Dirk Fischer: Tag, Herr Probst.
Probst: Hat Sie dieser Ausgang überrascht, nachdem Stolpe ja unmittelbar vor der Runde eine Kündigung noch als eher unwahrscheinlich bezeichnet hatte?
Fischer: Überrascht nicht, denn sein Vorgehen ist, wie ich finde, jetzt konsequent. Ich hatte mir nur vorgestellt, dass Toll Collect an die neu angekündigten Termine für die Inbetriebnahme, also das leichte System ab 1.1.2005, die Endversion dann ab 2006 und die technische Machbarkeit bereit wären, die volle Haftung zu übernehmen, wenn ihre Zusagen nicht erfüllt werden und der Bund weitere Einnahmeausfälle hat. Das heißt also, ich teile Stolpes Enttäuschung, dass offenbar Toll Collect nicht so sicher ist und daran glaubt, dieses tatsächlich bewältigen zu können und dann war für ihn ein anderes Vorgehen nicht mehr möglich.
Probst: Es spricht also einiges für die Version, dass Toll Collect dieses Scheitern sogar provoziert oder bewusst angesteuert hat?
Fischer: Das wäre nach meiner Einschätzung erst dann bewiesen, wenn sie jetzt sagen würden, wir würden auf die Nachbesserungsphasen 1 und 2 verzichten, die ihnen ja einmal zwei und dann weitere zwei, in der Summe also vier Monate Nachbesserungsmöglichkeiten einräumen. Wenn sie jetzt sagen würden nach Prüfung der Gespräche, wir verzichten auf die Nachbesserungsmöglichkeiten und akzeptieren die Kündigung, dann könnte man den Gedanken einer Provokation haben. Aber wenn sie die Nachbesserungsphase und die darin liegende Chance in Anspruch nehmen, dann denke ich eher nicht so.
Probst: Die Situation ist aber nun mal so wie sie ist. Ein Debakel für Politik und Wirtschaft in Deutschland?
Fischer: Mit Sicherheit hat die Politik und auch die Industrie in Deutschland einen erheblichen Imageschaden erlitten, denn Stolpe hat ja in seiner Pressekonferenz heute morgen selbst formuliert: das Mitleid für Deutschland in Europa ist grenzenlos. Wenn man ein derartiges Mitleid erfährt, liegt darin auch immer ein Stück Häme.
Probst: Blicken wir nach vorne. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie kann man schnellstmöglich aus dieser Bredouille herauskommen? Zunächst als Übergangslösung die Vignette hat Herr Stolpe ja auch schon angekündigt, das soll möglichst schnell gehen und dann wird man ja wohl nicht um ein Ausschreibungsverfahren herumkommen.
Fischer: Er hatte ja nur die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Not und Elend und wenn er jetzt tatsächlich in einigen Monaten frei ist, Alternativen auszuschreiben und zu vergeben, dann würde ja insgesamt, selbst wenn man die Vorbereitungsarbeiten jetzt beginnen würde, frühestens im Jahr 2005 Geld aus einer Vignette eingenommen werden können. Das Jahr 2004 wird wahrscheinlich insgesamt verloren sein, da fehlen uns dann in der Summe, wenn ich die Systemkosten abziehe, 2,8 Milliarden im öffentlichen Haushalt und eine Vignette ist natürlich finanziell längst nicht so ergiebig wie das neue System sein sollte, da stehen 450 Millionen zu einer Summe von 2,8 beziehungsweise wenn ich die Systemkosten obendrauf rechne, Einnahmen von 3,4 Milliarden und die würde er, so wie er sich bei uns im Ausschuss und auch in der Öffentlichkeit geäußert hat, ab Mitte dieses Jahres 36 Monate benötigen, dann wären etwa erst zur Jahresmitte 2007 Einnahmen zu erwarten. Das ist natürlich aus der Sicht des Bundeshaushaltes der absolute Super-GAU.
Probst: Was soll in der Zwischenzeit geschehen, gerade mit Blick auf die ohnehin gesperrten Ausgaben im Haushalt für die Infrastrukturprojekte?
Fischer: Der Haushalt muss dann wie in der Vergangenheit abzüglich der Einnahmen, die man aus der Vignette erzielt, die man nicht beliebig steigern kann durch Anhebung der Sätze, weil man die Zustimmung aus Brüssel braucht, die uns in der Vergangenheit für eine Anhebung auf das Zwei- oder Dreifache schon verweigert worden sind, dann müssten diese Beträge für die Infrastrukturfinanzierung aus dem Haushalt bereitgestellt werden und da ist natürlich der Bundeshaushalt in seiner jetzigen Lage nur begrenzt leistungsfähig.
