Montag, 20. Mai 2024

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60 Jahre Elysée-Vertrag
Unionsfraktion enttäuscht von Scholz-Rede in Paris

Die Unionsfraktion im Bundestag hat die Rede von Bundeskanzler Scholz in Paris zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags als vertane Chance bezeichnet. Der europapolitische Sprecher der Fraktion, Krichbaum, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Scholz habe die Gelegenheit zu einem Neustart im deutsch-französischen Verhältnis verpasst. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Lührmann, dagegen betonte im DLF Gemeinsamkeiten etwa in der Klimapolitik.

23.01.2023
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Festveranstaltung zum 60. Jubiläums des Élysée-Vertrags in der Pariser Sorbonne.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei seiner Rede in Paris gemeinsame Vorhaben mit der französischen Regierung in Sachen EU vorgestellt. (dpa / Michael Kappeler)
    Man arbeite gemeinsam mit Frankreich am klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, sagte die Grünen-Politikerin. Es sei beispielsweise wichtig, Produktionsfirmen für den Bau von Solaranlagen in Europa anzusiedeln. 80 Prozent der Solaranlagen kämen bislang aus China, betonte Lührmann im Deutschlandfunk (Audio-Link). (Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.)

    Scholz: Kein Rückzug ins nationale Schneckenhaus!

    Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron hatten bei einem Treffen gestern angekündigt, sie wollten in der Europäischen Union Reformen vorantreiben. Europa müsse eine selbstbewusstere Rolle in der Welt einnehmen, sagte Scholz in Paris bei einem Festakt zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags. Den gegenwärtigen Herausforderungen könne man nicht mit einem Rückzug ins nationale Schneckenhaus begegnen.
    Man könne sich kein kleines und verzagtes Europa mehr leisten, erklärte der SPD-Politiker. Seine Rede hielt der er in Paris in Teilen auf Französisch. Scholz betonte die Notwendigkeit eines souveränen Europas, für das beide Länder gemeinsam arbeiteten.

    Macron: Deutschland und Frankreich als Pioniere der Veränderungen

    Der französische Präsident Macron forderte von Deutschland und Frankreich eine Vorreiterrolle in Europa. In den Bereichen Energie, Militär sowie Ernährung stünden zwingende Reformen an. Da sei es gut, wenn zwei starke Partner zu Pionieren der Veränderungen würden.
    Im Anschluss an den Festakt wurde der gemeinsame Ministerrat nachgeholt, der im Oktober wegen Unstimmigkeiten kurzfristig abgesagt worden war. Im Mittelpunkt standen die Themen Wirtschaft und Energie sowie Sicherheit und Verteidigung. Lesen Sie hier mehr zu den Ergebnissen des Ministerrates.

    Französische Publizistin Bourgeois: Beziehungen beider Länder weiter im Aufbau

    Die französische Publizistin und frühere Kulturattachée Isabelle Bourgeois sagte im Deutschlandfunk, die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich seien weiterhin im Aufbau, genau wie Europa. Aber sie seien unabdingbar, weil Frankreich und Deutschland fast Gegenmodelle innerhalb Europas seien. Nur wenn beide zusammenfänden, könnten auch andere EU-Staaten Kompromisse schließen. Unterschiede gebe es an vielen Stellen, unter anderem in den politischen Systemen: Föderalismus in Deutschland, Zentralismus in Frankreich. Der Chef habe eine andere Funktion im Unternehmen als in Deutschland. Auch Sitzungsprotokolle seien ganz anders gestrickt in beiden Ländern. Daran seien schon einige Projekte gescheitert.
    Der Élysée-Vertrag und die daraus unter anderem resultierenden 2.500 Städtepartnerschaften seien eine herausragende Entwicklung, die unbedingt weitergeführt werden sollte, sagte Bourgeois. Allerdings fehle es an gegenseitigen tiefgreifenden Kenntnissen der Kultur und Sprache.
    Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag war am 22. Januar 1963 von Frankreichs Präsident de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer im Pariser Élysée-Palast unterzeichnet worden. Der Vertrag gilt als bedeutender Schritt auf dem Weg zur Aussöhnung der einstigen Kriegsgegner.

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    Diese Nachricht wurde am 23.01.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.