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UNO-Klimakonferenz in Bonn

Ensminger: Ein harter Verhandlungsmarathon liegt hinter den Konferenzteilnehmern des Klimagipfels in Bonn, und er ist noch nicht beendet. Auf der Bonner UNO-Klimakonferenz drängte die Europäische Union heute Morgen auf eine Einigung in letzter Minute, denn eigentlich hätte die längst erzielt worden sein sollen. In Genua ist der Gipfel zu Ende. Zwei Tage lang ging es um die Armut, insbesondere in Afrika, die Bekämpfung von Aids, die Lage im Nahen Osten und die auch in Mazedonien. Aber es ging auch um das Kyoto-Protokoll. Das stand auf der Tagesordnung der Regierungschefs der Länder Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA sowie Russlands als auch Deutschlands. Alfred Tacke ist Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und der Gipfelbeauftragte des Bundeskanzlers Gerhard Schröder und nun bei uns am Telefon. Einen schönen guten Morgen, Herr Tacke.

    Tacke: Einen schönen guten Morgen Frau Ensminger.

    Ensminger: Kommen wir zunächst einmal zum Klimaschutz, über den in Genua ja gesprochen wurde, doch leider ohne wirkliches Ergebnis. Nun finden die Teilnehmer beim Klimagipfel in Bonn nur schwer eine Lösung. Warum gab es denn kein Signal aus Genua?

    Tacke: Es hat ein Signal aus Genua gegeben, ich habe das auch gestern ausführlich erläutert: Es gibt ein gemeinsames Kommuniqué, in dem festgehalten wird, dass die G 8 - das heißt, einschließlich die USA - darin übereinstimmen, dass die Treibhausemissionen reduziert werden müssen, dass wir weiter daran zusammenarbeiten wollen - dass es gegenwärtig noch Differenzen in den Instrumenten gibt. Und es hat eine Vielzahl von gemeinsamen Gesprächen gegeben, auch mit dem kanadischen Ministerpräsidenten mit dem japanischen Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler, der sich sehr für einen substantiellen Fortschritt in Bonn eingesetzt hat. Und ich denke, was wir dort haben bewegen können, ist getan worden. Wir haben deutlich gemacht, wie wichtig das ist, dass wir in dem Prozess voranschreiten. Ungeachtet der Positionen Japans, Kanadas und Australiens haben sie deutlich gemacht, dass sie auch für einen Fortschritt in Bonn sind. Ich glaube, das sind ganz, ganz wichtige Gespräche gewesen.

    Ensminger: Trotzdem - direkt zum Kyoto-Protokoll gab es nicht wirklich ein Abkommen. Hätte es . . .

    Tacke: . . . das war auch nie das Ziel . . .

    Ensminger: . . . hätte es aber nicht mit einem Beschluss auch in Bonn zur schnelleren Einigung kommen können?

    Tacke: Es hat einen Beschluss gegeben; ich habe den Beschluss gerade erläutert. Aber natürlich kann man nicht erreichen, dass die USA ihre Position verändern. Die waren immer festgelegt, dass sie Kyoto nicht ratifizieren werden. Aber wichtig war, die Länder insgesamt einzubeziehen, und es hat auch einen sehr engen Kontakt gegeben mit dem Bundesumweltminister, um sich hier auch abzustimmen.

    Ensminger: Das Problem ist jetzt unter anderem die starre Haltung Japans; wir haben es gehört. Die japanische Umweltministerin wartet unter anderem eben auch auf ein Signal ihres Präsidenten Koizumi. Wie war das in Genua? Konnten Sie nicht direkt auf den japanischen Ministerpräsidenten einwirken?

    Tacke: Der Bundeskanzler hat mit dem japanischen Ministerpräsidenten gesprochen. Der japanische Ministerpräsident hat auch seine Position noch einmal deutlich gemacht, dass er der Meinung ist, dass substantielle Fortschritte in Bonn erreicht werden sollen.

    Ensminger: Kommen wir mal zum Thema 'Gewalt beim Gipfel'. Es gab starke Auseinandersetzungen. Hatten Sie denn mit solchen Auseinandersetzungen gerechnet?

    Tacke: Es war seit Monaten klar, dass dieses schwierig sein würde. Genua ist eine Hafenstadt mit einer sehr schwierigen Sicherheitslage. Die italienische Präsidentschaft hat im Vorfeld alles getan, um diese Konflikte zu entschärfen, hat intensiv die Gruppen eingebunden, mit ihnen diskutiert. Aber wir wissen einfach auch aus Göteborg, dass - unabhängig von Interessen und von den Themen - es ein Potential an Gewaltbereiten und Gruppen in Europa gibt, die unabhängig von den Themen und den Orten in diese Konflikte eingreifen, sich gewalttätig verhalten. Die große Masse der Teilnehmer hat friedlich auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. Das ist - glaube ich - auch ein wichtiges Ergebnis.

