Montag, 29. April 2024

Archiv


Unionsbundestagsfraktion will "Wehrpflicht noch aufrechterhalten"

Künftig nur noch 165.000 Soldaten: Da ist für den verteidigungspolitischen Sprecher der Union die "absolute Untergrenze". Die Fraktionsmehrheit sei auch für die Wehrpflicht, sagt Ernst-Reinhard Beck - der Verteidigungsminister wird viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

25.08.2010
    Stefan Heinlein: Verkleinerung der Bundeswehr und Aussetzung der Wehrpflicht, das ist der Kern der Reformvorschläge des Verteidigungsministers. Verschiedene Modelle sind noch im Gespräch und noch gibt es keine endgültige Festlegung und die Kanzlerin will vor einer Entscheidung erst die Diskussion bis zu den Parteitagen im Herbst abwarten. Sicher ist: Karl-Theodor zu Guttenberg muss noch eine ganze Menge Überzeugungsarbeit leisten. Die Frontlinie im Streit um die Bundeswehrreform geht mitten durch die eigenen Reihen. Freund und Feind bringen sich in Stellung und sammeln die Bataillone. – Mit dabei an vorderster Front ist der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU). Guten Morgen, Herr Beck.

    Ernst-Reinhard Beck: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Karl-Theodor zu Guttenberg hat Sie Anfang der Woche persönlich informiert über seine Pläne. Hat er Sie denn überzeugen können von der Notwendigkeit der Aussetzung der Wehrpflicht?

    Beck: Davon hat er mich nicht überzeugen können, aber überzeugt bin ich wie der Minister natürlich auch von der Notwendigkeit einer Reform der Bundeswehr, einer Strukturreform, und da ist ja die Frage der Wehrpflicht nur eine der Fragen, die wir uns stellen müssen.

    Heinlein: Heißt das, Sie wollen die allgemeine Wehrpflicht beibehalten und nicht aussetzen?

    Beck: Ich möchte sie beibehalten und nicht aussetzen, weil sie sich in wesentlichen Punkten bewährt hat. Die Argumente pro und kontra sind seit Jahren ausgetauscht und ich meine, es sind keine neuen dazugekommen.

    Heinlein: Wie groß sind denn die Bauchschmerzen insgesamt in Ihrer Fraktion mit Blick auf die Guttenberg-Pläne?

    Beck: Ich möchte zunächst mal sagen, dass das Positive an der Geschichte ist, dass der Verteidigungsminister diese Frage jetzt mutig angepackt hat, weil es in der Tat ja nicht sein kann, dass bei 250.000 Soldaten wir Schwierigkeiten haben, einen Einsatz wie in Afghanistan mit 4- bis 5000 Soldaten zu schultern. Da muss in der Struktur etwas verändert werden, die Streitkräfte müssen effizienter werden und es müssen natürlich auch noch eben verkrustete Strukturen, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, abgebaut werden. Das ist für mich die eine Baustelle.
    Die andere ist die Frage: Wie hoch etwa muss der Personalansatz sein, um die Gefahrenabwehr auch nachhaltig organisieren zu können, und das ist für mich der beinahe wichtigere Punkt in der Frage, was braucht eine moderne Bundeswehr, was braucht die Bundesrepublik Deutschland zur Gefahrenabwehr, und da sind für mich die 165.000, die jetzt im Augenblick in der Diskussion sind, die absolute Untergrenze. Ich meine, dass wir sogar wesentlich mehr brauchen.

    Heinlein: Jetzt haben Sie sich, Herr Beck, um die Antwort auf meine Frage gedrückt. Deswegen stelle ich sie noch einmal. Wie viele in der Union sind für die Aussetzung der Wehrpflicht und wie viele dagegen? Haben Sie einen Überblick als verteidigungspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion?

    Beck: Ich bin da kein Hellseher, lieber Herr Heinlein, aber ich glaube, dass da nun, wenn ich mir so die Stimmungslage angucke – ich habe dort ja eine der letzten Fraktionssitzungen -, durchaus noch eine Mehrheit in der Fraktion, aber auch eine Mehrheit in unserer Partei, das bewährte Muster der allgemeinen Wehrpflicht noch aufrechterhalten möchte.

    Heinlein: Das klingt nicht gut für Karl-Theodor zu Guttenberg. Er muss also noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Hat er denn gute Argumente aus Ihrer Sicht?

    Beck: Er hat natürlich ein ganz wesentliches Argument, dass er sagt, es ist die Frage, wie wir eine moderne Bundeswehr organisieren, die beides kann, sowohl die entsprechende Fähigkeit, bei Krisenprävention weit ab von unseren Grenzen effektiv zusammen mit unseren Bündnispartnern zu agieren, und gleichzeitig eben – und das scheint mir auch das wichtige zu sein für die allgemeine Wehrpflicht – im Grunde die Sicherheitsvorsorge im Sinne von Heimatschutz oder vom Schutz Deutschlands und seiner Bürger nicht zu vernachlässigen. Das ist eine schwierige Aufgabe und da, glaube ich, hat er also auch alle Unterstützung notwendig.

