Meurer: Loben Sie Franz Müntefering für seinen Mut, vor der Wahl von Steuererhöhungen zu reden?
Kauder: Das ist ein weiterer Tiefschlag für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch schon der Satz, der Staat braucht mehr Geld, die Bürger weniger, zeigt doch, dass hier sozialistisches Gedankengut neu aufbereitet wird. Wir brauchen mehr Geld für die Bürger, damit der Konsum läuft. Also, diese Regierung ist wirklich miserabel beraten.
Meurer: Nun hat es über das Wochenende eine Reihe von Stimmen und Berichten gegeben, wonach in der Union Bedenken herrschen, ob es denn wirklich eine kluge Entscheidung ist, einen Untersuchungsausschuss Wahlbetrug einzuberufen. Wie klug ist diese Entscheidung?
Kauder: Es gibt tatsächlich die ein oder andere Stimme, aber es ist völlig in Ordnung, dass wir das nicht durchgehen lassen, was bei der letzten Bundestagswahl gemacht wurde, dass die Menschen angelogen wurden. Es gibt Hinweise darauf, dass die Bundesregierung genau gewusst hat, wie die Lage ist, es aber verschwiegen hat, um die Wahl zu gewinnen. Mit so etwas darf man in der Demokratie nicht durchkommen. In Frankreich wird so etwas beispielsweise mit Strafe bedroht, und wir wollen jetzt im Untersuchungsausschuss mal nachfragen, was genau die Bundesregierung gewusst hat und wie sie vor allem auch das Parlament hinter das Licht geführt hat, wo sie noch vor den Wahlen den Haushalt eingebracht hat.
Meurer: Nun soll es gerade in Ihrem Heimatverband in Baden Württemberg, Herr Kauder, im Landesvorstand mehrere kritische Stimmen gegeben haben und es war davon die Rede, dass Roland Koch die Parteivorsitzende regelrecht erpresst habe. Wer hat denn wirklich das Sagen in dieser Frage, Roland Koch oder Angela Merkel?
Kauder: Angela Merkel ist die Vorsitzende der Union und auch der Fraktion und sie hat im Präsidium vorgeschlagen, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Sie hat also auch das Sagen, und wir werden diesen Untersuchungsausschuss auch zum Erfolg führen. In einer großen Volkspartei gibt es natürlich auch immer unterschiedliche Positionen, aber ich bin sicher, dass die Bundestagsfraktion heute Abend diesen Untersuchungsausschuss beschließen wird.
Meurer: Wie wichtig war denn das Drängen von Roland Koch für die Entscheidung?
Kauder: Also, wenn eine Partei, die sich im Wahlkampf befindet, wie in Hessen oder auch in Niedersachsen, einen Wunsch hat und der Wunsch auch begründet ist, dann wird man einer Partei, einer Landespartei natürlich auch diesen Wunsch erfüllen. Das war ein Punkt, dass Roland Koch diesen Untersuchungsausschuss für richtig gehalten hat, aber auch wir, Angela Merkel und ich, haben die Sache ja schon überprüft gehabt und haben, vor allem nach den Aussagen von Oswald Metzger, dem früheren grünen Haushaltsexperten, festgestellt, dass hier doch in der Bundesregierung ein Betrug vorbereitet worden ist.
Meurer: Nun kann sich aber der Wähler doch selbst ein Bild machen. Was soll da noch ein Untersuchungsausschuss?
Kauder: Ja, der Wähler kann sich sicher ein Bild machen, aber es geht auch darum, ob ein Bundesfinanzminister und ein Bundeskanzler vor dem Bundestag die Wahrheit gesagt haben oder nicht. Wir hatten immerhin auf Drängen der rot-grünen Regierungskoalition noch wenige Tage vor der Bundestagswahl eine Sondersitzung im Deutschen Bundestag. Der Haushaltsplan 2003 wurde vorgetragen und eingebracht, und da wurde mehrfach betont, dass es keine wirtschaftlichen Probleme gebe, die Haushaltslage okay sei, kein blauer Brief drohe, alles in Ordnung sei. Zu diesem Zeitpunkt hat Herr Eichel sicher schon gewusst, was los ist. Dann hätte er den Bundestag angelogen und was das bedeutet kann sich sicher jeder selbst ausmalen.
Meurer: Wie groß ist die Gefahr, Herr Kauder, dass der Ausschuss sozusagen zum Bumerang wird, nach dem Motto, in ein paar Monaten heißt es dann: Die Union blickt ja nur zurück und hat ihre Wahlniederlage nicht verkraftet?
Kauder: Wir haben unsere Wahlniederlage sehr wohl verkraftet. Wir haben uns auf vier Jahre Opposition eingestellt. Wir formulieren Alternativen. Im Bundesrat haben wir Alternativen eingebracht. Das geht jetzt in den Vermittlungsausschuss. Wir wollen jetzt Lösungen finden. Aber dieser Untersuchungsausschuss könnte dazu beitragen, dass in Zukunft so etwas nicht mehr passiert. Die nächste große Wahlniederlage steht ja vor der Tür, wenn ich nur an die Äußerungen zu einem möglichen Einsatz in einem Irak-Krieg denke oder was jetzt gerade mit den Panzern stattfindet. Also, diese Bundesregierung hat vor der Bundestagswahl schlicht und einfach alles getan, die Menschen zu täuschen. Keine Steuererhöhungen. Jeden Tag eine neue Steuererhöhung in der Diskussion und in Beschlussvorlagen. Nein, nein, der Untersuchungsausschuss kann schon zeigen, was diese Regierung wirklich gemacht hat und was eben in Zukunft nicht mehr passieren darf. Insofern ist der Ausschuss auch in die Zukunft gerichtet.
Meurer: Mal angenommen, die Union käme jetzt an der Regierung dran: Was würden Sie denn bei leeren Kassen machen?
Kauder: Also, wir würden zunächst einmal den Menschen Mut machen. Aufbruchstimmung ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir würden den Menschen sagen: Ihr müsst im Konsum Möglichkeiten haben, geringfügige Beschäftigung nicht nur für haushaltsnahe Tätigkeiten, sondern grundsätzlich, weil dies den Konsum ankurbelt. Wir würden nicht jeden Tag von neuen Steuererhöhungen sprechen, sondern der Wirtschaft eine Perspektive geben. Eine grundlegend anders angelegte Politik würden wir machen. Das würde dem Land helfen, aber die Regierung hat nun für vier Jahre das Mandat bekommen und wir müssen sie kontrollieren und treiben und eben versuchen, in dem ein oder anderen Fall das Schlimmste zu vermeiden. Ich hoffe, dass wir eine erneute Mehrwertsteuererhöhung, wie sie Müntefering vorschlägt, verhindern können. Wir brauchen nicht mehr Staat, sondern weniger.
Meurer: Wie ehrlich ist die Union, wenn sie vor der Wahl Versprechungen über ein milliardenschweres Familiengeld gemacht hat? Und es heißt auch die Unionsfinanzminister seien doch im Bilde über die Finanzlage gewesen.
Kauder: Wir haben immer erklärt, das ist unser Programm, aber es steht unter Finanzierungsvorbehalt. Wir haben immer gesagt, dass wir die genaue Situation des Bundeshaushalts nicht kennen. Wir müssen erst einen Kassensturz machen. Eichel hat, nachdem die Wahl für Rot-Grün gewonnen war, erklärt, er müsse erst einen Kassensturz machen, um zu schauen, wie es wirklich aussieht. Dies ist natürlich eine absolute Lachnummer, wenn ein amtierender Finanzminister nach einer Wahl erklärt, er muss erst Kassensturz machen. Wir haben immer unser Programm unter Finanzierungsvorbehalt erklärt. Dann hätten wir eben erst einmal in die Kasse hineingeschaut, wie es aussieht, und dann hätten wir schon Vorschläge gemacht, wie man aus dem Tief wieder herauskommt. Mit mehr Steuern wird es auf jeden Fall nicht besser. Das kurbeln wir die Wirtschaft nicht an.
Meurer: Für Linderungen der Finanzen, zum Beispiel bei den Ländern, soll die Vermögenssteuer sorgen, Herr Kauder. Wird die Union im Bundesrat die Vermögenssteuer billigen, wenn jedes Land selber entscheiden kann, ob es sie einführt oder nicht?
Kauder: Die Bundesländer wollen schon immer mehr Kompetenzen auch bei Steuergesetzen haben und jetzt könnte sich die Gelegenheit bieten, dass der Bund erklärt, er verzichtet auf eine Regelung bei der Vermögenssteuer und die Kompetenz an die Länder gibt, und dann kann ja jedes Land selbst entscheiden, ob es die Vermögenssteuer einführt. Dies ist ein Prinzip im Wettbewerbsföderalismus, den wir bejahen. Da könnte ich mir also vorstellen, dass wir die Kompetenz an die Länder geben, aber für eine bundesweite Einführung der Vermögenssteuer wird es keine Stimmen der Union geben, und in den Ländern, wo die Union regiert, wird es auch keine Erhebung der Vermögenssteuer geben. Insofern kann ich nur sagen: Auch diese Diskussion, die von SPD-regierten Ländern angetrieben wird, schadet unserem Wirtschaftsstandort.
Meurer: Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder bei uns in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk. Herr Kauder, besten Dank und auf Wiederhören.