Koch: Das haben wir, denke ich, mitnichten getan. Das wird auch heute deutlich werden. Die Pläne der Bundesregierung sind falsch. Wir haben lediglich uns ein wenig Zeit genommen zu der Frage, ob man auf den Köpfen der Menschen, die in einer solchen Notlage in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind, nun ein politisches Kämpfen austragen kann, das der Bundeskanzler ja von Anfang an gewollt hat. In jedem anderen Land der Welt hätten sicher in einer solchen Lage einer nationalen Katastrophe ein Kanzler und ein Oppositionsführer gemeinsam gehandelt. Das haben wir in den Vereinigten Staaten letztes Jahr sehr oft gesehen. Aber die Frage ist: Darf man das so jetzt durchmachen? Wir wollen, dass den Menschen dort geholfen wird, und deshalb wird ein Gesetzgebungsverfahren der derzeit amtierenden Bundesregierung nicht an einer Blockade der Union scheitern, auch wenn sie das könnte. Des weiteren sagen wir den Wählerinnen und Wählern ganz klar: Sie werden am Tag der Bundestagswahl darüber entscheiden, ob dieses falsche Gesetz, die Steuerreform zurückzunehmen, unmittelbar nach der Bundestagswahl wieder aufgehoben wird oder nicht. Das ist eine vernünftige Weise, da weiß jeder, woran er ist, und dann kann man abstimmen, ob man tatsächlich ein so konjunkturschädliches Instrument zur Finanzierung der Katastrophe nehmen will oder nicht. Und darüber werden wir auch die nächsten vier Wochen sicherlich intensiv reden.
Gerner: Ich entnehme Ihrer Antwort, dass die Schlagzeile "Die Union trägt die Verschiebung der Steuerreform mit" im Bundesrat und Bundestag stimmt, prinzipiell aber mit einem "aber" verbunden ist. Das "aber" bezieht sich auf die Körperschaftssteuer, nehme ich an.
Koch: Nein, richtig ist: Wir blockieren jetzt ein Gesetzgebungsverfahren, was wir möglicherweise könnten, im Bundesrat nicht, um sicherzustellen, dass die Menschen in Sachsen wissen, dass sie ihr Geld bekommen, weil das das Allerwichtigste ist. Und das Zweite ist, wir sagen: Mehrheit im Bundesrat ist keine Frage. Wir werden, wenn wir eine Mehrheit im Bundestag haben, dafür sorgen, dass die Steuerreform im nächsten Jahr in Kraft tritt. Das bedeutet, dass ich dann keine Körperschaftssteuer brauche, weil es dann die Frage der sozialen Asymmetrie über Körperschaftssteuer und Einkommenssteuer dort nicht gibt. Und wir werden ein Konzept heute vorlegen über die Frage von Bundesbankgewinne, über die Frage von Restrukturierung der Haushalte und anderes - das werden Sie mit sehen -, darüber, wie man das, was notwendig ist, aus unserer Sicht relativ unproblematisch finanzieren kann.
Gerner: Wie kann denn das Konzept, das heute Mittag vorgestellt werden soll, einheitlich klingen? Gestern und auch heute noch zu lesen, die Vorschläge der Union nach Erhöhung der Körperschaftssteuer, und jetzt kommt der Bundesbankgewinn ins Spiel. Wo ist die Linie der Union? Was will die Union?
Koch: Das, was wir heute morgen gemeinsam mit Edmund Stoiber beschließen werden, dass wir in einer Krisensituation des Landes, in der die prinzipielle Frage nicht streitig ist, aber die Frage des Wies sehr viele verschiedene intelligente Antworten haben könnte, uns miteinander unterhalten und diskutieren, bevor wir binnen 48 Stunden, nachdem die Vorschläge kamen, eine Antwort formulieren und der Öffentlichkeit präsentieren. Das halte ich für selbstverständlich.
Gerner: Gestern war aber noch der Tenor in der Union sehr auf Erhöhung der Körperschaftssteuer; jetzt klingt das schon nach Rückzug bei Ihnen. Verträgt es sich nicht mit Stoibers Nichtsteuererhöhungskurs?
