Jochen Spengler: Dritter Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen. 3.000 Experten haben sich in Rio de Janeiro versammelt, um zu überprüfen, ob und wie der Aktionsplan wirkt, den man vor 7 Jahren beschlossen hat. Nicht nur Gastgeber Brasilien forderte ein entschiedeneres Vorgehen gegen Kinderschänder, sexuelle Gewalt und Kinderpornographie. Ekin Deligöz ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und als Vorstandsmitglied des Kinderhilfswerks UNICEF Deutschland Konferenzteilnehmerin. Meine Kollegin Sandra Schulz hat sie gestern Abend gefragt, um welche Kinder welches Staates man sich besonders Sorgen machen müsse.
Ekin Deligöz: Meine Sorge gilt natürlich allen Kindern, unabhängig davon, wo sie leben, sondern die Tatsache, dass sie missbraucht werden, vergewaltigt werden, verkauft werden, geschlagen werden, also all diese Formen, das sind die Gründe, warum wir hier in Rio sind, und da geht es um alle Kinder.
Sandra Schulz: Die öffentliche Aufmerksamkeit ist ja gewachsen in den vergangenen Jahren. Gibt es denn auch Anhaltspunkte darüber, ob die Missbrauchsfälle immer mehr werden, oder ob der Kampf dagegen auch Erfolge zeigt?
Deligöz: Der Kampf dagegen zeigt durchaus Erfolge. Wir wissen, dass wir in Deutschland zumindest mal bei den statistischen Zahlen einen leichten Rückgang haben. Bei den Dunkelzifferforschungen schaut das leider ein bisschen anders aus. Die Sensibilität ist in der Tat gestiegen. Dazu soll dieses Treffen hier auch dienen. Aber es gibt auch neue Formen des Missbrauchs. Zum Beispiel das Internet eröffnet ganz neue Möglichkeiten zur Kinderpornographie. Auch das ist ein lebenslanger Missbrauch. Wenn die Fotos einmal im Netz sind, kriegen sie die nie wieder heraus. Das verfolgt die Kinder. Die Kämpfe, die dort ausgefochten sind, sind inzwischen richtig Kämpfe gegen eine Form von organisierter Kriminalität, wo schätzungsweise jährlich fast sechs Milliarden Euro umgesetzt werden. Das ist eine riesengroße Summe, übrigens die größte Summe nach dem Waffenhandel, den wir weltweit haben.
Schulz: Da setzt auch eine Ihrer Forderungen an. Sie fordern eine Verbesserung der Strafverfolgung. Wo konkret liegen die größten Probleme?
Deligöz: Wir können für im Ausland begangene Taten auch in Deutschland unsere Strafen aussprechen. Wir können die Täter auch im Ausland verfolgen und sie in Deutschland dann sozusagen zur Verantwortung ziehen. Dazu müssen natürlich diese Täter erstens gefasst werden, zweitens ausgeliefert werden. Dafür brauchen wir eine Sensibilität auch in den Ländern. Es darf zum Beispiel nicht durchgehen, wenn eine 14-Jährige verkauft wird, dass der Täter zwar erfasst wird, aber dann laufen gelassen wird. Das ist bei uns eine Straftat und das sollte auch als solches geahndet werden, und zwar weltweit. Es gibt aber auch andere Felder. Wir reden zum Beispiel auch darüber, dass wir immer mehr Minderjährigenheiraten von Acht-, Neun-Jährigen haben, die verheiratet werden, die verkauft werden, zum Beispiel in Afrika, weil man glaubt, dass man dadurch sozusagen dem Aids entgehen könnte, was dazu führt, dass der Anteil von aidskranken Kindern übrigens auch steigt. Das heißt, das sind richtig ernste Themen, die uns auch lange Zeit verfolgen werden, wenn wir jetzt nicht sofort handeln und etwas versuchen zu ändern.