    Ensminger: Es gab einen Toten. Das nicht zuletzt hat dazu geführt, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen der Demonstranten mit der Polizei - und Sie sagen es richtig, es war natürlich nur ein kleiner Teil der Demonstranten - in den Vordergrund der Berichterstattung gerückt ist. Sind Sie darüber enttäuscht, dass die Diskussion um Inhalte der G 8 - Teilnehmer dadurch ein wenig ins Hintertreffen geriet?

    Tacke: Ich glaube, dass das bei allen Treffen inzwischen so üblich ist, dass man auf die spektakulären Bilder geht. Wir leben ja in einer Mediengesellschaft und sollten auch mit den Konsequenzen leben. Aber das ändert nichts an der inhaltlichen Arbeit der Regierungschefs. Und dass wir die Themen diskutiert haben, die alle Beteiligten - die ärmsten Länder wie Afrika - auch interessieren -, dass wir hier Beschlüsse gefasst haben, dass wir daran festhalten, die Märkte zu öffnen: Das sind wichtige Signale, und sie werden auch von diesen Gruppen verstanden als gute und interessante Positionen der G 8, auch wenn man nicht mit allen Punkten einverstanden ist.

    Ensminger: Sie haben im Vorfeld des Gipfels in einem Interview mal gesagt, sie sähen keinen Unterschied zwischen den Forderungen der Globalisierungsgegnern und denen der Teilnehmer des G 8 - Treffens. Sehen Sie das im Nachhinein immer noch so?

    Tacke: Das hat sich auch nicht geändert. Es hat ja das Spitzengespräch gegeben mit den afrikanischen Regierungschefs, und die haben sehr deutlich gesagt: 'Natürlich halten wir die Entschuldungsinitiative mit weit über 100 Milliarden für gut, wir stimmen ihr ausdrücklich zu. Aber wir meinen, dass noch mehr getan werden muss. Natürlich sind wir einverstanden, dass die Märkte geöffnet werden, und wir halten die Beschlüsse in Brüssel für gut. Aber natürlich wollen wir noch weitere Fortschritte'. Also ich denke, dass anerkannt wird - gerade von denjenigen, die auf den Gipfel setzen -, dass wir Fortschritte machen. Aber es gibt ziemlich viel Druck hier, dass wir weitere Fortschritte machen. Die brauchen wir auch, wenn wir diesen Ländern wirklich helfen wollen.

    Ensminger: Sie waren an der Ausarbeitung der Themen und an der Vorbereitung der Konferenz innerhalb der deutschen Delegation beteiligt. Nun soll in zwei Jahren in Kanada der nächste Gipfel stattfinden. Wie sieht es aus? Werden die Vorbereitungen diesmal ein wenig anders aussehen bzw. werden Sie etwas ändern an den Vorbereitungen?

    Tacke: Ich habe darauf hingewiesen, dass die deutsche Delegation eine der kleinsten war. Das ist - glaube ich - ein ganz wichtiger Punkt, für uns eine Selbstverständlichkeit. Die jeweilige Präsidentschaft und damit der Ministerpräsident entscheidet, wie das Format aussehen wird. Wir greifen da nicht ein. Aber die kanadische Präsidentschaft war immer der Meinung - auch vor dem Gipfel in Genua -, dass sie hier ein besonderes Zeichen setzen will. Ich gehe davon aus, dass sie das tun wird.

    Ensminger: Wie könnte das dann nach Ihren Vorstellungen aussehen?

    Tacke: Wir haben diesmal schon erreicht, dass wir ein sehr knappes Kommuniqué haben, dass wir uns auf weniger Themen konzentrieren. Ich denke, dass die Teilnehmerzahl wesentlich niedriger werden wird. Und das bedeutet natürlich, dass man im kleineren Kreis zusammentrifft und daher auch enger zusammenarbeiten kann.

    Ensminger: Also zurück zu den ursprünglichen Kamingesprächen?

    Tacke: Ja, ganz zurück wird es nicht gehen, weil - wenn wir Themen wie Umweltschutz aufnehmen, wenn wir Themen wie Entschuldung aufnehmen, wenn konkret neue Initiativen aufkommen und auch mehr als wirtschaftspolitische Themen behandelt werden - das ist ja auch gerade die Forderung der Gruppen, die an der Entwicklungszusammenarbeit interessiert sind, dann brauche ich auch die Experten dazu. Dann ist es mehr als ein Kaminabend. Wenn ich das nicht mehr mache, dann würde ich auf viele wichtige Themen verzichten müssen.

    Ensminger: Wie sieht es aus mit Journalisten? Werden die dabei sein in der Zahl wie diesmal?

    Tacke: Sie können sich vorstellen, das ist für die ein besonders wichtiges Thema. Sie werden in der Zahl wieder dabei sein. Sie waren natürlich mit Abstand die größte Gruppe, das begrüßen wir auch. Und das setzt natürlich auch eine Grenze sozusagen, was wir Kamingespräch nennen, wenn 6.000 Journalisten daran teilnehmen. Oder es werden die Kanadier die Handhabung umstellen - in welcher Form, darüber werden sie in den nächsten Monaten informieren.

    Ensminger: Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und deutscher Gipfelbeauftragter in Genua. Vielen Dank für das Gespräch.

    Tacke: Vielen Dank.

    Link: Interview als RealAudio