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Unionsfraktionsvize mahnt Israel zu militärischer Zurückhaltung

Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff hat Israel mangelnde Kooperation mit den internationalen Truppen im Libanon vorgeworfen. Verletzungen des libanesischen Luftraumes seien nicht hinnehmbar, sagte der CDU-Politiker. Die israelische Zusicherung einer besseren Absprache mit der Deutschen Marine vor der libanesischen Küste hält Schockenhoff für glaubhaft.

Moderation: Dirk Müller | 30.10.2006
    Dirk Müller: Es hat Zeiten gegeben, da haben sich Generäle und Verteidigungsminister mehr Aufmerksamkeit für die Truppe gewünscht. Im Moment ist das wohl nicht so. Kein Tag ohne neue peinliche Skandalfotos deutscher Soldaten in Afghanistan. Kein Tag ohne neue Einzelheiten über das Nahost-Mandat der deutschen Marineeinheiten vor der libanesischen Küste. Die Opposition spricht ganz offen von Lüge, von Täuschung durch die Bundesregierung. Ihre Begründung: Es ist kein robustes Mandat mehr. Hinzu kommen die Meldungen über skurrile Zwischenfälle im Luftraum durch israelische Streitkräfte. Einmal Schüsse über deutschen Schiffen, nun hat ein Jagdbomber offenbar einen Marinehubschrauber bedrängt. War alles nicht so gemeint, sagt der israelische Verteidigungsminister.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Andreas Schockenhoff, stellvertretender Fraktionschef der Union im Bundestag. Er ist ebenfalls seit diesem Wochenende zu Gesprächen in Israel. Guten Morgen!

    Andreas Schockenhoff: Guten Morgen!

    Müller: Herr Schockenhoff, verstehen Sie, was da los ist?

    Schockenhoff: Ich kann mir das erklären, aber es muss abgestellt werden. Es gibt offensichtlich auf israelischer Seite eine panische Angst, dass über den Luftraum Waffen nach Libanon geliefert werden. Es war sogar die Rede davon, dass unbemannte Flugzeuge Waffen dort hineinbringen. Deswegen sind die Israelis bei jeder Flugbewegung aufgestiegen. Aber es ist jetzt von Herrn Olmert gegenüber unserer Delegation zugesagt worden, dass es technische Absprachen gibt, die unmöglich machen, dass beim Ausüben des Mandates der Bundeswehr auch Hubschrauber und so weiter dann nicht erkannt werden, dass es technische Absprachen gibt - so ist es vorher in dem Bericht auch genannt worden -, die unmöglich machen, dass es künftig zu Missverständnissen kommt. Die Entschuldigung, die Herr Olmert uns gegenüber geäußert hat, und die Zusage, dass so etwas künftig nicht mehr vorkommt, haben wir für glaubhaft angesehen.

    Müller: Muss ich noch mal fragen, Herr Schockenhoff, weil viele ja auch daran zweifeln und sich das nicht erklären können: Ist das wirklich eine Erklärung, die glaubwürdig ist?

    Schockenhoff: Ich kann, ich glaube, ich glaube das schon. Also, auf jeden Fall war es eine Entschuldigung und ohne jede Einschränkung und die Zusage, so etwas für die Zukunft zu vermeiden. Deswegen war ein deutliches Wort unsererseits notwendig. Und die Entschuldigung und die Zusage des israelischen Ministerpräsidenten müssen wir annehmen.

    Müller: Jetzt gibt es einige, die sagen: Es ist eine Erklärung, die wir glauben wollen und glauben müssen. Stimmt das?

    Schockenhoff: Also wir, auf jeden Fall muss die Glaubwürdigkeit dieser Entschuldigung jetzt auf den Prüfstand. Es war, der Herr Olmert hat in keiner Weise versucht, die Vorfälle zu beschönigen. Es sind deutliche Worte gefallen. Und die Zusage nehmen wir jetzt beim Wort.

    Müller: Es hat einige Tage gedauert. Warum hat das israelische Militär, die israelische Regierung so lange geschwiegen?

    Schockenhoff: Dafür habe ich keine Erklärung.
    Müller: Zweifeln Sie nun an der Kompetenz des israelischen Militärs?