Schulz: Wenn wir beim Punkt Strafverfolgung bleiben. Welche Einwirkungsmöglichkeiten hat die deutsche Politik, wenn es um Strafverfolgung im Ausland geht?
Deligöz: Wir setzen an erster Stelle natürlich darauf, den Sex-Tourismus einzudämmen. Dazu brauchen wir die Zusammenarbeit der vielen Unternehmen, der Hotellerie, der Gaststätten, der ganzen Touristik-Industrie, dass wir mehr Sensibilität auch bei den Mitarbeitern in der Touristik schaffen können, dass sie zum Beispiel nicht zulassen, wenn jemand ein Kind oder einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen mit aufs Zimmer nimmt, dass das weder gern gesehen noch in irgendeiner Form zugelassen ist in den Hotels. Da kommt es darauf an, dass man eine Zusammenarbeit hinkriegt, ressortübergreifend zwischen der Touristik-Industrie, den Unternehmen, der Polizei vor Ort, der Justiz und zwischen den verschiedenen Ländern.
Schulz: 300 Kinder und Jugendliche diskutieren ja mit in Rio. Welche Impulse haben sie gegeben?
Deligöz: Das ist sehr, sehr beeindruckend. Das sind alles Jugendliche, die selber vor Ort engagiert sind. Sie dürfen immer am Ende eines jeden Workshops oder eines Panels ihre Kommentare und ihre Überlegungen dazu sagen. Sie haben das Ganze vorbereitet. Sie waren bereits drei Tage vor den Erwachsenen hier und konnten sich sehr intensiv darauf vorbereiten. Und ich muss Ihnen sagen, gerade gestern war ein thailändisches Mädchen, die selber durch ein UNICEF-Modell aus der Prostitution heraus gerettet wurde, und ihre Rede war das beeindruckendste überhaupt, was ich gehört habe, weil sie nicht nur sehr authentisch geredet hat, sondern auch sehr überzeugend, wie sehr ein Kind auch zerbrechen kann an solchen Sachen. Sie hat gefordert, dass sie nicht eine Ware ist und nicht eine Sache, sondern ein Mensch und als Mensch wahrgenommen werden möchte. Ich muss Ihnen sagen, das hat uns alle schon sehr betroffen gemacht.
Spengler: Das war ein Interview mit Ekin Deligöz von UNICEF Deutschland, derzeit Teilnehmerin des Weltkongresses in Rio gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen.
Ekin Deligöz: Meine Sorge gilt natürlich allen Kindern, unabhängig davon, wo sie leben, sondern die Tatsache, dass sie missbraucht werden, vergewaltigt werden, verkauft werden, geschlagen werden, also all diese Formen, das sind die Gründe, warum wir hier in Rio sind, und da geht es um alle Kinder.
Sandra Schulz: Die öffentliche Aufmerksamkeit ist ja gewachsen in den vergangenen Jahren. Gibt es denn auch Anhaltspunkte darüber, ob die Missbrauchsfälle immer mehr werden, oder ob der Kampf dagegen auch Erfolge zeigt?
Deligöz: Der Kampf dagegen zeigt durchaus Erfolge. Wir wissen, dass wir in Deutschland zumindest mal bei den statistischen Zahlen einen leichten Rückgang haben. Bei den Dunkelzifferforschungen schaut das leider ein bisschen anders aus. Die Sensibilität ist in der Tat gestiegen. Dazu soll dieses Treffen hier auch dienen. Aber es gibt auch neue Formen des Missbrauchs. Zum Beispiel das Internet eröffnet ganz neue Möglichkeiten zur Kinderpornographie. Auch das ist ein lebenslanger Missbrauch. Wenn die Fotos einmal im Netz sind, kriegen sie die nie wieder heraus. Das verfolgt die Kinder. Die Kämpfe, die dort ausgefochten sind, sind inzwischen richtig Kämpfe gegen eine Form von organisierter Kriminalität, wo schätzungsweise jährlich fast sechs Milliarden Euro umgesetzt werden. Das ist eine riesengroße Summe, übrigens die größte Summe nach dem Waffenhandel, den wir weltweit haben.