Koch: Das war ja die Frage: Riskiert man wegen dieser Situation das Abkippen des Wachstums im nächsten Jahr? Unerträglich wäre auf jeden Fall, nur die Steuerreform bei den Lohneinkünften oder im Mittelstand abzuladen. Das geht auf gar keinen Fall. Riskiert man über eine Verschiebung der Steuerreform das Wachstum? Und ich denke, wir haben uns in der Diskussion alle gemeinsam dazu durchgerungen, zu sagen: Deutschland ist einer so schweren wirtschaftlichen Krise, auch jenseits der Frage der Flut, dass wir das Wachstumsrisiko dieses Konjunkturkillers "Steuerreform aussetzen", nicht verantworten können. Und das werden wir den Bürgern sagen.
Gerner: Es ist doch schon auffällig. Gestern war die Körperschaftssteuer in aller Munde bei der Union. Gerhard Schröder ist darauf eingegangen. Das sah nach einer taktischen Umarmung aus. Wollen Sie sich dem jetzt entziehen?
Koch: Nein, die Körperschaftssteuer, egal wie man es macht, ist ja nicht das quantitativ Größte. Eine Steuerreformverschiebung vorzuschlagen, wodurch alle außer den großen Unternehmen in Deutschland bezahlen, ist schon für einen sozialdemokratischen Kanzler ein Abenteuer. Insofern ist die Diskussion, was den Vorschlag der Bundesregierung angeht, den sie zum Gesetz erheben will, an der richtigen Stelle. Unsere Frage war ja: Kann man ein Kompromiss mit der Bundesregierung machen? Und ich denke, wir haben uns gemeinsam dazu durchgerungen, so populär das auf dem ersten Blick klingt: Wir setzen ein Jahr eine Steuerreform aus. Das ist ein großer Solidaritätsakt. Wir sind in einer Wirtschaftslage: Wenn wir im nächsten Jahr, nachdem wir im ersten Halbjahr Minuswachstum gehabt haben, die Steuerpolitik als Chance für einen Wachstumsförderer völlig ausschalten, fällt es uns sehr schwer, mit den anderen politischen Maßnahmen das zu erreichen. Wir gehen davon aus, dass wir danach die Bundesregierung haben werden, und wir müssen dafür sorgen, dass das Wachstum kommt, und da kann man so etwas nicht hinnehmen.
Gerner: Kann man der Bundesbank einfach so in die Tasche greifen? Gibt es da nicht Unabhängigkeitsregeln?
Koch: Nein, da gibt es gar keine Unabhängigkeitsregeln, wenn Sie so wollen, weil im Gesetzt steht, dass die Bundesbank ihren Gewinn ja an den Bund abliefert. Nur über den reden wir. Er war im letzten Jahr gegenüber dem, was normal geplant ist, und was wir in einem Schuldentilgungsprogramm von 3,5 Milliarden Euro eingeplant haben, fast 11 Milliarden Euro. Das heißt, die ganze Frage kann allein durch den unerwarteten Gewinn, den Hans Eichel allein in diesem Jahr verbucht hat, schon in eine ordentliche Finanzierung gebracht werden. Und das ist nur ein Element. Insofern ist das weder eine Frage der Unabhängigkeit noch eine Frage der Verfügbarkeit des Geldes. Dieses Geld ist übrigens heute schon da, während das andere spekulativ in die Frage der Wirtschaft des nächsten Jahres gestellt wird.
Gerner: Wir reden aber bei der Verschiebung der Steuerreform und bei der Bundesbank über einstellige Milliardenbeträge. Allein Sachsen meldet jetzt schon 15 Milliarden an. Kommen wir an einer Belastung der Bürger langfristig herum?