    Schockenhoff: Nein, ich zweifle nicht an der Kompetenz, aber Israel ist ein Land im Ausnahmezustand. Ich glaube, dass schwieriger noch als diese Vorfälle müssen wir politisch beobachten, dass die Israelis mehrfach über den libanesischen Luftraum geflogen sind. Und auf dem Boden im Libanon führt die UNIFIL-Truppe unser Partner Frankreich, der es nicht hinnehmen kann, dass in einer Operation, für die er die Verantwortung hat, im Luftraum Israelis sich aufhalten. Deswegen müssen wir vor allem auch die Verletzungen des libanesischen Luftraumes durch die Israelis in aller Deutlichkeit ansprechen. Wir sind dort, um das Existenzrecht Israels zu schützen und um Israel in seinen Interessen zu helfen. Deswegen muss Israel sich entsprechend kooperativ verhalten.

    Müller: Herr Schockenhoff, also es ist ja zumindest erstaunlich, dass die israelischen Militärs offenbar große Schwierigkeiten haben mit der Freund-Feind-Erkennung?

    Schockenhoff: Das ist richtig. Bisher haben sie halt jede Luftbewegung kontrolliert. Und deshalb müssen sie sich auf ein kooperatives System einstellen, das unterscheidet und das dann genau ihnen klar macht, wo Luftbewegungen stattfinden, die zu Israels Schutz stattfinden, und wo Luftbewegungen stattfinden, die für sie kritisch sind. Die müssen sie dann an die internationalen Truppen melden.

    Müller: Sind bei diesen Gesprächen gestern - Sie sind ja Teil der deutschen Delegation - klare, deutliche Worte gefallen?

    Schockenhoff: Die Worte waren absolut eindeutig. Und es gab überhaupt keinen Versuch von israelischer Seite, das zu erklären oder es zu beschönigen. Es war ein klares Wort des Bedauerns und die Zusage, dass es nicht mehr vorkommen werde.

    Müller: Herr Schockenhoff, ein anderes umstrittenes Thema ist ja derzeit hierzulande vor allem das Nahost-Mandat der deutschen Marineeinheiten vor der libanesischen Küste. Die Frage: robustes Mandat, ja oder nein? Die Opposition sagt: Alles Lüge, die Bundesregierung habe ein robustes Mandat verkauft, was in Wirklichkeit keines ist. Haben Sie das gewusst, dass das kein robustes Mandat ist?

    Schockenhoff: Nein, das, was dort von der Opposition zurzeit gespielt wird, ist eine Farce. Wir hatten eindeutige Einsatzregeln, die der Bundesmarine erlauben, bis an die Küste jede Schiffsbewegung zu kontrollieren. Das ist auch so. Nach Verabschiedung des Mandats durch den Deutschen Bundestag wurden die Einsatzregeln dann durch Vereinbarungen zur technischen Umsetzung zwischen den Vereinten Nationen und der Regierung in Beirut konkretisiert. Dabei wurde vereinbart, wie das läuft. Es ist auf jedem Schiff ein libanesischer Verbindungsoffizier dabei. Die Bundesmarine kann jede Schiffsbewegung, die sie erkennt, verfolgen, kann das Schiff aufgreifen, kann dem Schiff nacheilen, kann das Schiff auch innerhalb der Sechs-Meilen-Zone kontrollieren.

    Müller: Aus eigener Initiative?

    Schockenhoff: Sie kann es aus eigener Initiative, wenn die Bundesregierung dies, wenn - Entschuldigung -, wenn die Bundeswehr dieses Schiff aufgrund eigener Erkenntnisse ortet. Es kann aber zusätzlich auch auf Anforderung der libanesischen Sicherheitskräfte tätig werden, wenn es keine eigenen Erkenntnisse hat.

    Müller: Herr Schockenhoff, dann haben wir auch einige Dinge falsch verstanden: Das heißt, die Bundeswehr, um in dieser Sechs-Meilen-Zone aktiv zu werden, braucht nicht unbedingt die Zustimmung der libanesischen Regierung?

    Schockenhoff: Nein. Auf den Schiffen ist ein libanesischer Verbindungsoffizier dabei. Die Bundeswehr kann aufgrund eigener Erkenntnisse ein Schiff aufbringen, einem Schiff nacheilen. Es kann aber zusätzlich - ohne eigene Erkenntnisse - auch auf Anforderung der libanesischen Sicherheitskräfte tätig werden. Es funktioniert hervorragend. Wir haben, es gibt keinen einzigen Fall, wo es einen Zweifel gegeben hätte. Wir haben im Übrigen ein großes Interesse daran, die libanesischen Sicherheitskräfte so früh wie möglich in die Lage zu versetzen, das aus eigenen Fähigkeiten leisten zu können, also irgendwann auch unsere Soldaten dort wieder abziehen zu können.

    Müller: Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff war das. Vielen Dank für das Gespräch. Auf Wiederhören nach Israel.