Archiv


Union will über Abschaffung der Eigenheimzulage reden

Die Union setzt zur Realisierung ihres Zehn-Punkte-Programms auf den Reformgipfel mit Bundeskanzler Schröder. Er gehe davon aus, dass das Treffen am kommenden Donnerstag zu einem konstruktiven Ergebnis führen werde, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Ronald Pofalla. Dazu sei man auch bereit, eigene Positionen zu überdenken. Vorstellbar sei etwa, dass beim Thema Unternehmenssteuerreform auch über die Abschaffung der Eigenheimzulage geredet werde.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Ein Brief und seine Folgen. Mitte kommender Woche also das Reformspitzentreffen von Regierung und Opposition. Am runden Tisch im Kanzleramt die Brieffreunde Schröder, Merkel und Stoiber und auch Joschka Fischer ist geladen. Nur die FDP bleibt draußen vor der Tür. Ein Gipfeltreffen mit gewissem Risiko für alle Seiten. Niemand kann sich ernsthaft ergebnislose Gespräche leisten. Angesichts von über fünf Millionen Menschen ohne Job erwartet die Öffentlichkeit handfeste Ergebnisse und keine politischen PR-Manöver. Doch die Aussichten auf einen gemeinsamen Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit sind eher trübe. Es droht das übliche Hickhack gegenseitiger Schuldzuweisungen. Schon heute im Bundestag die Abstimmung über den Pakt für Deutschland. Rot-Grün wird die Unionsvorschläge aller Voraussicht nach ablehnen. Ein Konsens rückt damit in weite Ferne. Warum also überhaupt ein Gipfeltreffen? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit dem CDU-Fraktionsvizechef Ronald Pofalla. Guten Morgen Herr Pofalla!

    Ronald Pofalla: Guten Morgen Herr Heinlein.

    Heinlein: Warum will die Union den Kanzler retten?

    Pofalla: Die Union will nicht den Kanzler retten; die Union will, dass angesichts von über 5,2 Millionen registrierten Arbeitslosen in Deutschland, einem zurückgehenden Wachstum in Deutschland und eines vermutlich wieder in diesem Jahr verfassungswidrigen Haushaltes die größte Oppositionsfraktion sich jetzt nicht zurücklehnen kann. Wir haben eine staatspolitische Verantwortung und diese staatspolitische Verantwortung heißt, dass wir jetzt den Millionen von Menschen in Deutschland zu helfen haben.

    Heinlein: Woher diese plötzliche Erkenntnis? Warum diese offene Brieffreundschaft um das Gipfeltreffen? Reicht es nicht, wenn man sich in den Ausschüssen und auch im Bundestag miteinander bespricht? Dieses Gipfeltreffen wirkt doch sehr nach Inszenierung und Wahlkampfgetöse.

    Pofalla: Zunächst einmal begrüßen wir, dass der Bundeskanzler jetzt die beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU für den kommenden Donnerstag eingeladen hat und dass er sich damit ja gegenüber dem SPD-Bundesvorsitzenden und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering durchgesetzt hat. Die Blockade, die Herr Müntefering wollte, weil er keine weiteren Reformen will, die ist jetzt mit der Einladung des Kanzlers aufgehoben. Es war notwendig, die Briefe zu schreiben, und es war notwendig, einzufordern einen Pakt für Deutschland, weil sie ja heute allein im deutschen Bundestag sehen: wenn sie die normalen Ausschuss- und Plenumsberatungen sehen, dann lehnt die SPD einfach alles ab. Unter Herrn Müntefering hat die SPD-Fraktion ja quasi eine Blockadestellung gegen jede weitere Reform eingenommen und es war notwendig, dem Bundeskanzler aufzuzeigen, dass das nicht reicht.

    Heinlein: Welchen Sinn macht in der Tat ein Gipfeltreffen, wenn heute im Bundestag bereits alle Vorschläge der Union von rot/grün abgelehnt werden?

