Engels: Wie bekommen Sie denn Ordnung in dieses Durcheinander in der Union?
Meister: Ich sehe das so nicht. Wir haben eine gemeinsame Haltung, dass wir gesagt haben, wir sind sehr dafür, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen, wenn vier Bedingungen erfüllt sind. Erstens, wenn wir davon ausgehen können, dass Vertrauen und Sicherheit bei den Konsumenten und Investoren herrscht, damit sie mit dem Geld, was sie dann möglicherweise durch eine Steuererleichterung bekommen, auch tatsächlich konsumieren und investieren gehen. Dieses Vertrauen ist aber durch eine kurzatmige Politik momentan sehr stark gestört. Zum zweiten haben wir gesagt, es ist nicht nur notwendig, die momentane Konjunktur- und Strukturkrise in Deutschland über rein finanzpolitische Instrumente zu lösen. Wir brauchen auch Maßnahmen im Bereich Arbeitsmarkt und insgesamt der Wirtschaftspolitik, die notwendig sind. Wir haben zum dritten gesagt, es kann nicht sein, dass wir Steuerentlastungen für ein Jahr vorziehen im Jahr 2004 durch dauerhafte Mehrbelastungen an anderer Stelle in der Steuer kompensieren, darüber muss mit Rot-Grün gesprochen werden, dass es nicht geschieht, damit nicht Steuerentlastungen angeblich im Etikett beschlossen werden und im Paket dann am Ende ein deutliche Steuererhöhung herauskommt. Und als letzten Punkt haben wir gesagt, muss es seriös finanziert sein. Es darf nicht eine Steuersenkung sein, die man ankündigt, die dann nach einem Jahr, weil die Haushalte aus dem Gleichgewicht geraten, wieder durch Steuererhöhungen an anderer Stelle kompensiert wird, um die Lücken zu schließen.
Engels: Das sind ja alles schöne Vorbedingungen, aber wird das nicht dadurch konterkariert, dass einige Ministerpräsidenten jetzt schon andeuten, dass sie sich eine Zustimmung vorstellen können?
Meister: Ich glaube, wir alle können uns vorstellen, dass wir einem Vorziehen der Steuerreformstufe zustimmen können, wenn die eben genannten Bedingungen eingehalten werden und das wird sehr stark daran hängen, wie die Gespräche im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat, zwischen Regierungsmehrheit in Berlin und den unionsgeführten Ländern ausgehen. Ich habe eben skizziert, dass es mit anderen Politikbereichen zusammenhängt und da wird es sehr stark davon abhängen, wie weit die rot-grüne Koalition bereit ist, in diesen Politikbereichen auf die Vorstellungen der Union einzugehen.
Engels: CDU-Vize Böhr hat heute relativ konkrete Bedingungen gestellt, die da lauten: keine Kürzung der Pendlerpauschale und Streichung der Eigenheimzulage und trotzdem soll das Ganze nicht über Schulden finanziert werden. Da fragt man sich doch, wo denn wirklich der konkrete Ansatz der Union ist, wo man dann auch der Bundesregierung entgegenkommt.
Meister: Wir haben diese willkürlichen Kürzungsmaßnahmen, die Herr Eichel vorschlägt, das habe ich ja eben deutlich gesagt, die Streichungen als Beispiel wären ja dauerhafte Mehrbelastungen, die man den Steuerzahlern für ein einjähriges Vorziehen auferlegen würde; das kann nicht sein. Deshalb haben wir diese willkürlichen Kürzungsmaßnahmen abgelehnt, sind aber sehr aufgeschlossen und positiv gestimmt, wenn man generell an das Thema Subventionsabbau herangeht, etwa bei den Finanzhilfen und dort gleichmäßig, verlässlich insgesamt kürzt. Da sind Vorschläge im Papier Koch-Steinbrück, wo wir sehr konstruktiv mitdiskutieren werden und wir sind auch bereit, wenn es zu dauerhaften Entlastungen kommt, bei den so genannten Steuervergünstigungen mit herunterzugehen, aber der Zusammenhang ist bisher in der Gesetzgebung der Bundesregierung noch nicht hergestellt und daher bleibt abzuwarten, ob das im Vermittlungsausschuss gelingt, da unsere Handschrift einzubringen und dann kann es auch zum Vorziehen der Steuerreformstufe kommen. Allerdings nicht, wenn man den Leuten eine Steuersenkung ankündigt und tatsächlich Steuern erhöht.
Engels: Führende Wirtschaftsvertreter haben heute in der Süddeutschen Zeitung die Union aufgefordert, in jedem Fall diesem Vorziehen zuzustimmen, weil sie sich davon psychologische Aufschwungeffekte erhoffen. Können Sie das denn einfach ignorieren?
Meister: Wir hatten eine Sachverständigenanhörung im Bundestag, wo die Wirtschaftsverbände geladen waren, auch Wissenschaftler und die meisten von ihnen haben uns gesagt, wenn das Vorziehen auf Pump finanziert wird, wird der psychologische Effekt nicht in positiver Weise greifen sondern im Gegenteil werden sich die Leute darauf einstellen, dass sie das, was sie bekommen, in relativ kurzer Zeit wieder an den Staat zurückbezahlen müssen. Deshalb wurde von den Experten ausdrücklich davor gewarnt, auf Pump zu finanzieren und der Haltung schließen wir uns an. Wir sind bereit, Steuern zu senken und wollen dies auch aber bitte seriös finanziert.
Engels: Die wirtschaftliche Vernunft ist das eine, das politische Taktieren das andere. Wie können Sie denn als Unionsspitze verhindern, dass nicht, wie man schon mal gesehen hat bei der Steuerreform im Jahre 2000 die Ministerpräsidenten der Union letztendlich doch machen, was sie wollen?
Meister: Die Unionsministerpräsidenten der Union sind eigenständige Persönlichkeiten, aber ich glaube, jeder Ministerpräsident hat auch eine eigenen Verantwortung in seinem Land und es wird natürlich kein einzelner wirtschaftlich positive Effekte haben, wenn das Gesamtkonzept nicht stimmig ist. Deshalb glaube ich, können wir insgesamt als Bundesrepublik Deutschland nur Erfolg haben, wenn wir ein geschlossenes, stimmiges Gesamtkonzept beschließen und danach müssen nach meiner Einschätzung auch die unterschiedlichen Länder ein Interesse haben.
Engels: Sie sind ein erfahrener Finanzpolitiker und kennen natürlich Ihre Kollegen, sowohl bei der SPD, als auch bei den Ministerpräsidenten. Ihre Einschätzung, wird es zum Vorziehen kommen oder nicht?
Meister: Das wird sehr stark davon abhängen, wie weit die Bundesregierung bereit ist, sich in den Bereichen Arbeitsmarktreformen auf uns zuzubewegen, Wirtschaftsreformen und ein seriöses Finanzierungskonzept vorzulegen. Wir haben im November noch die nächste Steuerschätzung vor uns, die dann tatsächlich Zahlen auf den Tisch bringt, wie die Lage ist. Das, was Herr Eichel bisher präsentiert hat, ist mit sehr vielen Fragezeichen behaftet und nicht mehr als seriös zu bezeichnen, deshalb kann man sich darauf nicht mehr verlassen und wir sind darauf angewiesen, die Zahlen der neuen Steuerschätzung im November zu kennen.
Engels: Michael Meister war das, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Meister: Bittesehr, Frau Engels.