    Heinlein: Herr Beck, es fällt auf in der Diskussion, dass vor allem die älteren Semester so wie Sie in der Union die Beibehaltung der Wehrpflicht befürworten. Viele jüngere Christdemokraten haben anscheinend keine oder nicht so große Schwierigkeiten mit der Aussetzung. Ist das so eine Art Generationenkonflikt auch gerade innerhalb Ihrer Partei?

    Beck: Ich stelle auch fest, dass viele Mitglieder der Jungen Union gerade durchaus ein Interesse daran haben, die Wehrpflicht nicht aufzugeben. Aber Sie haben sicher Recht, dass bei der Generation der 45plus oder auch 50plus natürlich die eigene Erfahrung mit der Wehrpflicht oder mit dem eigenen Dienst – viele sind ja auch Reservisten -, dass die natürlich von ihrer biografischen Rolle her durchaus einen anderen Bezug haben zur Frage der Wehrpflicht als etwa Generationen, die nur zu 18 bis 20 Prozent dann noch zur Wehrpflicht herangezogen werden.

    Heinlein: Sind das auch Ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit, die Erfahrungen des Kalten Krieges, der Blockkonfrontation und die Erfahrung, dass sich Sicherheitslagen eben auch rasch verändern können?

    Beck: Das ist, glaube ich, eines der entscheidenden Dinge. Wer hätte im Frühjahr des Jahres '89 damit gerechnet, dass wir heute eine Situation haben, dass ehemalige Sowjetrepubliken Mitglieder der NATO sind. Manche Dinge ändern sich natürlich in diesem Feld relativ schnell und darum sage ich auch, wir müssen schon sehr darauf achten, dass wir Strukturen, die wir für zukünftige Gefährdungslagen möglicherweise noch brauchen, dass wir diese Strukturen nicht vorzeitig aufgeben. Das ist auch mit eines der Argumente, wo wir uns überlegen müssen, dass die Wehrpflicht eben zu diesen Strukturen gehört. Einmal ausgesetzt, meine ich, ist sie nicht mehr auf die Schnelle, wenn überhaupt, in absehbarer Zeit dann nicht mehr zu rekonstruieren.

    Heinlein: Wie beurteilen Sie, Herr Beck, die Rolle der Kanzlerin in dieser Diskussion? Sie hat ja wörtlich gesagt, sie wolle die Debatte um die Bundeswehrreform konstruktiv begleiten. Heißt das übersetzt, sie will die Debatten abwarten und dann ihr Fähnchen in den Wind hängen?

    Beck: Das glaube ich nicht, sondern ich habe da sehr wohl noch im Ohr, was die Kanzlerin bei der Vereidigung unserer Soldaten vor dem Reichstag gesagt hat, bei ihrer wirklich beeindruckenden Verteidigungsrede, wo sie gesagt hat, dass sie eine Anhängerin der allgemeinen Wehrpflicht ist, dass sie dafür steht. Ich meine, sie hat jetzt eine Doppelrolle. Sie ist jetzt Regierungschefin einer Koalition, wo der eine Partner natürlich, die FDP, die Wehrpflicht abschaffen will. Sie ist auf der anderen Seite CDU-Vorsitzende und ich glaube, dass sie klug beraten ist, natürlich sich auch sehr klug verhält, dass sie auch diese Diskussion, die in der CDU natürlich eine emotionale Bedeutung hat, dass sie dort die Dinge nicht vorweg nimmt, sondern mal sagt, jawohl, hier ist innerparteiliche Willensbildung auch angesagt. Wenn die Entscheidungen anstehen, bin ich sicher, dass die Kanzlerin auch entscheidet.

    Heinlein: Ist das tatsächlich klug, Herr Beck, oder ist das vielmehr taktisch motiviert und würden Sie sich vielleicht in absehbarer Zeit ein klares Wort, ein ganz klares Wort von Angela Merkel wünschen, damit Schluss ist mit diesen Debatten?

    Beck: In der Politik ist es ja immer schwierig zu sagen, wann ist Schluss der Debatte. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Kanzlerin und auch die Parteivorsitzende Angela Merkel zum richtigen Zeitpunkt dann sagen wird, wo es langgeht, aber dass sie durchaus jetzt auch auf das hört, was in unserer Partei und was auch in der Fraktion diskutiert wird.

    Heinlein: Und dann muss auch Karl-Theodor zu Guttenberg hören auf die Kanzlerin?

    Beck: Ich denke, ja.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck. Ich danke, Herr Beck, für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Beck: Ich bedanke mich auch, Herr Heinlein. Auf Wiederhören!

    Breite Front gegen zu Guttenberg - Reformpläne zur Bundeswehr und zur Wehrpflicht