterbetitel des rund 20 Kilometer lange Flussabschnitts, weil sie das Tal zerschneidet.

Von Alexandra Gerlach |
    Titel oder Brücke sagen die einen, Titel und Brücke die anderen. Unversöhnlich stehen sich die Fronten in der Diskussion um die Dresdner Waldschlösschenbrücke gegenüber. Seit 1996 geht das so, damals wurde im Stadtrat der Bau beschlossen und schien einen Schlusspunkt zu setzen unter einen Streit der seit 1859 und damit fast 100 Jahre schwelte.

    Doch Ruhe kehrte nicht ein, die Dresdner Bürgerschaft formierte sich in Pro und Contra-Brücke-Bewegungen und stritt unverdrossen weiter. Der Ruf nach einem Bürgerbegehren wurde laut, die Brückenfrage bewegte eine ganze Stadt.

    Mitten in diesem Trubel beschloss im Jahr 2004 das Weltkulturerbe-Komitee der UNESCO, das Elbtal rund um Dresden zum Weltkulturerbe zu erheben. Für den Vorsitzenden des Dresdner Weltkulturerbe-Kuratoriums, Prof. Ingo Zimmerman – eine geradezu historische Zäsur für Stadt und Region:

    "Mit der Aufnahme des Elbtals in die Weltkulturerbeliste ist unsere wiedererstandene Stadt mit der Frauenkirche als ein Stadtkunstwerk von Weltbedeutung international anerkannt worden. Das hat das Identitätsgefühl der Dresdner mit ihrer Stadt auf eine einmalige Weise bekräftigt und bestärkt, die Dresdner, die nach 1945 nie den Glauben an diese, ihre Stadt, als ein Welt- als ein Stadtkunstwerk aufgegeben haben und diese Dresdner haben sich durch diese Ernennung in ihrer Identität bestätigt gefühlt."

    Mit der Ernennung des Elbtals zum Weltkulturerbe erlange Dresden zudem eine ganz neue Bedeutung unter den europäischen Kulturzentren, so Zimmermann weiter.

    Darüber hinaus soll das Güte-Siegel der UNESCO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur aber auch den Tourismus und die Immobilienwirtschaft der Region beflügeln – ein wichtiges Prädikat also, das jedoch auch an strikte Vorbedingungen geknüpft ist. Grundsätzlich gilt es dabei eine besondere Kulturlandschaft oder ein seltenes Gebäudeensemble zu schützen und zu pflegen. Im Dresdner Fall geht es also um die Qualität der Kulturlandschaft Elbtal, mit ihren breiten Elbauen, die alljährlich von den Hochwassern der Elbe weiträumig überspült werden.

    Und genau um diesen Punkt geht es jetzt in der aktuellen Diskussion mit der UNESCO. Die Stadt will ihre Brücke bauen, unweit vom legendären, aber nicht mehr sehr belastbaren Blauen Wunder, einer viel befahrenen, vom Erscheinungsbild imposanten Eisenbrücke über den Fluss. Doch ob dies der Kulturlandschaft drum herum zuträglich wäre oder nicht, darüber wird erbittert gestritten.

    Verschiedene Gutachten liegen auf dem Tisch. Einige kommen zu dem Schluss, dass der Bau der Brücke die Kulturlandschaft gefährde. Andere behaupten das genaue Gegenteil. Die UNESCO indessen sagt, sie habe das gar nicht so genau gewusst, sie habe in den Bewerbungsunterlagen der Stadt Dresden nicht alle wichtigen Informationen zu diesem Bauprojekt gefunden. Eine Aussage, die der Vorsitzende des Dresdner Welterbe Kuratoriums, Ingo Zimmermann vehement bestreitet:

    "Wir gehen aus von der Überzeugung: von der Stadt Dresden ist vorsätzlich nirgendwo auch nur ansatzweise eine Täuschung der UNESCO nachzuweisen oder zu erkennen. wir haben alles offen gelegt. Das Vorhaben war, den Beschlussgremien bekannt, es scheinen also nachträglich Fragestellungen aufgekommen zu sein, die geklärt werden müssen. "
    Das war der Stand im Frühjahr 2006. Seitdem sind zwei Dresdner Delegationen nach Paris gereist, um im kleinen Kreis bei UNESCO-Direktor Bandarin zu beraten. Vorgelegt wurde inzwischen auch eine so genannte Visualisierungsstudie, die plastisch zeigen soll, wie die Brücke später aussehen würde, wenn sie denn einmal gebaut werden sollte. Diese Studie hat teilweise verheerendes Echo gefunden und den Gegnern des Projekts neuen Auftrieb gegeben.

    Die Stadt will dennoch nicht locker lassen und kann dies in der derzeitigen Lage auch gar nicht tun. Sie ist gebunden an einen Bürgerentscheid aus dem Februar 2005. Damals sprachen sich 68 Prozent der Dresdner Wähler für den Bau der Brücke aus. Dieser Entscheid hat die Wirkung eines Stadtratsbeschlusses für die Dauer von drei Jahren. So lange ist die Stadt de fakto an das Votum ihrer Bürger gebunden. Aufzuheben wäre dies nur, wenn der Stadtrat mit Zweidrittelmehrheit einen neuen Bürgerentscheid ansetzen würde, dann mit einer neuen Frage, die wohl lauten würde "Brücke oder Titel".

    Doch so weit ist es noch nicht. Jetzt bleibt erst mal abzuwarten, ob die UNESCO Dresden ob dieser komplizierten Lage gleich den Titel wieder aberkennt, oder der Stadt erneut die Gelegenheit gibt, die Dinge nochmals zu überdenken.

    Eine Verwarnung in Form eines Platzes auf der so genannten Roten Liste fällt offenbar aus, da das Dresdner Rathaus derzeit nicht bereit ist einzulenken. Es geht also um alles oder nichts.