Probst: Das heißt, die Länder, die jetzt schon Kompensation fordern, also der Bund müsse für Defizite aufkommen, sollen mit in die Pflicht genommen werden?
Fischer: Das ist generell richtig, aber wir wissen auch, dass die EU-Kommission den Rat EuGH in Luxemburg verklagt hat, weil Deutschland eine zu hohe Neuverschuldung zugebilligt worden ist und wenn dort ein Urteil kommt, was rigoros mit Deutschland umgeht, sind auch derartige Möglichkeiten abgeschnitten.
Probst: Auch an Sie die Frage nach den weiteren Konsequenzen: neues System, eventuell neue Bieter, neues Konsortium – sollte das Ganze dann auch personell neu auf den Weg und realisiert werden, also sollte Stolpe gehen oder der Kanzler die Neubesetzung veranlassen?
Fischer: Der Kanzler hat ja selbst ein hohes Maß an Verantwortung, denn er war der Chef des Kabinetts als Herr Bodewig diesen völlig unzureichenden Vertrag machte und sich der Bund nicht hinreichend versicherte, ob sich der Vertragspartner auch liefer- und leistungsfähig ist. Und er ist auch für diesen Verkehrsminister und seine Arbeit mitverantwortlich, das heißt also, er schwebt nicht über allem sondern ist mittendrin im Getümmel und deswegen muss er jetzt auch ganz klar sagen, wie er diese Malesche seines Kabinetts wieder bereinigen will. Stolpe hätte nach meiner Fasson schon seit langen Monaten einerseits gehen sollen und er hat ja heute morgen auch den Weg freigegeben und sagte, er ist jederzeit bereit, wenn der Kanzler derartige Entscheidungen treffen sollte.
Probst: Wird man sich von der Politik nicht auch generell mit Blick auf weitere Zusammenarbeit mit deutschen so renommierten Unternehmen diese private public partnership überlegen müssen, wie man mit denen kooperiert?
Fischer: Ich würde jedenfalls davon abraten, in der Zukunft noch Erfinderverträge zu machen, sondern es muss ein Unternehmen zunächst einmal dokumentieren, dass sie das, was sie im Vertrag anbieten und verkaufen wollen, auch tatsächlich liefern können. Das heißt also, es muss auf deutsch gesagt im Regal sein oder so realistisch erreichbar, dass man damit keine Probleme hat. Natürlich ist auch insbesondere der vom ehemaligen Minister Bodewig durchgesetzte erhebliche Zeitdruck ein viel zu kurzer Zeitrahmen mitursächlich für die Probleme. Das Industriekonsortium hat ausgeführt, dass es der größte Fehler war, sich auf einen derartigen Zeitdruck einzulassen, wenn die Österreicher für eine weniger anspruchsvolle Technologie sich 18 Monate genommen haben und wir meinen, das in 12 Monaten hinzukriegen, dann war das eine gewaltige Selbstüberschätzung.
Probst: Es sind ja nicht nur die Österreicher, die sozusagen in den Startlöchern stehen, auch die Schweizer. Das Konsortium da hat bereits gesagt, sie würden gerne in die Bresche springen. Glauben Sie, wenn man eine abgespeckte, dies wäre ja eine ganz andere Version des Verfahrens, wenn man das ansteuern würde, dann käme man um eine entsprechend langwierige Ausschreibung herum, sollte man das eine Nummer kleiner machen?
Fischer: Nein, es muss in jedem Falle ausgeschrieben werden, dann gibt es eine Vergabeentscheidung, es wird ja auch konkurrierende Anbieter geben, das erfordert alles seine Zeit, muss installiert werden, was bei der ausgeprägten Struktur unseres Netzes an Autobahnen in Deutschland, der Größe des Landes natürlich eine viel längere Zeit in Anspruch nimmt als in der Schweiz oder in Österreich. Und deswegen darf man hier auch nicht wieder den Fehler machen, sich einen viel zu kurzen Zeitrahmen vorzustellen und am Ende die Termine wieder nicht einhalten zu können. Im Übrigen müssen dann hinterher die Partner auch ihre finanzielle und technologisches Leistungsfähigkeit nachweisen, das klappt in den anderen Ländern offenbar ganz gut, aber es ist eine kleinräumigere Struktur als in Deutschland und deswegen würde ich abraten, den Fehler zu machen, viel zu kurze Zeiträume zu nennen und am Ende die gleiche Pleite noch mal zu erleben.
Probst: Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Danke, auf Wiederhören.
Fischer: Gern geschehen, tschüs, Herr Probst.