Schulz: Da setzt auch eine Ihrer Forderungen an. Sie fordern eine Verbesserung der Strafverfolgung. Wo konkret liegen die größten Probleme?
Deligöz: Wir können für im Ausland begangene Taten auch in Deutschland unsere Strafen aussprechen. Wir können die Täter auch im Ausland verfolgen und sie in Deutschland dann sozusagen zur Verantwortung ziehen. Dazu müssen natürlich diese Täter erstens gefasst werden, zweitens ausgeliefert werden. Dafür brauchen wir eine Sensibilität auch in den Ländern. Es darf zum Beispiel nicht durchgehen, wenn eine 14-Jährige verkauft wird, dass der Täter zwar erfasst wird, aber dann laufen gelassen wird. Das ist bei uns eine Straftat und das sollte auch als solches geahndet werden, und zwar weltweit. Es gibt aber auch andere Felder. Wir reden zum Beispiel auch darüber, dass wir immer mehr Minderjährigenheiraten von Acht-, Neun-Jährigen haben, die verheiratet werden, die verkauft werden, zum Beispiel in Afrika, weil man glaubt, dass man dadurch sozusagen dem Aids entgehen könnte, was dazu führt, dass der Anteil von aidskranken Kindern übrigens auch steigt. Das heißt, das sind richtig ernste Themen, die uns auch lange Zeit verfolgen werden, wenn wir jetzt nicht sofort handeln und etwas versuchen zu ändern.
Schulz: Wenn wir beim Punkt Strafverfolgung bleiben. Welche Einwirkungsmöglichkeiten hat die deutsche Politik, wenn es um Strafverfolgung im Ausland geht?
Deligöz: Wir setzen an erster Stelle natürlich darauf, den Sex-Tourismus einzudämmen. Dazu brauchen wir die Zusammenarbeit der vielen Unternehmen, der Hotellerie, der Gaststätten, der ganzen Touristik-Industrie, dass wir mehr Sensibilität auch bei den Mitarbeitern in der Touristik schaffen können, dass sie zum Beispiel nicht zulassen, wenn jemand ein Kind oder einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen mit aufs Zimmer nimmt, dass das weder gern gesehen noch in irgendeiner Form zugelassen ist in den Hotels. Da kommt es darauf an, dass man eine Zusammenarbeit hinkriegt, ressortübergreifend zwischen der Touristik-Industrie, den Unternehmen, der Polizei vor Ort, der Justiz und zwischen den verschiedenen Ländern.
Schulz: 300 Kinder und Jugendliche diskutieren ja mit in Rio. Welche Impulse haben sie gegeben?
Deligöz: Das ist sehr, sehr beeindruckend. Das sind alles Jugendliche, die selber vor Ort engagiert sind. Sie dürfen immer am Ende eines jeden Workshops oder eines Panels ihre Kommentare und ihre Überlegungen dazu sagen. Sie haben das Ganze vorbereitet. Sie waren bereits drei Tage vor den Erwachsenen hier und konnten sich sehr intensiv darauf vorbereiten. Und ich muss Ihnen sagen, gerade gestern war ein thailändisches Mädchen, die selber durch ein UNICEF-Modell aus der Prostitution heraus gerettet wurde, und ihre Rede war das beeindruckendste überhaupt, was ich gehört habe, weil sie nicht nur sehr authentisch geredet hat, sondern auch sehr überzeugend, wie sehr ein Kind auch zerbrechen kann an solchen Sachen. Sie hat gefordert, dass sie nicht eine Ware ist und nicht eine Sache, sondern ein Mensch und als Mensch wahrgenommen werden möchte. Ich muss Ihnen sagen, das hat uns alle schon sehr betroffen gemacht.
Spengler: Das war ein Interview mit Ekin Deligöz von UNICEF Deutschland, derzeit Teilnehmerin des Weltkongresses in Rio gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen.