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Universität Freiburg
Rücktritt der Doping-Kommssion für Rektor "sehr überraschend"

Das Forscherteam, das die Dopinggeschichte der Freiburger Universität aufklären sollte, hat seine Arbeit niedergelegt. Die Forscher beklagen eine Behinderung ihrer Arbeit vonseiten der Universität. Die zeigt sich fassungslos: Ihr Rektor Hans-Jochen Schiewer sagte im DLF, er hätte Gesprächsangebote gemacht, auf die er jedoch keine Antwort bekommen hätte.

Hans-Jochen Schiewer im Gespräch mit Michael Böddeker | 02.03.2016
    Der Freiburger Universitäts-Rektor Hans-Jochen Schiewer
    Der Freiburger Universitäts-Rektor Hans-Jochen Schiewer (picture alliance / dpa - Marijan Murat)
    Michael Böddeker: Die Freiburger Doping-Kommission sollte eigentlich die Doping-Geschichte aufklären, in die offenbar auch die Universität verstrickt war. Gestern hat die Kommission Ihre Arbeit beendet und sich aufgelöst, nicht etwa, weil schon alles aufgeklärt wäre, sondern, weil sie nach eigenen Angaben ständig bei der Arbeit behindert wurde vom Auftraggeber, also der Universität. Zum Beispiel hätten sie wichtige Unterlagen verspätet bekommen, es sei insgesamt ein zermürbender Kampf gegen Windmühlen gewesen. Der Rektor der Universität Hans-Jochen Schiewer sieht das offenbar anders: In einem offenen Brief spricht er von einem Rücktritt ohne Grund. Ich habe vor der Sendung mit ihm gesprochen und ihn gefragt, ob er denn aufseiten der Universität so gar keine Fehler sieht.
    Hans-Jochen Schiewer: Wir haben im letzten Jahr am 24. Februar ein intensives Gespräch mit der Kommissionsvorsitzenden und einigen Kommissionsmitgliedern, die jetzt teilweise nicht mehr Mitglieder der Kommission sind, und der Ministerin. In diesem Gespräch hatten wir die Unstimmigkeiten, die entstanden waren, besprochen und aus meiner Sicht soweit geklärt. Wir haben seit diesem Zeitpunkt die dort gemachten Zusagen, auch was die unmittelbare Beantwortung von Fragen und Wünschen der Kommission angeht, durchgehend eingehalten. Vor diesem Hintergrund, gerade auch vor dem Hintergrund, dass dann drei neue Mitglieder auf Wunsch der Vorsitzenden von meiner Seite ernannt worden sind, die Kollegen Hoppeler, Simon und Sörgel, war es in der Tat für uns jetzt doch sehr überraschend, dass die Kommission diesen Schritt gegangen ist.
    "Wir prüfen nicht die inhaltlichen Ergebnisse der Kommissionsarbeit"
    Böddeker: Ein Streitpunkt zwischen der Universität und der Kommission war ja auch, dass die Universität die Ergebnisse der Kommission erst prüfen wollte, bevor sie veröffentlicht werden. Warum eigentlich? Es sollte doch jetzt eigentlich um Aufklärung gehen und auch darum, die Öffentlichkeit zu informieren.
    Schiewer: Wir prüfen nicht die inhaltlichen Ergebnisse der Kommissionsarbeit. Es ist schon immer klar gewesen, dass wir selbstverständlich auch zum Schutz der Kommissionsmitglieder die uns vorgelegten Gutachten und vor allen Dingen auch den Abschlussbericht prüfen müssen in Hinblick auf bestimmte rechtliche Aspekte, auf Urheberrecht, auf Persönlichkeitsschutz und Datenschutz. Das hat auch damit zu tun, dass die Kommissionsmitglieder immer darauf bestanden haben, dass sie unsererseits versichert werden, auch eine Rechtsschutzversicherung haben. Vor diesem Hintergrund haben wir immer gesagt, da es sich hier bei den Kommissionmitgliedern nicht um Juristen handelt, dass wir selbstverständlich wegen der Brisanz der Aufklärungsarbeit und der Ergebnisse prüfen, inwiefern hier die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.
    Böddeker: In Ihrem offenen Brief an die Kommission von gestern heißt es ja auch, die Universität müsse sich jetzt angesichts der vielfältigen Vertragsverstöße der Kommissionsvorsitzenden alle rechtlichen Optionen offenhalten. Was bedeutet das?
    Schiewer: Wir haben einen Vertrag mit der Universität Löwen, den auch die Kommissionvorsitzende unterzeichnet hat, und dieser Vertrag beinhaltet auch die Geschäftsordnung, die die Kommission sich selbst im Jahre 2008 gegeben hat, und vor diesem Hintergrund haben wir immer darauf hingewiesen, dass diese Rahmenbedingungen seitens der Kommissionsvorsitzenden einzuhalten sind und dass auch die Kommissionsvorsitzende diese Rahmenbedingungen dann auch gegenüber ihren Kommissionsmitgliedern erläutern muss.
    Böddeker: Und Sie sind der Meinung, das ist nicht passiert.
