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Ungewohnte Koalitionssuche

Erstmals in ihrer Geschichte muss sich die Südtiroler Volkspartei einen Koalitionspartner suchen. Seit 1948 hatte sie die absolute Mehrheit in der italienischen Provinz. Profitiert haben in der Landtagswahl populistische Parteien, die unter anderem für die Loslösung von Italien werben.

Von Karl Hoffmann |
    Insider sehen im Südtiroler Wahlergebnis weder ein Erdbeben noch eine bevorstehende Abspaltung der reichsten italienischen Provinz und schon gar keinen Zusammenschluss mit den Nordtirolern in Österreich, wie er immer wieder fälschlicherweise prophezeit wird. Die seit 1948 unangefochten regierende Südtiroler Volkspartei hat zwar zum ersten Mal in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit im Regionalparlament verloren, aber es hätte, so der neu gewählte Landeshauptmann Arno Kompatscher ja noch viel schlimmer kommen können.

    "Wir haben ja massiv aufgeholt. Wir lagen bei Umfragen vor einem Jahr noch irgendwo bei Mitte 30 Prozent der Zustimmung. Wir haben dann in den letzten Wochen und Monaten dann noch wirklich zulegen können. Dass es hat am Ende nicht ganz gereicht hat, das ist schade, wir müssen jetzt das Beste daraus machen."

    Vor gut einem halben Jahr wurde die SVP von einem noch nie dagewesenen Skandal erschüttert. Einer ihrer Landesräte hatte bei der Vergabe von wertvollen Energiekonzessionen die Ausschreibungen gefälscht und wurde deshalb zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Einige der Stammwähler der Volkspartei sind denn auch prompt zu den Freiheitlichen, der populistischen Rechten übergelaufen, die ihren Wahlkampf rund um die Skandale innerhalb der SVP führte. Nur die Sympathien für den 42-jährigen neuen Landeshauptmann Arno Kompatscher, der unentwegt für große Reformen plädiert, hat die Verluste für seine Partei am Ende ausgleichen können. Damit sind die alten Machtverhältnisse in Bozen unangefochten.

    "Es ist jetzt so, dass, auch wenn ich natürlich anerkenne, dass die deutschsprachige Opposition zugelegt hat, wir immer noch eindeutig die stärkste Kraft in diesem Land sind mit 17 Mandaten, es folgen die Freiheitlichen mit sechs Abgeordneten, somit ist das schon ein klarer Auftrag der Südtirolerinnen und Südtiroler dieses Land auch weiterhin zu gestalten."

    Kompatscher wird eine Koalition mit der italienischen Mitte-links-Partei PD anstreben. Die wiederum ist eine zusätzliche Gewähr für Stabilität im Verhältnis zur römischen Zentralregierung. Wie ja auch die Freiheitlichen zwar von Vollautonomie sprechen, aber sich hüten, das Wort Eigenständigkeit auszusprechen. Das bisherige Autonomiestatut hat der Provinz Bozen viele Privilegien und verbreiteten Wohlstand gebracht. Autonomie ist wirksam im Wahlkampf, in der Politik wird sie nur diskret verwirklicht. Lediglich die Südtiroler Freiheitspartei unter ihrer Führerin Eva Klotz - nicht zu verwechseln mit den Freiheitlichen - will auch nach den Wahlen ihr Referendum zur völligen Selbstbestimmung Südtirols zum Sieg führen.

    "Für uns geht es nun gestärkt weiter bis zum 30. November. Da schließen wir dann unser selbstverwaltetes Selbstbestimmungsreferendum ab und wir hoffen, es kommen noch sehr sehr viele SMS und Briefe herein. Für uns war es wichtig, dieses Thema in den Mittelpunkt zu setzen. Das ist uns gelungen, denn es hat keine Phase im Südtiroler Wahlkampf gegeben, wo es nicht um die Zukunftsfrage Südtirols gegangen ist."

    Eine Mehrheit für ihr Referendum wird Eva Klotz mit ihrer Südtiroler Freiheitspartei, die sieben Prozent und drei Mandate im Landtag hat, wohl trotzdem nicht erreichen. Die bedeutendsten Veränderungen in Südtirol haben sich bei diesen Wahlen im rechten Lager und vor allem unter der italienisch sprechenden Minderheit vollzogen. Einst brachten es die italienischen Neofaschisten in Bozen sogar auf bis zu 33 Prozent Stimmenanteil. Die Restbestände der Rechten, die vor allem die italienische Sprachgruppe repräsentierte, bewegen sich heute bei unter zehn Prozent. Im 35köpfigen Landtag sind nur noch fünf Italiener vertreten. Die italienische Minderheit, die sich schon immer stark benachteiligt fühlte, könnte sich jetzt noch mehr an den Rand gedrängt fühlen und dadurch das nicht immer leichte friedliche Miteinander südlich des Brenner gefährden. Schuld daran sind die nicht endenden Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb der Parteien im fernen Rom, das Dauerdrama um Silvio Berlusconi, die Totalopposition der Protestpartei von Beppe Grillo, die in Bozen drei Viertel ihrer Wähler wieder verloren hat. All das hat dazu geführt, dass sich sogar italienische Südtiroler lieber den etwas hausbackenen, aber dafür bodenständigen regionalen Parteien zugewendet haben.