Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

UNO-Bericht zu Missbrauchsfällen
"Konsequente Kursänderung" in der katholischen Kirche

Die UNO kritisiert, dass als Sexualstraftäter überführte Priester praktisch im Amt bleiben könnten. Das treffe für Deutschland nicht mehr zu, sagte Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, im DLF. Hier habe die Kirche bereits Konsequenzen gezogen.

06.02.2014
    Christiane Kaess: Es ist eine ganze Palette an scharfen Ermahnungen, die das Komitee für Kinderrechte der Vereinten Nationen gestern an den Vatikan gerichtet hat. Da geht es um die Diskriminierung von Kindern, auch zum Beispiel durch die Kategorisierung „außerehelich gezeugt“, es geht um die Prügelstrafe und es geht um sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche. Der eigene Ruf sei der Kirche wichtiger gewesen als die Interessen der Opfer, so das UN-Komitee. Dessen Fazit: Der Vatikan verletzt die Kinderrechts-Konvention der Vereinten Nationen und die Kirche unternimmt trotz entsprechender Zusagen nach wie vor nicht genug gegen sexuellen Missbrauch. Der Vatikan hat die Kritik des UN-Ausschusses scharf zurückgewiesen. Von verdrehten Tatsachen ist dort die Rede. – Mein Kollege Gerd Breker hat gestern Abend mit Alois Glück gesprochen, er ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Man habe die Täter und den Ruf der Kirche mehr geschützt als die Opfer – ein schwerer Vorwurf, so hat Gerd Breker das Gespräch begonnen.
    "Konsequente Kursänderung"
    Alois Glück: Das ist für die Vergangenheit sicher ein nicht völlig unberechtigter Vorwurf. Aber ebenso richtig ist, dass in den letzten Jahren gerade auch von der Leitung der Weltkirche, insbesondere durch Papst Benedikt und schon in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation, eine konsequente Kursänderung erfolgt ist. Das zeigt sich unter anderem ja in der Zahl, die erst kürzlich bekannt geworden ist, dass Papst Benedikt in zwei Jahren knapp an die 400 Priester aus dem Amt entlassen hat wegen solcher Vorkommnisse. Von daher würde ich mal sagen, der Vorwurf ist bezogen auf die Entwicklung der Vergangenheit nicht völlig unberechtigt; er ist aber jedenfalls nicht mehr zutreffend als Zustandsbeschreibung jetzt und heute.
    Gerd Breker: Also der Kritikpunkt, Herr Glück, dass in der Praxis ein Sexualstraftäter, ein überführter, in der katholischen Kirche straflos bleiben kann, ein überführter Priester Priester bleiben kann, das trifft nicht mehr zu?
    Glück: Es trifft für Deutschland jedenfalls nicht zu und für eine ganze Reihe anderer Länder. Natürlich ist jetzt die Situation insofern wahrscheinlich ein Stück unterschiedlich, weil ja der Vollzug bei den einzelnen Bischofskonferenzen und in den einzelnen Ländern und im Rahmen der Gesetzgebung der einzelnen Länder liegt, und so gesehen muss man ehrlicherweise einfach differenzieren und sagen, der Kurs der Leitung der Weltkirche ist eindeutig. In Deutschland und in einer Reihe anderer Länder hat die katholische Kirche ganz klar Konsequenzen gezogen aus dem Fehlverhalten der Vergangenheit. Aber es gibt ja durchaus Nachrichten aus Polen oder anderswo, dass der Prozess dort noch nicht so läuft, wie er laufen sollte, dass immer wieder noch darum innerkirchlich gerungen wird, ob nicht die alte Position, der Schutz der Kirche hat Vorrang, doch noch gilt. Das heißt, dort ist ein Ringen im Gange.
    "In den letzten fünf Jahren hat sich hier sehr, sehr viel verändert"
    Breker: Der Vatikan halte Details über das volle Ausmaß von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche nach wie vor unter Verschluss, so ein weiterer Kritikpunkt. Herr Glück, liegt das daran, dass der Vatikan selber gar nicht das Ausmaß kennt?
    Glück: Ja, ich gehe davon aus, dass er das Ausmaß nicht kennt, oder keinen ganz exakten Überblick hat, weil das natürlich in den einzelnen nationalen Räumen und in den einzelnen Kirchen geschieht. Aber ich möchte andererseits mit demselben Nachdruck und mit derselben Klarheit feststellen, dass sich in den letzten fünf Jahren hier sehr, sehr viel verändert hat. Es gibt sicher nach wie vor Regionen in der Weltkirche, wo die Durchsetzung dieses eindeutigen Kurses der Kirchenleitung auch noch Schwierigkeiten macht.
    Breker: Wenn wir nach Deutschland blicken, Herr Glück, war es ein Fehler, dass vor einem Jahr das Forschungsvorhaben von Professor Christian Pfeiffer von der Deutschen Bischofskonferenz wieder aufgekündigt wurde?
    Glück: Fehler haben beide Seiten gemacht in der Vorbereitung in dem Mangel der Klarheit. Aber es ist ja der Wille da und es läuft ja gegenwärtig ein entsprechendes Entscheidungsverfahren, eine solche Untersuchung durchzuführen, bei der es nicht mehr um die einzelnen Sachverhalte geht – die sind ja letztlich in den einzelnen Diözesen im Verfahren -, aber die Frage, inwieweit gibt es denn strukturelle oder andere Dispositionen, die solche Fehlentwicklungen begünstigen, gibt es ein gewisses gleiches Muster diözesanübergreifend in der gesamten Konstellation, und das ist nach wie vor wichtig, dieser Frage nachzugehen. Das hat nichts zu tun mit der Verzögerung, dass da was vertuscht werden soll, aber bei der Vorbereitung des Gutachtens haben beide Seiten Fehler gemacht, die kirchliche Seite und auch Professor Pfeiffer.
    Breker: Der Vatikan hat die Kinderrechts-Konvention der Vereinten Nationen unterzeichnet, also muss er sich auch daran halten und die heutige Kritik ernst nehmen.
    Glück: Er muss die Kritik selbstverständlich ernst nehmen. Auf der anderen Seite ist es das gute Recht jeder Institution, wie auch jeden Landes, sich dann mit so einer Kritik auseinanderzusetzen. Auch die ist nicht sakrosankt, dass es genau so sein muss, aber dazu gibt es in einer offenen Gesellschaft ja die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, und in einem Rechtsstaat muss es auch dazugehören.
    Glück hofft, dass die Präventionsmaßnahmen greifen werden
    Breker: Die nächste Begutachtung des Kinderrechts-Komitees soll im September 2017 beginnen. Was wünscht sich der Präsident des Zentralrats der deutschen Katholiken, was dann nicht mehr am Vatikan kritisiert wird?
    Glück: Ich wünsche mir, dass der Kurs, den Papst Benedikt und jetzt auch Papst Franziskus vertreten, sich in der Weltkirche insgesamt durchsetzt. Ich wünsche mir für Deutschland, dass die Präventionsmaßnahmen, die in dem Zusammenhang ja eingeleitet wurden, also die Vorsorge, wirklich entsprechend greift und dass immer, wo es dann trotzdem Missbrauch gibt – und das wird nie ganz auszuschließen sein -, wirklich konsequent und transparent immer gehandelt wird.
    Kaess: Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, im Interview mit meinem Kollegen Gerd Breker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.