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UNO plant Online-Klimashop
Grünes Gewissen per Mausklick?

Die Vereinten Nationen wollen künftig online Zertifikate für vermiedene Treibhausgas-Emissionen verkaufen. Die Zielgruppe: Privatpersonen, Firmen, Regierungen - jeder. Doch Umweltschützer sind skeptisch. So werde der Strom billiger, CO2 dagegen kaum eingespart, kritisieren sie.

Von Georg Ehring | 11.09.2015
    Ein Flugzeug der polnischen Gesellschaft LOT
    Beobachter erwarten vor allem von der Luftfahrtindustrie Nachfrage für die UNO-Klimazertifikate (imago stock & people)
    Die Bedienung soll so einfach sein wie jeder Online-Kauf: Projekt anklicken, Einkaufsmenge festlegen und zahlen. Die Vereinten Nationen wollen eine Webseite einrichten, auf der künftig Zertifikate für vermiedene Treibhausgas-Emissionen verkauft werden. Das Geld ist für Klimaschutz-Projekte in Entwicklungsländern bestimmt, die sonst nicht finanziert werden könnten. UNO-Mitarbeiter Niclas Svenningsen. "Jeder kann mitmachen. Es ist egal ob Privatperson, kleine Firma, große Firma, eine Stadt, oder Regierung. Alle sind Teil der Lösung. Da gibt es keine Begrenzung. Jeder, der CO2-Emissionen reduzieren will, kann diesen Shop nutzen.“
    Offiziell vorgestellt werden soll das Programm noch im Laufe dieses Monats. Die UNO wollen damit dem Mechanismus für saubere Entwicklung - abgekürzt CDM für Clean development mechanism - neues Leben geben. Der Grundgedanke dabei: Für das Klima ist es egal, wo Emissionen stattfinden beziehungsweise vermieden werden. Und Klimaschutz-Projekte sind in Entwicklungsländern oft billiger als in Industrieländern, doch dort fehlt es an Geld. Mit Hilfe aus dem Norden lässt sich so zumindest in der Theorie viel für das Klima erreichen. Allerdings nur dann, wenn die entsprechenden Projekte wirklich ohne die zusätzliche Finanzierung nicht stattfinden würden - und hier setzt die Kritik vieler Umweltschützer an.
    Kritik von Umweltschützern
    Eva Filzmoser beobachtet für die Organisation Carbon Market Watch die Szene. "Im Falle der CDM gibt es mittlerweile einige Studien, die aufzeigen, dass dieses Kernelement einige Probleme hat und eigentlich nur um die 40 Prozent aller Zertifikate, die im CDM ausgeschüttet werden, eigentlich echten Emissionsreduktionen entsprechen."
    So würden in Indien mit Hilfe von Klimaschutz-Geldern sogar Kohlekraftwerke finanziert, die besonders effizient arbeiten sollen. Doch selbst in Indien seien neue Techniken mittlerweile auch aus Kostengründen Standard - die Klima-Zertifikate machten nur den Strom billiger, ohne zusätzlich CO2 einzusparen. Viele Projekte, die künftig im UNO-Onlineshop angeboten werden sollen, entsprächen außerdem längst nicht mehr dem Stand der Technik, kritisiert Eva Filzmoser.
    "Außerdem ist es auch so, dass es ganz viele Zertifikate im Markt gibt, und wenn ein Zertifikat vor zehn Jahren ausgestellt worden ist, dann kann man natürlich auch nicht damit rechnen, dass das jetzt noch echte Emissionsreduktionen unterstützt."
    Hohe Nachfrage in der Luftfahrtindustrie erwartet
    Die Europäische Union will künftig auf solche Projekte verzichten, auch deshalb ist das Angebot aus Entwicklungsländern groß, die Nachfrage dagegen klein. Schärfere Standards, um die Missstände zu beheben, hat die EU nicht durchsetzen können. Beobachter erwarten vor allem von der Luftfahrtindustrie Nachfrage für die UNO-Klimazertifikate. Hier steigen die Emissionen nach wie vor stark an und das Einsparpotenzial ist begrenzt.
    Private Nutzer können in Deutschland schon lange bei Organisationen wie Atmosfair oder MyClimate Klimaschutz-Zertifikate erwerben. Sie funktionieren nach ähnlichen Prinzipien, haben aber zusätzlich eigene Standards, um die Integrität der unterstützten Projekte sicher zu stellen.