    Schiewer: Diese Geschäftsordnung sieht vor, dass öffentliche Äußerungen über die Arbeit der Kommission zum Beispiel seitens der Kommissionsvorsitzenden nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber gemacht werden, und wir mussten häufig darauf hinweisen, dass diese Vorgaben nicht beachtet worden sind.
    "Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit so schnell wie möglich verfügbar machen"
    Böddeker: Wie soll das denn jetzt mit Aufklärung weitergehen? Die ehemaligen Kommissionmitglieder, die haben ja schon angekündigt, dass sie der Universität noch einen Abschlussbericht vorlegen wollen, und zugleich wollen sie auch getrennt davon noch etwas eigenes veröffentlichen. Was plant die Universität?
    Schiewer: Die Universität hat die Absicht natürlich, die Öffentlichkeit so gut und so weit wie möglich über die bisherigen Ergebnisse der Kommissionsarbeit zu informieren. Wie Sie wissen, liegen der Universität natürlich inzwischen schon eine große Zahl von Gutachten vor, teilweise auch von Mitgliedern der Kommission, die inzwischen die Kommission verlassen haben. Wir beabsichtigen, die Ergebnisse dieser Kommissionsarbeit der Öffentlichkeit so schnell wie möglich verfügbar zu machen.
    Böddeker: Sie haben auch schon angekündigt, eine neue Forschungsstelle einzurichten.
    Schiewer: Diese Ankündigung ist natürlich insofern nicht neu. Wir hatten schon 2014 deutlich gemacht, dass wir im Anschluss an die Arbeit der Evaluierungskommission Fragen über Sportmedizin, eine Forschungsstelle einrichten werden, um die Aufklärung der Geschichte der Freiburger Sportmedizin fortzusetzen. Uns war immer schon klar, dass die Arbeit der Evaluierungskommission ein erster wichtiger Schritt ist, um diese Geschichte aufzuklären, aber es war immer auch klar, dass damit natürlich noch nicht diese Aufklärungsarbeit beendet sein kann.
    Böddeker: Die Kommissionsmitglieder, die jetzt zurückgetreten sind, stehen in Deutschland für Doping-Aufklärung, für gute Wissenschaft, haben einen sehr guten Ruf, Gutachten von diesen Wissenschaftlern hätten eine hohe Glaubwürdigkeit gehabt. Jetzt gibt es eine Forschungsstelle. Kann die wirklich dem gleichstehen?
    Schiewer: Sie haben einen Ausgangspunkt erwähnt: Die Mitglieder der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin haben geschlossen ihren Rücktritt erklärt. Wir als Universität Freiburg wollen die Geschichte der Freiburger Sportmedizin und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, nach wie vor aufklären und der Öffentlichkeit gegenüber dokumentieren, was wir dazu zu sagen haben. Wir werden, und hoffen das auch, dass die Ergebnisse aus dieser Kommission und die weitere Forschung dann genau diese Aufklärungsarbeit leisten wird. Das Ziel dieser Aufklärungsarbeit ist natürlich ganz klar: Es geht darum, dass die Rolle der sportmedizinischen Forschung und Patientenbetreuung, die der Doping-Praxis des deutschen Leistungssports untersucht wird und selbstverständlich, Perspektiven zu einer dopingfreien Betreuung von Leistungssportlerinnen und Sportlern aufgezeigt werden. Diese Forschungsstelle ist den Grundsätzen wissenschaftlicher Redlichkeit verpflichtet und arbeitet in vollkommen wissenschaftlicher Freiheit.
    "Wir selbst sind im Grunde fassungslos über diesen Rücktritt"
    Böddeker: Sie haben gerade noch mal gesagt, dass Aufklärung das Ziel ist, allerdings sehen es die bisherigen Kommissionmitglieder offenbar anders, oder sie sagen zumindest, dass sei bei der Aufklärung behindert worden seien. Sie sehen es offenbar anders. Haben Sie eine Erklärung dafür, wie diese offenbar unterschiedliche Wahrnehmung zustande kommt?
    Schiewer: Wir hatten gestern schon mitgeteilt, dass wir selbst im Grunde fassungslos sind über diesen Rücktritt, der jetzt erfolgt ist, denn die Rahmenbedingung der Arbeit, die Unabhängigkeit der Kommission hat sich überhaupt nicht verändert. Die Kommission arbeitet unter denselben Rahmenbedingungen, unter denen sie seit 2008 arbeitet, seit sie sich eine entsprechende Geschäftsordnung gegeben hat. Insofern kam auch vor dem Hintergrund der Ankündigung, dass jetzt der Abschlussbericht vorgelegt wird für uns, diese Entscheidung vollkommen überraschend. Wie gesagt, auch da muss ich wieder sagen, wir haben selbstverständlich von meiner Seite Gesprächsangebote gemacht, wir haben sogar angeboten, angesichts der Forderungen seitens der Evaluierungskommission, den Senat mit einzubeziehen, aber auf diese Angebote habe ich keine Antwort bekommen.
    Böddeker: Sagt der Rektor der Uni Freiburg Hans-Jochen Schiewer. Mit ihm habe ich über den Rücktritt der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin gesprochen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.