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Union: Kein Einknicken vor der Tabak-Lobby

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Regierung sei beim Nichtraucherschutz vor der Zigaretten-Lobby eingeknickt. Das Scheitern einer einheitlichen Regelung sei auf verfassungsrechtliche Bedenken zurückzuführen, sagte Widmann-Mauz.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Guten Morgen, Frau Widmann-Mauz

    Annette Widmann-Mauz: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Die Süddeutsche Zeitung titelt heute: "Regierung stiftet Chaos beim Rauchverbot". Tut sie das?

    Widmann-Mauz: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Gesundheitsschutz für Nichtraucherinnen und Nichtraucher in Deutschland deutlich zu verbessern, wir wollen sozusagen auf ein neues Ufer kommen, der Weg, den wir uns dafür ausgesucht haben, ist nur sehr schmal, die Brücke sehr schmal. Wir müssen eine andere Stelle suchen, an der wir den Fluss überqueren können, aber diese Stellen gibt es und deshalb müssen wir jetzt eben einfach nur andere Wege gehen, um ans Ziel zu kommen.

    Meurer: Die anderen Wege bestehen jetzt aus 16 Brücken, die vielleicht zu 16 verschiedenen Ufern führen?

    Widmann-Mauz: Ich glaube, dass alle Bundesländer ein Ziel eint, nämlich einen einheitlichen Schutz zu haben. Kein Bundesland kann ein Interesse daran haben, dass an der Landesgrenze andere Regeln gelten. Deshalb vertraue ich auf die Gespräche, die in der nächsten Woche mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten geführt werden. Dass wir eine einvernehmliche Lösung finden, die dann auch Mehrheiten in den Landtagen unserer Republik finden.

    Meurer: Dieser Optimismus wird von vielen nicht geteilt, Frau Widmann-Mauz, und erste Reaktionen lassen ja schon erkennen, dass Bayern nicht so viel tun möchte beim Nichtraucherschutz, andere Länder sich anders verhalten. Warum sollte in diesem Fall nicht jedes Bundesland zunächst erst einmal an die eigene Nase und Richtung denken?

    Widmann-Mauz: Hätten wir Verfassungskompetenz gehabt, hätte das Bundesgesetz auch nur Mindeststandards geregelt, das heißt jedes Bundesland hätte in seiner eigenen Kompetenz, zum Beispiel bei Gaststätten, oder bei ihren Einrichtungen, weitgehend die Regelungen treffen können. Deshalb, eine gewisse Differenzierung wird es auch in Zukunft geben können und von daher, mich freut es, dass sehr, sehr viele Länder gestern erklärt haben, dass sie den Nichtraucherschutz voranbringen wollen, dass sie Rauchverbote in ihren Gebäuden, in den Schulen und Krankenhäusern und in den Gaststätten einführen wollen. Und deshalb bin ich eigentlich zuversichtlich, dass wir einen breiten Mindestschutz in Deutschland erreichen können.

    Meurer: Wie soll der Mindestschutz, oder wird der Mindestschutz, wohl aussehen?

    Widmann-Mauz: Wir haben in der Arbeitsgruppe auf Bundesebene ja sehr lange und intensiv diskutiert, und haben aus meiner Sicht einen dankbaren Kompromiss vorgeschlagen, der bedeutet, dass in allen öffentlichen Einrichtungen, in die die Menschen ja sozusagen gezwungen sind, dass sie gehen, dass dort ein umfassender Nichtraucherschutz gilt, also Rauchverbote, und dass wir dort, wo gespeist wird ebenfalls einen umfassenden Nichtraucherschutz haben, allerdings mit der Möglichkeit, auch abgeschlossene getrennte Räume für Raucher vorzuhalten. Also, ich glaube, das war ein gutes Angebot.

    Meurer: Wo ist da der Unterschied zu dem Beschluss der Arbeitsgruppe?

    Widmann-Mauz: Nein, das war der Beschluss der Arbeitsgruppe. Und ich hoffe, dass die Bundesländer diesen als ebenso praktikabel ansehen, wie wir das in der Arbeitsgruppe getan haben. Und wir werden mit den Ländern darüber sprechen und ich glaube, dass gute Argumente auch bei den Ländern überzeugen können.

    Meurer: Sie sprachen eben einmal davon, dass das ein bisschen differenziert sein könnte. Wie differenziert könnte das denn zwischen den Bundesländern ablaufen?

