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UNO berät globale Anti-Terror-Strategie

Die UNO will heute über die Einrichtung einer ständigen Anti-Terror-Abteilung beraten. Peter Maurer, Schweizer Botschafter bei den Vereinten Nationen und Vertreter einer der fünf Mitgliedsländer der bisherigen "Counter Terrorism Task Force" der UNO, wertet die bisherige Arbeit als Erfolg. Hinderlich sei aber für die weitere internationale Zusammenarbeit, dass es nach wie vor Meinungsverschiedenheiten zur Definition des Terrorismus gäbe.

Peter Maurer im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen diskutiert heute eine Resolution zur Anti-Terrorismus-Strategie. Schon seit Jahren wird in und um die UNO die Frage behandelt, wie die Weltgemeinschaft mit der wachsenden Bedrohung durch Terrorismus umgehen soll. In den letzten Monaten befasste sich eine Gruppe von fünf Ländern speziell mit Konzepten zur Terrorabwehr, in führender Rolle dabei die Schweiz. Deren Botschafter bei den Vereinten Nationen ist Peter Maurer und der ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Maurer.

    Peter Maurer: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Was soll denn nun Ihrer Meinung nach anders werden?

    Maurer: Ich denke, zuerst müssen wir anerkennen, dass die Verabschiedung einer UNO-Anti-Terror-Strategie vor zwei Jahren ein großer politischer Erfolg war, denn zum ersten Mal hat sich die Staatengemeinschaft auf ein Vier-Pfeiler-Konzept geeinigt, mit welchem sie dem Phänomen des Terrorismus begegnen will - nicht nur Polizeiarbeit, sondern auch Kapazitäten der Länder stärken, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit berücksichtigen und auch die Ursachen des Terrorismus bekämpfen. Das ist eine Vier-Pfeiler-Strategie, die große politische Unterstützung gewonnen hat.
    Die Frage ist jetzt: wie setzt man diese Strategie besser um und wie können die Vereinten Nationen und die Mitgliedsstaaten besser zusammenarbeiten, um diese Strategie umzusetzen. Zu diesen Themen und zu diesen Fragen haben die fünf Länder gemeinsam Ideen entwickelt.

    Engels: Ideen, die bis hin zu einer Einrichtung einer UN-Sonderorganisation oder -abteilung gingen. Haben Sie nach wie vor diesen Plan und wenn ja, welche Aufgaben und Kompetenzen sollen dort hingehen?

    Maurer: Die Schaffung einer neuen Organisation ist immer eine langfristige Option. Aber das ist nicht das, was die fünf Länder jetzt als erstes vorsehen. Wir haben bereits eine "Counter Terrorism Task Force", eine Task Force an der UNO, die sich mit dieser Frage beschäftigt, und wir haben konkrete Vorschläge unterbreitet, wie diese Task Force besser zusammenarbeitet mit und unter den verschiedenen UNO-Agenturen und auch mit den Mitgliedsstaaten - sehr kurzfristig, wie man dieser Task Force Ressourcen zur Verfügung stellt und wie man sicherstellt, dass die Länder, welche Unterstützung von den Vereinten Nationen brauchen, diese Unterstützung auch heute und morgen erreichen können. Das sind die kurzfristigen Maßnahmen.
    Ich denke, es gibt Länder, die einfach nicht die Kapazitäten haben, zum Beispiel zu entdecken, bei welchen Finanztransaktionen heutzutage terroristisches Geld verschoben werden kann. Die Vereinten Nationen sind ein Ort, welcher Expertise zur Verfügung stellen kann, um verdächtige Transaktionen zu entdecken. Die "UNO Counter Terrorism Task Force" ist eigentlich auch da, um diesen Erfahrungsgedanken und Kapazitätenaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten sicherzustellen.

    Engels: Wie grenzt sich das speziell von dem von den USA proklamierten Krieg gegen den Terror ab?

    Maurer: Ich denke, man muss betonen, dass die Vereinigten Staaten die Vier-Pfeiler-Strategie, welche sich nicht nur auf polizeiliche Maßnahmen konzentriert, sondern auch auf Ursachenforschung, auf Rechtsstaatlichkeit, im Rahmen der UNO auch voll mitgetragen haben. In dem Sinne ist es einfach eine andere Perspektive. Wir wissen alle, dass rund um den Begriff und das Konzept des Krieges gegen den Terror schwierige Diskussionen stattfinden und große Meinungsverschiedenheiten in der Staatengemeinschaft. Diese Meinungsverschiedenheiten, die gelten aber nicht für die UN-Strategie, welche auch von den USA voll und ganz unterstützt wird.

