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UNO-Sondergesandter für Syrien
Das Ende einer aussichtslosen Mission

2014 wurde der Italiener Staffan de Mistura von den Vereinten Nationen zum Sondergesandten für Syrien ernannt. Er habe 19 Kriege erlebt, aber noch nie seien ihm so viele Akteure mit so vielen unterschiedlichen Zielen begegnet wie in Syrien, sagt er zum Ende seiner Amtszeit.

Von Jürgen Stryjak | 24.11.2018
    Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, während einer Pressekonferenz in Genf
    Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura (afp / Fabrice Coffrini)
    Für die Arbeit eines Sondergesandten sei Erfahrung nötig und Staffan de Mistura besitze diese Erfahrung. Mit diesen Worten ernennt UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon Mitte 2014 de Misura zum Syrien-Sondergesandten.
    Zu jener Zeit bekämpft das Assad-Regime seit über drei Jahren bereits friedliche Demonstranten wie auch bewaffnete Regimegegner mit Gewalt. Die Widerstandsgruppen werden immer radikaler, die Zahl der Milizen wächst. Aber keine der Konfliktparteien ist einem Sieg nahe. Aus diplomatischer Sicht macht es also noch Sinn, nach einem kleinen gemeinsamen Nenner zu suchen, der wenigstens das Blutvergießen beendet.
    Die erste ausgehandelte Waffenruhe ist schnell brüchig
    De Misturas erste diplomatische Initiative ist eine sechswöchige Waffenruhe in Aleppo – die schnell scheitert. Ende 2016 droht hunderttausenden Zivilisten im Osten Aleppos der Tod. Syrische und russische Kampfjets bombardieren den Stadtteil, weil sich Terroristen dort verschanzt haben. De Mistura richtet einen eindringlichen Appell an die Angreifer:
    "Wollen Sie tatsächlich 275.000 Menschen in Lebensgefahr bringen, nur um 1.000 Kämpfer der Nusra-Front zu beseitigen?"
    Den Nusra-Extremisten gibt er eine jener Zusagen, die für den engagierten Diplomaten typisch sind: Falls sie beschließen würden, aus Aleppo abzuziehen, zum Beispiel nach Adlig, für diesen Fall verspreche er ihnen, sie persönlich zu begleiten.
    Im Sommer 2015 schien das Ende des Assad-Regimes bevorzustehen, aber wenige Monate später beginnt der russische Militäreinsatz in Syrien. Ab sofort rettet Putins Luftwaffe Assads Macht. Seitdem befinden sich die syrische Regierung und ihre Verbündeten auf Siegeskurs. Warum sollen sie jetzt noch kompromissbereit sein?
    Vergebliche Suche nach Kompromissen
    Die Mission von Staffan de Mistura wird immer aussichtsloser. Die Syrien-Diplomatie steckt in einer Sackgasse, besonders in Genf, wo die Verhandlungen von den Vereinten Nationen und ihrem Sondergesandten vermittelt werden.
    "Die Genf-Gespräche führen zu nichts. Ich habe keine Hoffnung mehr", sagt ein Student in Damaskus, wo Assad herrscht. "Diese Genf-Konferenzen sind pure Zeitverschwendung", beklagt ein Mann in der Stadt Adlig, die von Aufständischen kontrolliert wird.
    Staffan de Mistura will die Konfliktparteien zu Kompromissen bewegen. Aber die Regimegegner wollen eine Übergangsregierung ohne Assad – für den dies aber überhaupt nicht in Frage kommt. Einen gemeinsamen Nenner, egal wie klein, gibt es nicht.
    Inzwischen hat auch die Zahl der ausländischen Akteure im Kriegsland Syrien zugenommen. Seit 46 Jahren sei er jetzt bei den Vereinten Nationen, sagt de Mistura im September, er habe 19 Kriege erlebt, in Afghanistan, Irak, auf dem Balkan. Aber noch nie seien ihm so viele Akteure mit so vielen unterschiedlichen Zielen begegnet wie jetzt in Syrien.
    Die UN werden zu Zaungästen
    Seit die Russen die Syrien-Diplomatie nach Astana und Sotchi geholt haben, werden die UNO und ihr Unterhändler immer mehr zu Zaungästen. Russland, die Türkei und der Iran einigen sich auf Einflussgebiete und Waffenruhen, zumeist zum Vorteil Assads. Aber die Richtschnur von Staffan de Misura ist die UN-Resolution 2254. Sie fordert die Bildung einer Übergangsregierung, freie Wahlen und eine neue Verfassung. Darüber soll in Genf verhandelt werden. Aber aus Genf wurde längst die Bad Bank der Syrien-Diplomatie. Hier wird alles das deponiert, an dem das Assad-Regime sowieso kein Interesse hat.
    Am 24. Oktober, kurz vor Ende seiner Amtszeit, unternimmt de Mistura einen letzten Versuch, wenigstens die Bildung eines Verfassungskomitees zu erreichen – eines, dem auch Oppositionelle angehören, die von den Vereinten Nationen ausgewählt wurden. Das war in Astana beschlossen worden. De Mistura besucht deshalb Damaskus und erhält vom syrischen Außenminister Walid al-Muallim eine Abfuhr. Der Minister habe betont, dass die Verfassungsbildung die nationale Souveränität Syriens berühre, erklärt de Misura später.
    Das syrische Staatsfernsehen wird deutlicher: Der Außenminister habe dem Sondergesandten gesagt, die UN sollten sich aus der Verfassungsbildung raushalten. Damit ist auch die letzte Initiative des UN-Syriengesandten Staffan de Mistura gescheitert.