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Universität Göttingen
Wirbel um Neubesetzung im Präsidentenamt

Im Juni 2019 wurde Sascha Spoun für das Präsidentenamt der Uni Göttingen gewählt. Ob das Auswahlverfahren fair abgelaufen ist, wird noch geprüft: Ein unterlegener Mitbewerber hat Akteneinsicht beantragt, unterstützt von 29 Göttinger Professoren und dem Deutschen Hochschulverband.

Von Wieland Gabcke |
Hinweisschild Georg-August-Universit
48 Göttinger Professorinnen und Professoren haben eine Beschwerde unterzeichnet (imago/Klaus Martin Höfer)
Sascha Spoun soll sein Amt als neuen Präsidenten der Universität Göttingen 2020 antreten. Der Senat hat ihn am 20. Juni gewählt. Doch das war ziemlich überstürzt: Erst eine Woche vor der Wahl sei der Kandidat universitätsintern bekannt gemacht worden, kritisiert die Göttinger Mathematikerin Dorothea Bahns:
"Also normalerweise wäre es so gewesen, mindestens zwei Monate oder so, würde man erwarten, dass das durchsickert, um wen geht es, dann bereitet man sich vor, dann gibt es verschiedene Gespräche, öffentliche, hochschulöffentliche Anhörungen und so weiter."
Eine Bitte von 93 Professorinnen und Professoren, die Wahl wegen der Kurzfristigkeit zu verschieben, hätten Senat und Stiftungsrat ignoriert. Der Eindruck der Kritiker: Die Wahl Spouns sollte um jeden Preis durchgedrückt werden. Auch die Kandidatensuche sei intransparent, kritisiert der Theologe Thomas Kaufmann. Denn Sascha Spoun war zunächst Berater der Findungskommission und wurde dann selbst zum Bewerber auf das Präsidentenamt:
"Zu welcher Phase das war und ob er durch diese Doppelrolle Bewerbungsvorteile hatte, ist bisher ungeklärt und alle entsprechenden einschlägigen Fragen, die wir an die Findungskommission gerichtet haben, sind unbeantwortet geblieben."
Anforderungen der Ausschreibung nicht erfüllt
Kaufmann, zwei weitere Theologen und Mathematikerin Bahns veröffentlichten eine Protestnote, unterzeichnet von 48 Göttinger Professorinnen und Professoren. Mit weiterer Kritik: Spoun sei nicht habilitiert und kein international ausgewiesener Wissenschaftler. Damit erfülle er den Ausschreibungstext für das Präsidentenamt nicht:
"Wir wissen, dass ein Wissenschaftler zu sein, oder habilitiert zu sein per se niemanden dafür qualifiziert, Universitätspräsident oder Universitätspräsidentin zu werden. Aber auf eine wissenschaftliche Arbeit zurückzublicken, sagen wir mal zehn Jahre nach der Promotion, das wäre was gewesen, was ich wirklich erwartet hätte."
Sagt Erstunterzeichnerin Dorothea Bahns. Auch Spouns umstrittenes Management als Präsident der Leuphana Universität Lüneburg sorgt für Unmut. Er habe dort den überteuerten Libeskind-Bau zu verantworten, kritisiert Theologe Thomas Kaufmann:
"All das nimmt mich jetzt nicht in höchstem Maße für ihn ein und die Reformimpulse, die er in der Universität Lüneburg zu Wege gebracht hat, die sicher respektabel sind, sind nicht ohne weiteres übertragbar auf die Verhältnisse an unserer Universität."
Auch positive Meinungen
Doch es gibt auch andere Stimmen auf dem Göttinger Campus. Aljoscha Dalkner sitzt als studentischer Vertreter im Senat. Das Millionengrab Libeskind-Bau sieht er zwar auch kritisch. Aber:
"Ich glaube, dass Herr Spoun ein guter Wissenschaftler ist und dass er jetzt keine herausragende Forschung gemacht hat, ist jetzt für die Leitung der Hochschule nicht so relevant. Sondern er ist dafür da, die Rahmenbedingungen zu geben und er hat in Lüneburg gezeigt, dass er aus relativ wenig sehr viel gemacht hat und wenn er das in Göttingen auch schafft, dann können sich glaube ich alle freuen."
An dem Wechsel des Lüneburger Unipräsidenten vom Berater zum Bewerber hat der 26-Jährige Politikstudent momentan nichts auszusetzen. Auch die Universität Göttingen teilt mit: Herr Spoun habe zu keinem Zeitpunkt Informationen über die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten gehabt. Spoun selbst äußert sich nicht. Das Wissenschaftsministerium in Hannover will zu dem Bewerbungsverfahren an der Stiftungsuniversität keine Stellung beziehen. Zur Protestnote von Göttinger Professoren heißt es:
"Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur nimmt selbstverständlich sachliche Kritik an Verfahrensabläufen sehr ernst. Dabei ist aber Folgendes zu beachten: Die Stiftung untersteht zwar der Rechtsaufsicht des Ministeriums. Allerdings ist nach den hochschulgesetzlichen Vorschriften für Fragen, die die Rechtsaufsicht über die Hochschule betreffen könnten, der Stiftungsrat beziehungsweise der jeweilige Stiftungsausschuss zuständig."
Doch auch der Stiftungsrat hält sich bedeckt. Der Vorsitzende Wilhelm Krull, der auch der Findungskommission vorsaß, die Spoun zur Wahl empfohlen hatte, möchte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Vor allem, weil es nun ein Konkurrentenstreitverfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen gibt. Finanziell unterstützt vom Deutschen Hochschulverband und 29 Göttinger Professoren hat ein unterlegener Mitbewerber um das Präsidentenamt Akteneinsicht beantragt. Darauf könnte eine Klage folgen. Dann müsste das Gericht die Frage klären, ob das Auswahlverfahren um das Präsidentenamt der Universität Göttingen fair abgelaufen ist. Der Amtsantritt Spouns in Göttingen könnte sich dadurch verzögern. Einige Göttinger Professoren legen ihm sogar einen Amtsverzicht nahe.