    Engels: Ein Hauptproblem ist damit allerdings nicht aus der Welt und die Frage der Definition. Was für den einen ein Terrorist ist, ist für den anderen ein Freiheitskämpfer. Über die Definition von Terrorismus wird lange gestritten und das kann doch dazu führen, dass diese UN-Zusammenarbeit einfach nicht arbeitsfähig ist.

    Maurer: Das ist richtig. Die Kontroverse darum, wie Terrorismus zu definieren ist, ist eine nun schon seit Jahren, Jahrzehnten dauernde Kontroverse und diese Kontroverse wurde nicht gelöst durch die Verabschiedung einer Strategie, kann auch nicht gelöst werden. Aber die Strategie ist eine Möglichkeit, die Staaten zur Zusammenarbeit zu bringen, selbst wenn heute wir eingestehen müssen, dass die Meinungsverschiedenheiten über die Definition nach wie vor weiter bestehen. Es ist also ein Versuch, das Problem zu umschiffen, würde ich sagen, und einfach einzugestehen, dass eine politische Einigung über eine Definition heute und morgen nicht absehbar ist, aber dass dies nicht bedeutet, dass die Staaten nicht trotzdem gut zusammenarbeiten können, um das Problem, das unbestritten ist, in den Griff zu bekommen.

    Engels: Aber, Herr Maurer, das klingt dann nach einem zahnlosen Tiger, wenn man besser vernetzt sein will, wenn möglicherweise sogar eine Sonderorganisation daraus einmal erwachsen soll, aber man sich über die Definition "Terror" nie einig wird.

    Maurer: Ich denke nicht. Zahnlosigkeit oder Zähne hängen ja nicht von der Definition des Zahnes ab. Ich denke, wenn wir eine Organisation haben, welche fähig ist, Erfahrungsaustausch, Kapazitätsbildung zwischen den Mitgliedsstaaten aufzubauen und konkrete Zusammenarbeit zu fördern, dann ist das konkret und dann sind das Zähne. Ich bedauere natürlich auch, dass die politische Meinungsverschiedenheit nach wie vor da ist, was die Definition betrifft, aber dies ist eine Tatsache, mit der wir heute leben müssen. Die ist aufgegeben durch die große Divergenz über einige der Konflikte, die wir kennen, und Meinungsverschiedenheiten in der Staatengemeinschaft.

    Engels: Kommen wir noch auf ein konkretes Beispiel zu sprechen. Die Kompetenz der Vereinten Nationen im Anti-Terror-Kampf ist ja umstritten. Beispielsweise hat gestern der Europäische Gerichtshof eine EU-Verordnung ausgehebelt und diese EU-Verordnung setzte UN-Sanktionen um - und zwar indem sie die Konten von Terrorverdächtigen sperren ließ. Der Europäische Gerichtshof sieht das als rechtswidrig an. Was sagen Sie?

    Maurer: Die Schweiz und andere Länder bedauern sehr, dass jetzt gewissermaßen eine Diskrepanz zwischen UNO-Sicherheitsrat und Europäischem Gerichtshof über die Interpretation von Sanktionen entstanden ist. Das war auch mit ein wesentlicher Grund, warum die Schweiz, Deutschland, Schweden, Liechtenstein, Dänemark Vorschläge unterbreitet haben, um Individuen, welche unter UNO-Sanktionen sind, die Möglichkeit zu geben, sich rechtsstaatlich besser zu verteidigen. Dass jetzt eine Diskrepanz entstanden ist, ist sehr bedauerlich und wir denken, es wäre in der Möglichkeit des Sicherheitsrates gewesen, diese Diskrepanz erst nicht aufkommen zu lassen. Nun ist die Situation, wie sie ist, und wir müssen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes analysieren und dann sehen, was dies konkret bedeutet.

    Engels: Wie kann die Terrorabwehr besser vernetzt werden? - Wir sprachen mit Peter Maurer, dem Botschafter der Schweiz bei den Vereinten Nationen. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Maurer: Vielen Dank Ihnen, Frau Engels.