    Pofalla: Daran zeigt sich, welche Strategie Herr Müntefering fährt. Herr Müntefering will heute die Union brüskieren, aber das gelingt ihm nicht, weil natürlich wird am kommenden Donnerstag - und das ist ja die Grundlage des Gespräches - über diesen Pakt für Deutschland und die zehn Punkte, die in diesem Pakt von unserer Seite enthalten sind, gesprochen. Wir haben deutlich gemacht, dass mindestens drei der zehn Punkte umgesetzt werden müssen, nämlich erstens eine deutliche Reduzierung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages von 6,5 auf 5 Prozent. Zweitens muss umgesetzt werden die Einführung und die Möglichkeit, betriebliche Bündnisse zu ermöglichen. Drittens muss es einen erheblichen Bürokratieabbau für den Mittelstand geben. Das wird zwar heute durch die SPD und durch die Grünen im Bundestag abgelehnt, aber nächsten Donnerstag wird darüber geredet und Sie werden sehen, wenn es zu einer Einigung kommt, dass in wenigen Wochen dieselben, die heute ablehnen, dann diesen Reformvorhaben zustimmen.

    Heinlein: Diese Punkte, die Sie genannt haben, sind ja nicht neu. Nehmen wir einen heraus: die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Prozentpunkte. Das kostet Nürnberg - so wurde vorgerechnet - elf Milliarden Euro. Wie soll denn das gegenfinanziert werden?

    Pofalla: Wir haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um zu einem Ausgleich zu kommen. Ich nenne Ihnen nur mal drei Baustellen. Die erste ist der so genannte Aussteuerungsbetrag. Derzeit zahlen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, 6,7 Milliarden Euro direkt in diesem Jahr in den Bundeshaushalt. Aus dem Bundeshaushalt gibt es einen Zuschuss an die Bundesagentur in Höhe von vier Milliarden, so dass es immer noch einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro gibt. Darüber muss geredet werden. Des Weiteren gibt es gesamtgesellschaftliche Aufgaben im Haushalt der Bundesagentur, über die geredet werden kann. Der Umfang beläuft sich auch auf mehrere Milliarden Euro, über die in diesem Zusammenhang geredet werden kann. Schließlich gibt es im nachschulischen Bereich, in der nachschulischen Qualifikation auch noch einen großen Sektor, über den gesprochen werden muss. Die Aufgaben sind alle nötig, aber sie haben bei der Bundesagentur für Arbeit nichts zu suchen.

    Heinlein: Einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung haben Sie nicht genannt, den die SPD gerne hätte: die Abschaffung der Eigenheimzulage. Wird die Union am Donnerstag darüber mit sich reden lassen?

    Pofalla: Die Abschaffung der Eigenheimzulage steht ja zunächst erst mal nicht auf der Tagesordnung. Sollte im Rahmen der Gespräche am kommenden Donnerstag insgesamt über eine Unternehmenssteuerreform gesprochen werden, wird vermutlich auch darüber zu sprechen sein. Die Basis von Überlegungen im steuerrechtlichen Bereich kann aber nur die sein, dass insgesamt es zu einer erheblichen Reduzierung der Unternehmenssteuern in Deutschland kommen muss. Wenn darüber geredet werden kann, kann es von keiner Seite Denkblockaden geben.

    Heinlein: Sie hoffen also darauf, wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Pofalla, dass der Kanzler anders als seine Fraktion und seine Partei Ihre Vorschläge durchaus in Teilen akzeptiert?

    Pofalla: Ich gehe davon aus, weil ansonsten die Einladung des Bundeskanzlers keinen Sinn macht. Er kannte die Basis des Angebotes der beiden Unionsvorsitzenden und die Basis ist der heutige Antrag im deutschen Bundestag. Dieses unterschiedliche Verhalten zwischen rot/grünen Koalitionsfraktionen und dem Bundeskanzler macht deutlich, dass dieser Bundeskanzler auch Gefangener seiner eigenen Fraktionen ist, die ihm nicht mehr ermöglichen, eine hinreichend notwendige Reformpolitik in Deutschland zu betreiben.

    Heinlein: Ist die Union auch Gefangener ihrer eigenen Ideen, oder sind Sie bereit, auch in dem Gespräch Kompromisse zu machen und von dem einen oder anderen Vorschlag abzugehen und umgekehrt Vorschläge von Rot-Grün aufzunehmen?

    Pofalla: Solche Gespräche müssen immer auch die Möglichkeit umfassen, dass die eigene Seite bereit ist, auch an Stellen, die man selber vielleicht nicht für richtig erachtet, diese Positionen aufzugeben, um etwas Gesamtes in der Sache zu bewirken. Wenn unter dem Strich etwas Sinnvolles aus diesen Gesprächen heraus kommt und wir dieses Ergebnis für richtig halten, dann sind wir durchaus auch bereit, eigene Positionen, die wir bisher eingenommen hatten, zu hinterfragen und möglicherweise hinten anzustellen.

    Heinlein: Steckt dahinter, Herr Pofalla, insgesamt eine neue Strategie der Union, ein neuer Kurs der konstruktiven Opposition an Stelle der bisherigen Blockadepolitik im Bundesrat?

    Pofalla: Ich widerspreche jetzt erst mal, dass es bisher eine Blockadepolitik gab.

    Heinlein: Das habe ich erwartet!

    Pofalla: Alle großen Reformvorhaben sind mit der Union im Bundestag und im Bundesrat beschlossen worden, aber wir haben in der Tat jetzt eine Änderung. Nur die bezieht sich auf einen anderen Punkt. Die Änderung ist, dass die rot-grüne Regierungskoalition, also die beiden Fraktionen im Bundestag, weitere Reformvorhaben blockieren und wir jetzt in der Tat unter Umgehung dieser beiden Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen dem Kanzler ein Angebot machen mussten, damit in Deutschland mehr passiert. Das ist in der Tat das Neue, dass wir jetzt sozusagen über den Kanzler die Blockade der rot-grünen Koalitionsfraktionen im deutschen Bundestag versuchen zu beheben.

    Heinlein: Und umgekehrt, wenn die Gespräche dann am Donnerstag scheitern, wollen Sie der Regierung die Schuld in die Schuhe schieben?

    Pofalla: Nein. Wir gehen davon aus - und sonst hätten wir das Angebot so nicht gemacht -, dass diese Gespräche zu einem konstruktiven Ergebnis führen, so dass wir uns über diesen Fall, den Sie angesprochen haben, gar nicht zu unterhalten haben. Wir glauben, dass wir jetzt in einem sehr kurzen Zeitkorridor die Möglichkeit haben, Deutschland noch einmal zu verändern, weil wir erhebliche Veränderungsnotwendigkeiten bei steigender Massenarbeitslosigkeit und zurückgehendem Wachstum haben. Wir haben eine staatspolitische Verantwortung, der wir uns stellen!

    Heinlein: Eine kurze Frage noch, Herr Pofalla. Einen Verlierer des Jobgipfels gibt es bereits: Guido Westerwelle. Er ist nicht dabei. Hätten Sie die FDP gerne mit dabei am Tisch gehabt?

    Pofalla: Es gibt ja den gemeinsamen Brief der beiden Unionsparteivorsitzenden und in der Opposition gibt es keine Koalition. Da muss jeder für sich selber sorgen. So gesehen ist die Einladung des Kanzlers an die beiden Parteivorsitzenden der Union konsequent, weil ja auch nur diese den Brief geschrieben haben.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen CDU-Fraktionsvize Ronald Pofalla. Herr Pofalla, vielen Dank und auf Wiederhören!

    Pofalla: Danke schön!