Koch: Ich bin dafür, dass wir im Augenblick einen Betrag, wie die Bundesregierung ihn vorgestellt hat, mal nehmen und zur Verfügung stellen und dann die Regeln auch schaffen. Die 15 Milliarden Euro beinhalten auch vieles an Versicherungsleistungen, an Dingen, die wir bei allem Bedauern nicht ersetzen können. Was die Anforderung an den Staat ist, wird man sehen müssen. Unstreitig in Deutschland ist, dass wenn wir zwischen sechs und sieben Milliarden Euro zur Verfügung stellen, wird nichts, was den Wiederaufbau beschleunigen kann, aufgehalten, sondern alles möglich gemacht. Auch dieses Geld wird nur in einigen Jahren und nicht in einigen Monaten abfließen. Also da, glaube ich, ist im Augenblick nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist: Schafft man das im normalen Bewirtschaften eines Haushalts, oder nimmt man das als einen Vorwand, um Steuersenkungen zu verschieben und damit, jedenfalls im deutschen Mittelstand, eine, wie wir finden, unvertretbar dramatische Entwicklung einzuleiten.
Gerner: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Gerner: Ich entnehme Ihrer Antwort, dass die Schlagzeile "Die Union trägt die Verschiebung der Steuerreform mit" im Bundesrat und Bundestag stimmt, prinzipiell aber mit einem "aber" verbunden ist. Das "aber" bezieht sich auf die Körperschaftssteuer, nehme ich an.
Koch: Nein, richtig ist: Wir blockieren jetzt ein Gesetzgebungsverfahren, was wir möglicherweise könnten, im Bundesrat nicht, um sicherzustellen, dass die Menschen in Sachsen wissen, dass sie ihr Geld bekommen, weil das das Allerwichtigste ist. Und das Zweite ist, wir sagen: Mehrheit im Bundesrat ist keine Frage. Wir werden, wenn wir eine Mehrheit im Bundestag haben, dafür sorgen, dass die Steuerreform im nächsten Jahr in Kraft tritt. Das bedeutet, dass ich dann keine Körperschaftssteuer brauche, weil es dann die Frage der sozialen Asymmetrie über Körperschaftssteuer und Einkommenssteuer dort nicht gibt. Und wir werden ein Konzept heute vorlegen über die Frage von Bundesbankgewinne, über die Frage von Restrukturierung der Haushalte und anderes - das werden Sie mit sehen -, darüber, wie man das, was notwendig ist, aus unserer Sicht relativ unproblematisch finanzieren kann.
Gerner: Wie kann denn das Konzept, das heute Mittag vorgestellt werden soll, einheitlich klingen? Gestern und auch heute noch zu lesen, die Vorschläge der Union nach Erhöhung der Körperschaftssteuer, und jetzt kommt der Bundesbankgewinn ins Spiel. Wo ist die Linie der Union? Was will die Union?
Koch: Das, was wir heute morgen gemeinsam mit Edmund Stoiber beschließen werden, dass wir in einer Krisensituation des Landes, in der die prinzipielle Frage nicht streitig ist, aber die Frage des Wies sehr viele verschiedene intelligente Antworten haben könnte, uns miteinander unterhalten und diskutieren, bevor wir binnen 48 Stunden, nachdem die Vorschläge kamen, eine Antwort formulieren und der Öffentlichkeit präsentieren. Das halte ich für selbstverständlich.
Gerner: Gestern war aber noch der Tenor in der Union sehr auf Erhöhung der Körperschaftssteuer; jetzt klingt das schon nach Rückzug bei Ihnen. Verträgt es sich nicht mit Stoibers Nichtsteuererhöhungskurs?
Koch: Das war ja die Frage: Riskiert man wegen dieser Situation das Abkippen des Wachstums im nächsten Jahr? Unerträglich wäre auf jeden Fall, nur die Steuerreform bei den Lohneinkünften oder im Mittelstand abzuladen. Das geht auf gar keinen Fall. Riskiert man über eine Verschiebung der Steuerreform das Wachstum? Und ich denke, wir haben uns in der Diskussion alle gemeinsam dazu durchgerungen, zu sagen: Deutschland ist einer so schweren wirtschaftlichen Krise, auch jenseits der Frage der Flut, dass wir das Wachstumsrisiko dieses Konjunkturkillers "Steuerreform aussetzen", nicht verantworten können. Und das werden wir den Bürgern sagen.