Probst: Hat Sie dieser Ausgang überrascht, nachdem Stolpe ja unmittelbar vor der Runde eine Kündigung noch als eher unwahrscheinlich bezeichnet hatte?
Fischer: Überrascht nicht, denn sein Vorgehen ist, wie ich finde, jetzt konsequent. Ich hatte mir nur vorgestellt, dass Toll Collect an die neu angekündigten Termine für die Inbetriebnahme, also das leichte System ab 1.1.2005, die Endversion dann ab 2006 und die technische Machbarkeit bereit wären, die volle Haftung zu übernehmen, wenn ihre Zusagen nicht erfüllt werden und der Bund weitere Einnahmeausfälle hat. Das heißt also, ich teile Stolpes Enttäuschung, dass offenbar Toll Collect nicht so sicher ist und daran glaubt, dieses tatsächlich bewältigen zu können und dann war für ihn ein anderes Vorgehen nicht mehr möglich.
Probst: Es spricht also einiges für die Version, dass Toll Collect dieses Scheitern sogar provoziert oder bewusst angesteuert hat?
Fischer: Das wäre nach meiner Einschätzung erst dann bewiesen, wenn sie jetzt sagen würden, wir würden auf die Nachbesserungsphasen 1 und 2 verzichten, die ihnen ja einmal zwei und dann weitere zwei, in der Summe also vier Monate Nachbesserungsmöglichkeiten einräumen. Wenn sie jetzt sagen würden nach Prüfung der Gespräche, wir verzichten auf die Nachbesserungsmöglichkeiten und akzeptieren die Kündigung, dann könnte man den Gedanken einer Provokation haben. Aber wenn sie die Nachbesserungsphase und die darin liegende Chance in Anspruch nehmen, dann denke ich eher nicht so.
Probst: Die Situation ist aber nun mal so wie sie ist. Ein Debakel für Politik und Wirtschaft in Deutschland?
Fischer: Mit Sicherheit hat die Politik und auch die Industrie in Deutschland einen erheblichen Imageschaden erlitten, denn Stolpe hat ja in seiner Pressekonferenz heute morgen selbst formuliert: das Mitleid für Deutschland in Europa ist grenzenlos. Wenn man ein derartiges Mitleid erfährt, liegt darin auch immer ein Stück Häme.
Probst: Blicken wir nach vorne. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie kann man schnellstmöglich aus dieser Bredouille herauskommen? Zunächst als Übergangslösung die Vignette hat Herr Stolpe ja auch schon angekündigt, das soll möglichst schnell gehen und dann wird man ja wohl nicht um ein Ausschreibungsverfahren herumkommen.
Fischer: Er hatte ja nur die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Not und Elend und wenn er jetzt tatsächlich in einigen Monaten frei ist, Alternativen auszuschreiben und zu vergeben, dann würde ja insgesamt, selbst wenn man die Vorbereitungsarbeiten jetzt beginnen würde, frühestens im Jahr 2005 Geld aus einer Vignette eingenommen werden können. Das Jahr 2004 wird wahrscheinlich insgesamt verloren sein, da fehlen uns dann in der Summe, wenn ich die Systemkosten abziehe, 2,8 Milliarden im öffentlichen Haushalt und eine Vignette ist natürlich finanziell längst nicht so ergiebig wie das neue System sein sollte, da stehen 450 Millionen zu einer Summe von 2,8 beziehungsweise wenn ich die Systemkosten obendrauf rechne, Einnahmen von 3,4 Milliarden und die würde er, so wie er sich bei uns im Ausschuss und auch in der Öffentlichkeit geäußert hat, ab Mitte dieses Jahres 36 Monate benötigen, dann wären etwa erst zur Jahresmitte 2007 Einnahmen zu erwarten. Das ist natürlich aus der Sicht des Bundeshaushaltes der absolute Super-GAU.
Probst: Was soll in der Zwischenzeit geschehen, gerade mit Blick auf die ohnehin gesperrten Ausgaben im Haushalt für die Infrastrukturprojekte?
Fischer: Der Haushalt muss dann wie in der Vergangenheit abzüglich der Einnahmen, die man aus der Vignette erzielt, die man nicht beliebig steigern kann durch Anhebung der Sätze, weil man die Zustimmung aus Brüssel braucht, die uns in der Vergangenheit für eine Anhebung auf das Zwei- oder Dreifache schon verweigert worden sind, dann müssten diese Beträge für die Infrastrukturfinanzierung aus dem Haushalt bereitgestellt werden und da ist natürlich der Bundeshaushalt in seiner jetzigen Lage nur begrenzt leistungsfähig.
