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Ungeliebte Kontrolleure

Viele Griechen hatten auf eine Abwahl Angela Merkels gehofft: Sie wünschen sich einen Wechsel in der EU-Krisenpolitik und weniger strenge Kontrollen durch die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank. Derzeit sind die Troika-Kontrolleure wieder in Athen unterwegs - in heikler Mission.

Von Jörg Münchenberg |
    Anders als sich das viele Griechen erhofft haben, die in der Kanzlerin das Gesicht der Krise sehen und Merkel für die Misere in ihrem Land mitverantwortlich machen. Doch es bleibt bei den harten Sparauflagen und es bleibt wohl auch beim harten Kontrollregime für Athen. Neben der Person der Bundeskanzlerin steht dafür bei den Griechen auch die Vokabel Troika.

    Bei aller Unsicherheit über die Koalitionsfragen – Bundeskanzlerin Angela Merkel darf sich vom Wähler bestätigt fühlen für ihre Politik. Das gilt wohl auch und vor allem für ihren Kurs in der Euro-Krise.

    Es geht also wieder los. Seit dem Wochenende sind die Teams von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission in Athen. 40 bis 50 Spezialisten insgesamt, aus allen Fachbereichen: Ökonomen, Juristen, Steuer-, Verwaltungs- und Gesundheitsexperten, auf die in den nächsten Wochen eine heikle Arbeit wartet.

    Sparen und reformieren die Griechen genug? Erfüllen sie die geforderten Auflagen, als Gegenleistung für die vielen Hilfsmilliarden von EU und Internationalem Währungsfonds? Auch für die Mitglieder der Troika sei das jedes Mal nicht gerade eine einfache Zeit, sagt der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn, Simon O’Connor:

    "Es ist sehr anstrengend. Das können jedes mal lange Wochen für die Missionen in Griechenland sein. Aber auch die Arbeit hier vom Hauptquartier in Brüssel ist sehr intensiv. Aber es ist eine sehr wichtige Arbeit und insofern auch eine befriedigende Arbeit für das Team."

    Seit 2010 gibt es die Troika-Missionen, die sich die EU-Kommission wiederum vom Internationalen Währungsfonds abgeschaut hat. Europa musste erst einmal bitter lernen, dass man den gelieferten Statistiken aus den Mitgliedsländern nicht unbedingt trauen kann.

    Denn gerade die aus Griechenland gelieferten Zahlen wurden – auf politischen Druck hin – geschönt. In Wirklichkeit stand die Wirtschaft viel schlechter da als nach Brüssel gemeldet – mit den bekannten Konsequenzen. Mit dem neuen Instrument aber sei vieles jetzt besser, sagt der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Markus Ferber:

    "Eine richtige Therapie bedeutet halt auch, dass man genau weiß, woran der Patient krankt. Das zweite ist: Man muss auch lernen, dass wenn man nach Brüssel fährt und Zusagen macht, dass man die Zusagen einfach wieder vergessen kann. Sondern dass IWF und die Troika insgesamt auch prüfen, ob die Zusagen auch eingehalten werden. Europa hat auch daran gekrankt, dass die Staats- und Regierungschefs nach Brüssel gefahren sind, heimgefahren sind und gemeint haben: "Interessiert doch eh keinen". Gerade in Griechenland, über viele Jahre, fast Jahrzehnte. Dass das Mal durchbrochen wurde – die meinen es wirklich ernst – war eine ganz wichtige Botschaft."

    Die aber von den Betroffenen in Griechenland, Spanien oder Portugal angesichts der einschneidenden Maßnahmen nur mühsam zu akzeptieren ist. Gerade die Troika bekommt das immer wieder fast hautnah zu spüren. Der Leiter der Griechenlandmission, Matthias Mors, ein deutscher Spitzenbeamter, steht bis heute in Athen unter Polizeischutz.

    Aber auch die Zusammenarbeit mit den griechischen Kollegen ist manchmal ziemlich heikel, heißt es aus Troikakreisen. Denn es sind genau die Experten aus Washington und Brüssel, die die schmerzhaften Reformen – und dazu gehören dann auch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst – vorschlagen und letztlich durchsetzen. Doch Kommissionssprecher O’Connor will inzwischen deutliche Fortschritte bei der Troikaarbeit entdeckt haben:

    "Ich würde nicht sagen, dass das Kontrollbesuche sind. Es ist ein Rahmen für Dialog und Diskussion – mit den entsprechenden Verantwortlichen in den Ministerien. Sowohl auf der technischen als auch der politischen Seite. Da gibt es dann die Treffen mit den Fachministern, aber auch dem Premierminister. Natürlich sind wir von den Daten abhängig, die uns in Griechenland, aber auch den anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden. Aber die müssen natürlich glaubwürdig und verlässlich sein. Die Zusammenarbeit funktioniert jetzt sehr gut, vor allem seit sich die politische Lage in Griechenland stabilisiert hat."

    Doch natürlich werden die gelieferten Daten von der Troika weiterhin auf ihre Plausibilität geprüft. Außerdem sollen moderne Datenverarbeitungssysteme, etwa für die Krankenhäuser dafür sorgen, dass das System nicht nur effizienter, sondern auch weniger manipulationsanfällig ist. Jede Überprüfungsmission aber sei aus neue extrem schwierig, ist aus Troikakreisen zu hören.

    Zumal Forderungen der Experten immer wieder gezielt an die griechische Presse durchgestochen werden, um sie noch zu verhindern. Wie etwa jüngst beim Streit um die Abwicklung der weitgehend maroden Rüstungsindustrie. "Europas Kettenhunde" hat die Financial Times die Experten einmal genannt – an diesem Ruf hat sich bis heute nur wenig geändert.

    Doch die Aufgabe ist längst nicht erfüllt: Letztlich, das ist auch den Troikavertretern klar, geht es gerade in Griechenland nicht nur um Wirtschafts- und Strukturreformen, sondern auch um einen Mentalitätswechsel - ein Prozess, der gerade erst in Gang gesetzt wurde. Gleichzeitig ist derzeit völlig offen, wann Griechenland nicht mehr am Tropf der internationalen Geldgeber hängen wird. Insofern wird es für die Experten der zuständigen EU-Generaldirektion "Wirtschaft und Finanzen" wohl noch jahrelang heißen: Koffer packen für die nächste Troika-Mission in Athen.