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Ungarn
Premier Orbán verliert Zwei-Drittel-Mehrheit

Die ungarische Regierung von Premier Viktor Orbán hat die Zwei-Drittel-Mehrheit verloren. Dieser Verlust trifft die Regierungspartei Fidesz inmitten einer Parteikrise. Ihre Macht ist aber nicht bedroht, denn eine ernstzunehmende Opposition ist in Ungarn nicht in Sicht.

Von Karla Engelhard | 23.02.2015
    Präsident Viktor Orban steht vor ungarischen Landesflaggen
    Viktor Orbáns Fidesz-Partei verliert an Zustimmung (picture-alliance/ dpa / Szilard Koszticsak)
    Noch kurz vor der Nachwahl hatte Premier Viktor Orbán verkünden lassen, das die Regierung der Provinzstadt Veszprem ein Schwimmbad für mehrere Millionen Euro bauen will. Doch es half nichts. In der bisherigen Fidesz-Hochburg gewann der Oppositionskandidat Zoltan Kesz die Wahl. Der parteilose 41jährige Englisch- und Sportlehrer sagte selbstbewusst nach seinem Sieg: "Danke! Ich fühle die Verantwortung. Ich fühle, dass ein ganzes Land auf dieses Ereignisse gewartet hat. Ich kann verkünden: Am 22. Februar 2015, hat die Wahl in Veszprém, die Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierung gekippt."

    43 Prozent der Stimmen konnte Kesz auf sich vereinen, damit zieht er ins Parlament ein. Der Kandidat der Regierungspartei, der Vize-Bürgermeister von Veszprem, Lajos Nemedi, musste eine bittere Niederlage einstecken. Er kam nur auf 33 Prozent der Wählerstimmen. Doch der versierte Politiker gab den selbstkritischen Verlierer: "Wir werden unsere Arbeit fortsetzen. Wir müssen die Meinung der Wähler und das Wahlergebnis respektieren. Und, wir müssen die Ursachen für die Niederlage suchen, damit in der Zukunft so etwas nicht wieder passiert. "
    Umstrittene Verfassung
    In einer Pressemitteilung gratulierte die Regierungspartei Fidesz dem Wahlsieger, vom Verlust ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit kein Wort. Der rechtskonservative Parteichef und Premier Orbán verfügte seit seiner Wahl 2010 über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Diese Mehrheit ermöglichte es ihm dem Land eine neue, äußerst umstrittene Verfassung zu geben, die ihm und seiner Partei die Macht sichere, meinen Kritiker. Der Politologe Gabor Török schätzt ein: "Diese Niederlage kommt für Fidesz sehr ungelegen. Es wird die Krise, in der sich die Partei befindet, verstärken. Das ist die schlimmste Nachricht für Fidesz in dieser Situation. Es ist eine große Niederlage für Fidesz, aber es ist kein Gewinn für andere."
    Eine Mehrheit bleibt der regierenden Fidesz-Partei erhalten. Eine ernstzunehmende Opposition, die den populistischen Konservativen gefährlich werden könnte, ist nicht in Sicht. Doch der Unmut der Bürger wächst. Aus Protest gegen die geplante Internetsteuer gingen im vergangenen Herbst mehrmals zehntausende Menschen auf die Straße. Tausende demonstrierten vor einer Woche gegen den prorussischen Kurs der Orban-Regierung. Viktor Orbán empfing den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit großem Bahnhof. Der nächste Wahlkrimi steht Ungarn bereits in wenigen Wochen bevor. Nach dem Tod eines Fidesz-Abgeordneten muss dessen Mandat neu vergeben werden. Der Orbán-Partei könnte die nächste Niederlage drohen, aber sie könnte auch ihre Zwei-Drittel-Mehrheit zurückholen.