Probst: Das heißt, die Länder, die jetzt schon Kompensation fordern, also der Bund müsse für Defizite aufkommen, sollen mit in die Pflicht genommen werden?
Fischer: Das ist generell richtig, aber wir wissen auch, dass die EU-Kommission den Rat EuGH in Luxemburg verklagt hat, weil Deutschland eine zu hohe Neuverschuldung zugebilligt worden ist und wenn dort ein Urteil kommt, was rigoros mit Deutschland umgeht, sind auch derartige Möglichkeiten abgeschnitten.
Probst: Auch an Sie die Frage nach den weiteren Konsequenzen: neues System, eventuell neue Bieter, neues Konsortium – sollte das Ganze dann auch personell neu auf den Weg und realisiert werden, also sollte Stolpe gehen oder der Kanzler die Neubesetzung veranlassen?
Fischer: Der Kanzler hat ja selbst ein hohes Maß an Verantwortung, denn er war der Chef des Kabinetts als Herr Bodewig diesen völlig unzureichenden Vertrag machte und sich der Bund nicht hinreichend versicherte, ob sich der Vertragspartner auch liefer- und leistungsfähig ist. Und er ist auch für diesen Verkehrsminister und seine Arbeit mitverantwortlich, das heißt also, er schwebt nicht über allem sondern ist mittendrin im Getümmel und deswegen muss er jetzt auch ganz klar sagen, wie er diese Malesche seines Kabinetts wieder bereinigen will. Stolpe hätte nach meiner Fasson schon seit langen Monaten einerseits gehen sollen und er hat ja heute morgen auch den Weg freigegeben und sagte, er ist jederzeit bereit, wenn der Kanzler derartige Entscheidungen treffen sollte.
Probst: Wird man sich von der Politik nicht auch generell mit Blick auf weitere Zusammenarbeit mit deutschen so renommierten Unternehmen diese private public partnership überlegen müssen, wie man mit denen kooperiert?
Fischer: Ich würde jedenfalls davon abraten, in der Zukunft noch Erfinderverträge zu machen, sondern es muss ein Unternehmen zunächst einmal dokumentieren, dass sie das, was sie im Vertrag anbieten und verkaufen wollen, auch tatsächlich liefern können. Das heißt also, es muss auf deutsch gesagt im Regal sein oder so realistisch erreichbar, dass man damit keine Probleme hat. Natürlich ist auch insbesondere der vom ehemaligen Minister Bodewig durchgesetzte erhebliche Zeitdruck ein viel zu kurzer Zeitrahmen mitursächlich für die Probleme. Das Industriekonsortium hat ausgeführt, dass es der größte Fehler war, sich auf einen derartigen Zeitdruck einzulassen, wenn die Österreicher für eine weniger anspruchsvolle Technologie sich 18 Monate genommen haben und wir meinen, das in 12 Monaten hinzukriegen, dann war das eine gewaltige Selbstüberschätzung.
Probst: Es sind ja nicht nur die Österreicher, die sozusagen in den Startlöchern stehen, auch die Schweizer. Das Konsortium da hat bereits gesagt, sie würden gerne in die Bresche springen. Glauben Sie, wenn man eine abgespeckte, dies wäre ja eine ganz andere Version des Verfahrens, wenn man das ansteuern würde, dann käme man um eine entsprechend langwierige Ausschreibung herum, sollte man das eine Nummer kleiner machen?
Fischer: Nein, es muss in jedem Falle ausgeschrieben werden, dann gibt es eine Vergabeentscheidung, es wird ja auch konkurrierende Anbieter geben, das erfordert alles seine Zeit, muss installiert werden, was bei der ausgeprägten Struktur unseres Netzes an Autobahnen in Deutschland, der Größe des Landes natürlich eine viel längere Zeit in Anspruch nimmt als in der Schweiz oder in Österreich. Und deswegen darf man hier auch nicht wieder den Fehler machen, sich einen viel zu kurzen Zeitrahmen vorzustellen und am Ende die Termine wieder nicht einhalten zu können. Im Übrigen müssen dann hinterher die Partner auch ihre finanzielle und technologisches Leistungsfähigkeit nachweisen, das klappt in den anderen Ländern offenbar ganz gut, aber es ist eine kleinräumigere Struktur als in Deutschland und deswegen würde ich abraten, den Fehler zu machen, viel zu kurze Zeiträume zu nennen und am Ende die gleiche Pleite noch mal zu erleben.
Probst: Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Danke, auf Wiederhören.
Fischer: Gern geschehen, tschüs, Herr Probst.