Gerner: Es ist doch schon auffällig. Gestern war die Körperschaftssteuer in aller Munde bei der Union. Gerhard Schröder ist darauf eingegangen. Das sah nach einer taktischen Umarmung aus. Wollen Sie sich dem jetzt entziehen?
Koch: Nein, die Körperschaftssteuer, egal wie man es macht, ist ja nicht das quantitativ Größte. Eine Steuerreformverschiebung vorzuschlagen, wodurch alle außer den großen Unternehmen in Deutschland bezahlen, ist schon für einen sozialdemokratischen Kanzler ein Abenteuer. Insofern ist die Diskussion, was den Vorschlag der Bundesregierung angeht, den sie zum Gesetz erheben will, an der richtigen Stelle. Unsere Frage war ja: Kann man ein Kompromiss mit der Bundesregierung machen? Und ich denke, wir haben uns gemeinsam dazu durchgerungen, so populär das auf dem ersten Blick klingt: Wir setzen ein Jahr eine Steuerreform aus. Das ist ein großer Solidaritätsakt. Wir sind in einer Wirtschaftslage: Wenn wir im nächsten Jahr, nachdem wir im ersten Halbjahr Minuswachstum gehabt haben, die Steuerpolitik als Chance für einen Wachstumsförderer völlig ausschalten, fällt es uns sehr schwer, mit den anderen politischen Maßnahmen das zu erreichen. Wir gehen davon aus, dass wir danach die Bundesregierung haben werden, und wir müssen dafür sorgen, dass das Wachstum kommt, und da kann man so etwas nicht hinnehmen.
Gerner: Kann man der Bundesbank einfach so in die Tasche greifen? Gibt es da nicht Unabhängigkeitsregeln?
Koch: Nein, da gibt es gar keine Unabhängigkeitsregeln, wenn Sie so wollen, weil im Gesetzt steht, dass die Bundesbank ihren Gewinn ja an den Bund abliefert. Nur über den reden wir. Er war im letzten Jahr gegenüber dem, was normal geplant ist, und was wir in einem Schuldentilgungsprogramm von 3,5 Milliarden Euro eingeplant haben, fast 11 Milliarden Euro. Das heißt, die ganze Frage kann allein durch den unerwarteten Gewinn, den Hans Eichel allein in diesem Jahr verbucht hat, schon in eine ordentliche Finanzierung gebracht werden. Und das ist nur ein Element. Insofern ist das weder eine Frage der Unabhängigkeit noch eine Frage der Verfügbarkeit des Geldes. Dieses Geld ist übrigens heute schon da, während das andere spekulativ in die Frage der Wirtschaft des nächsten Jahres gestellt wird.
Gerner: Wir reden aber bei der Verschiebung der Steuerreform und bei der Bundesbank über einstellige Milliardenbeträge. Allein Sachsen meldet jetzt schon 15 Milliarden an. Kommen wir an einer Belastung der Bürger langfristig herum?
Koch: Ich bin dafür, dass wir im Augenblick einen Betrag, wie die Bundesregierung ihn vorgestellt hat, mal nehmen und zur Verfügung stellen und dann die Regeln auch schaffen. Die 15 Milliarden Euro beinhalten auch vieles an Versicherungsleistungen, an Dingen, die wir bei allem Bedauern nicht ersetzen können. Was die Anforderung an den Staat ist, wird man sehen müssen. Unstreitig in Deutschland ist, dass wenn wir zwischen sechs und sieben Milliarden Euro zur Verfügung stellen, wird nichts, was den Wiederaufbau beschleunigen kann, aufgehalten, sondern alles möglich gemacht. Auch dieses Geld wird nur in einigen Jahren und nicht in einigen Monaten abfließen. Also da, glaube ich, ist im Augenblick nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist: Schafft man das im normalen Bewirtschaften eines Haushalts, oder nimmt man das als einen Vorwand, um Steuersenkungen zu verschieben und damit, jedenfalls im deutschen Mittelstand, eine, wie wir finden, unvertretbar dramatische Entwicklung einzuleiten.
Gerner: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio