Heinlein: Herr Lippold, was erwarten Sie heute von Ministerin Künast?
Lippold: Sie wird ihre Desinformationspolitik fortzusetzen versuchen. Sie haben völlig zurecht angesprochen, dass sie bereits vom Ende des Skandals und zwar sehr vorschnell gesprochen hat. Sie wollte als Macherin dastehen. Sie hat Sachverhalte nicht zur Kenntnis genommen oder ignoriert, die ganz eindeutig Hinweise darauf geben, dass die Aufklärung bislang nicht hinreichend war. Jetzt wird sie wieder Ablenkungsmanöver versuchen, um davon abzulenken. Ich halte das für falsch, aber für viel entscheidender halte ich in diesem Zusammenhang, dass sie es seit ihrem Amtsantritt nicht verstanden hat, ihr Haus in den Griff zu bekommen, Informationswege zu schaffen, auf denen Informationen in solchen dringenden Fällen sicher und äußerst schnell transportiert werden. Sie hat bei der Amtsübernahme von Herrn Funke, der deshalb gehen musste, weil er das nicht gepackt hat, vollmundige Versprechungen gemacht. Bereits beim nächsten Skandal, als wir damals die Antibiotika in den Schrimps hatten, hat sie erkennen lassen, dass sie offensichtlich das Haus nicht im Griff hatte. Sie hat damals die Verantwortung auf zwei Beamte abgeschoben. Bis heute gibt es keine funktionierenden Informationsstränge. Die Unternehmen unterhalten sich, die nachgeordneten Behörden unterhalten sich und ganz offensichtlich soll nichts nach oben gedrungen sein. Das ist ein unmöglicher Zustand!
Heinlein: Herr Lippold, Desinformationspolitik haben Sie gesagt. Das ist ein hartes Wort. Glauben Sie, dass Renate Künast bewusst die Öffentlichkeit nicht richtig informiert?
Lippold: Sie lenkt ab vom eigenen Versagen. Sie geht nicht auf den Kern des Problems, sondern sie versucht immer wieder neue Schuldige zu finden. Sie spricht von der alten Agrarlobby, die in diesem Falle ihre Hände in diesem Part nun wirklich nicht drin hat. Das ist ein plumpes Ablenkungsmanöver. Sie hat versucht, eine Verbindung herzustellen, dass das ganze zu tun hätte mit dem Verbraucherinformationsgesetz. Jeder weiß, dass das absolut nicht der Fall ist. Und im zuständigen Ausschuss, als wir sie mehrfach darauf aufmerksam gemacht haben, dass sie in diesem Falle fehlinformiert, ist sie erst gar nicht darauf eingegangen, weil sie wusste, dass dort Fachleute sitzen, aber draußen versucht sie es immer wieder.
Heinlein: Aber Fachleute gibt es ja auch bei den Naturschutzverbänden und den Verbraucherzentralen. Diese waren durchaus zufrieden mit dem Verbraucherinformationsgesetz. Die Union hat im Bundesrat das Gesetz scheitern lassen und noch nicht einmal den Vermittlungsausschuss angerufen. Warum eigentlich?
Lippold: Ganz einfach! Wenn Sie sehen, dass das Verbraucherinformationsgesetz enorm schwere Hürden an den Verbraucher stellt, überhaupt an Informationen zu kommen, an qualifizierte Informationen zu kommen. Bis er die, wenn es nach diesem Gesetz geht, erhält ist so viel Zeit vergangen, dass er sie eigentlich gar nicht mehr brauchen und nutzen kann. Das ist etwas, was sich nicht so einfach reparieren lässt. Das muss grundlegend neu gemacht werden. Im übrigen steht ja auch der Bundesregierung offen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Wenn sie es nicht tut zeigt das ganz deutlich, dass sie in der Frage keine gute Meinung vom eigenen Gesetz haben. Sie haben es ja auch mehrfach, wenn ich die Ursprünge sehe, was Frau Künast eigentlich mal vorgelegt hatte, auf den Kopf gestellt im Kabinett. Nein, das ist mit heißer Nadel gestrickt und das ist für den Verbraucher nicht die Hilfe, die ich für dringend erforderlich halte.
Heinlein: Fühlen Sie sich eigentlich bestätigt durch diesen Nitrofen-Skandal? War es falsch von rot/grün, auf die Agrarwende zu setzen und vor allem die alternative Landwirtschaft zu fördern?
Lippold: Ich glaube, dass das weitaus überzogen war, und ich stehe ja mit meiner Kritik nicht alleine. Wenn ich mich recht erinnere, hat der niedersächsische Landesminister Bartels ja ich glaube in der Osnabrücker Zeitung gesagt, einseitige Grünen-Politik nach dem Motto "Öko ist gut und sicher und konventionell ist weniger gut und sicher" schon immer ein Trugschluss gewesen war. Ich meine, er hat Recht mit dieser Frage und auch sein sozialdemokratischer Kollege und früherer Minister in Nordrhein-Westfalen Farthmann hat ja in die gleiche Kerbe geschlagen und hat gesagt, diese einseitige Politik ist nicht richtig, sie muss korrigiert werden. Wenn selbst Sozialdemokraten das für richtig halten, was wir in der Union vertreten, liegen wir ja wohl nicht ganz so falsch.
Heinlein: Glauben Sie denn, dass von diesem Nitrofen-Skandal die konventionelle Landwirtschaft nicht betroffen ist?
Lippold: Die gesamte Landwirtschaft ist betroffen und deshalb finde ich den Vorgang ja so höchst bedauerlich, auch die mangelnde Aufklärung in diesem Fall.
Heinlein: Aber dann gibt es doch keinen Grund, jetzt auf die Agrarwende zu schimpfen und die Ökobetriebe an den Pranger zu stellen?
Lippold: Dazu muss ich natürlich auch sagen: wenn ich jetzt sehe, wie die Informationspolitik eines Teils der Betriebe gelaufen ist, dann hat man Informationen gegenseitig hin- und hergeschoben, aber nicht an die Behörden weitergegeben. Sie müssen natürlich auch eins sehen: Seitens zum Beispiel Naturland ist ja ganz deutlich immer der hohe Anspruch der Ökobetriebe herausgestellt worden. Als jetzt dieser Vorgang kam, haben sie ganz einfach gesagt, ach Gott, wir haben nie behauptet, dass unsere Produkte rückstandsfrei sind. Wissen Sie, so kann man einfach nicht mit den Verbrauchern umspringen: erst den Anschein erwecken, hier sei die völlig heile Welt, und dann hinterher sagen, mit dem Skandal haben wir nichts zu tun, wir haben nie den Anschein erwecken wollen, als ob unsere Produkte rückstandsfrei waren. Da muss ich den Betreffenden einen ganz erheblichen Vorwurf machen. Und auch der Sachverhalt zu sagen, wir kümmern uns nur um den Prozess, aber nicht um das Ergebnis des Prozesses, wie eine weitere Sprecherin aus diesem Bereich dargestellt hat, also das ist nicht der Punkt von Eigenverantwortung, wie ich ihn für richtig halte.
Heinlein: Heute Morgen hier im Deutschlandfunk der Unionsfraktionsvizechef Klaus Lippold. - Herr Lippold, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio