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Unistress am Tropencampus

Tausende Touristen locken die paradiesischen Strände Balis jährlich an. Es gibt aber auch ein paar Deutsche, die nicht zum Baden, sondern zum Studieren hierher kommen. Büffeln im Paradies.

Von Torsten Thierbach | 21.04.2011
    Saftig-grüne Kokospalmen, malerische Reisterrassen und paradiesisch weiße Sandstrände. Die indonesische Insel macht Urlaubsträume wahr. Doch seit 1999 kommen nicht nur Hunderttausende Touristen, sondern auch deutsche Studenten auf die Insel der Götter und Dämonen. Im aktuellen Sommersemester sind es mehr als 200, die sich an der hiesigen Udayana Universität eingeschrieben haben. Sie büffeln hier Internationales Business Management.

    "Studieren auf Bali, das sei doch wie ein entspannter Surfurlaub" hatten Freunde noch ihre Witze gemacht. Doch die Realität sieht anders aus, weiß inzwischen auch BWL-Studentin Andrea Skirl aus Berlin:

    "An unserem ersten Tag mussten wir Fingerabdrücke abgeben. Und das dient dem, dass wir – wenn wir vormittags an die Uni gehen - einen Eincheck-Fingerprint abgeben müssen. Und uns wurde gesagt, dass damit gewährleistet werden soll, dass wir Studenten wirklich an der Universität waren."

    Drei Viertel aller Lehrveranstaltungen sind Pflicht. Wer öfter fehlt wird nicht zur Abschlussprüfung zugelassen. Das Auslandssemester war dann umsonst. Doch die Vorzüge Balis liegen eben auch nur einen Steinwurf weit vom Campusgelände entfernt: smaragdgrünes Meer samt passendem Freizeitangebot für ein Taschengeld. Deshalb gilt: Konzentration aufs Wesentliche. Denn die Tropen-Uni stellt hohe Ansprüche. Andrea zum Beispiel soll bereits in ihrer zweiten Woche die finanzielle Entwicklung eines fiktiven Airport-Hotels darstellen. Und das bringt die Berlinerin ordentlich ins Schwitzen:

    "So sind manche Texte einfach so gehoben, dass man sich wirklich erst reinlesen muss, dann zuhause noch mal ein paar Wörter nachschlägt."

    Aber nicht nur fachlich sollen die Studenten aus Deutschland gut voran kommen: die Dozenten wollen auch Kultur und Traditionen der Inselwelt vermitteln. Deshalb steht jeden Donnerstag eine Exkursion auf dem Plan: Tempelfeste, Vulkanbesteigungen und Touren durch den Regenwald. Eine gute Gelegenheit sich besser kennenzulernen, findet Felix Behringer. Er studiert Sportmanagement an der Uni Potsdam:

    "Es ist nicht so zwanghaftes Vermitteln von Wissen, sondern die Dozenten interessieren sich auch für einen selber, wollen auch was über dich erfahren, fragen auch immer nach den Namen."

    Glaube und die Suche nach Erkenntnissen – auf Bali knüpfen sie eine enge Bande. Vor einem der Uni-Gebäude zum Beispiel wacht Ganesha, ein Hindu-Gott. Die Balinesen verehren ihn als Herr der Wissenschaften und Geschäftsleuten ist er Schutzpatron. Wer darüber nur lachen kann, wird die südostasiatischen Märkte nie begreifen, das sagt Professor Stephan Passon von der Fachhochschule Dortmund. Er hat den Studiengang Internationales Business Management hier auf Bali aufgebaut.

    "Das heißt nicht, dass der Student nachher hier in Indonesien oder Südostasien arbeiten soll. Er wird damit sensibel, dass in Schwellenländern doch viele Dinge anders sind. Und damit haben wir dann schon etwas erreicht, die Sichtweise ändert sich."

    Die Freundlichkeit und Offenheit der Balinesen, sie steckt einfach an,
    erzählt Andrea:

    "Man hat das Gefühl, dass die Menschen hier glücklich sind. Also, ich merke, dass ich auch mehr strahle. Kommt dann natürlich ab und an das Heimweh durch. Jeder hat mal eine schwierige Stunde. Wir wohnen hier derzeit zu elft. Da hat man dann auch immer Ablenkung, wenn man das möchte."

    Für Ablenkung sportlicher Art hat auch Felix von der Potsdamer Uni gesorgt. Eine Begegnung auf dem Campusgelände brachte den Hobbyfußballer auf eine ehrgeizige Idee:

    "Und da steht ein Balinese, da hab ich gefragt, ob er dann auch gerne Fußball spielt. Und so ist es dann zustande gekommen, dass wir jetzt ein Turnier veranstalten, Deutschland gegen Indonesien, quasi ein kleines Fußballturnier."

    Das Auslandssemester auf Bali wird in der Regel problemlos von den
    deutschen Unis anerkannt. Aber nur fachbezogene Scheine werden auch
    angerechnet. Deshalb empfiehlt Professor Passon ein paar Regeln zu
    beachten:

    "…dass, wenn die dort jetzt Hausarbeiten machen, dass sie es nach deutschen Richtlinien anfertigen, was die Literaturliste und die Zitierweise und so weiter angeht. Ich sage auch immer, ihr müsst es dem Fachdozenten zuhause auch einfach machen. Von wegen: hoppla, hier komm‘ ich und ich komm‘ von Bali – da ist bei dem erst mal Alarm: aha, sie kommen vom Surfen."

    Dass ein Auslandssemester auf Bali aber viel mehr ist als ein lockerer Wellenritt im Indischen Ozean, das haben die meisten der deutschen Studenten hier schnell begriffen. Es ist vielmehr das hautnahe Erleben einer exotischen Kultur und einer für uns fremden Religion. Vor allem aber ist es das Verstehen, wie wichtig die Märkte im südostasiatischen Raum sind. Denn es sind die Märkte von morgen. Und wer da mitspielen will, der muss diesen Kontinent selbst erlebt haben.