    Widmann-Mauz: Ja, ich kann mir vorstellen, dass es Bundesländer gibt, die sagen, in den Gaststätten und in den Speisegaststätten und den Schankwirtschaften, also der Eckkneipe und dem Restaurant, soll es gleiche Regelungen geben und es wird andere Bundesländer geben, die eine Differenzierung vornehmen wollen, um sozusagen den Besuch der Eckkneipe für ein Bier an der Stelle noch nicht mit Rauchverbot zu belegen.

    Meurer: Frau Widmann-Mauz, auf die Politik wird ja im Moment ziemlich eingeprügelt in diesem Fall. Sind sie vor der Tabaklobby eingeknickt?

    Widmann-Mauz: Im Gegenteil. Wir haben uns sehr fachlich mit den Themen beschäftigt, und am Ende sind Verfassungsfragen keine Lobbyfragen, das hat mit der Tabakindustrie nichts zu tun, sondern wir müssen und wollen Gesetzte machen, die vor unserer Verfassung Bestand haben. Gerade das Beispiel des Verbraucherinformationsgesetzt zeigt ja, es nutzt nichts, wenn der Bundestag einhellig Gesetze verabschiedet, aber der Bundespräsident sie dann nicht zeichnet. Also, wir wollen schon auf dem Boden unserer Verfassung agieren ...

    Meurer: ... aber es gab doch Rechtsgutachten, die das bestätigt haben, dass sie auf dem Boden der Verfassung standen.

    Widmann-Mauz: ... der Deutsche Bundestag, der wissenschaftliche Dienst, hatte ein anderes Gutachtenergebnis als die Verfassungsressource der Bundesregierung, deshalb hat meine Fraktion in den Gesprächen besonderen Wert darauf gelegt, dass die Bundesregierung diese Kompetenzfrage klärt, deshalb gab es ja auch noch kein politisches Ergebnis, sondern nur ein fachliches, weil diese Prüfung ausstand. Jetzt liegt das Ergebnis der Prüfung innerhalb der Bundesregierung vor, und deshalb haben wir uns ein Stück weit einfach auch daran zu halten. Wenn der eine oder andere Minister schon vorher Ergebnisse verkünden will, bevor die rechtliche Prüfung abgeschlossen ist, dann ist das sein oder ihr persönliches Risiko. Wir von der CDU/CSU-Fraktion haben das von Anfang an vor den Vorbehalt einer Verfassungskompetenz und einer Gesetzgebungskompetenz gestellt, und deshalb ist das Ergebnis jetzt eben auch so, wie es ist.

    Meurer: Es hätte die Möglichkeit bestanden, dass sie den Weg gewählt hätten, über das Arbeitsrecht. Das hätte aber dann bedeutet, dass Restaurants und Kneipen, dass da nicht unterschieden werden darf, weil jeder Mitarbeiter, jeder Kellner hat eben das gleiche Recht auf Arbeitsschutz. Warum sind Sie diesen Weg nicht gegangen?

    Widmann-Mauz: Ja, auch da gibt es rechtliche Vorbehalte, nämlich die Frage, ob sie über ein Arbeitsschutzgesetz, nämlich den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein generelles Rauchverbot an allen Arbeitsstätten, auch mit Publikumsverkehr durchsetzten können. Auch hier gibt es rechtliche Bedenken, die auch vorgetragen werden in verschiedenen Gutachten, deshalb ist auch dieser Weg problematisch, wenngleich ich nicht verhehlen möchte, dass mir der Schutz aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier gleich viel wert ist.

    Meurer: Schieben Sie die rechtlichen Bedenken vor, um nicht weiter gehen zu müssen beim Nichtrauchschutz?

    Widmann-Mauz: Nein, das glaube ich nicht. Aber wie gesagt, am Ende werden wir uns immer an den rechtlichen, ja auch Vorgaben orientieren müssen, denn ansonsten würde die Verfassung ja nur sonntags, oder für Sonntagsreden gelten, und das ist zumindest für meine Fraktion keine wirklich solide Grundlage.

    Meurer: Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion Annette Widmann-Mauz bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank und Auf Wiederhören, Frau Widmann-Mauz.

    Widmann-Mauz: Danke Ihnen, tschüss Herr Meurer.