Jean Ziegler: Guten Tag.
Remme: Herr Ziegler, die Medien widmen sich dem Thema Darfur nur sehr zögerlich, auch weil die Lage im Land ausgesprochen kompliziert ist, denn es sind ja eigentlich drei Konflikte. Uns interessiert, wie gesagt, der Westen des Landes. Was wissen Sie über die momentane Lage?
Ziegler: Die momentane Lage ist nicht eine Krise, es ist eine Katastrophe. Es sind mehr als eine Millionen Menschen vom Hungertod und zwar vom unmittelbaren Hungertod bedroht. Sie wissen, der Westen, Darfur ist eine Welt für sich in diesem riesen Land, 2,5 Millionen Quadratkilometer hat der ganze Sudan, also ist weiter als das größte Land von Afrika. Aber der Darfur liegt sehr weit vom eigentlichen Sudan entfernt, denn das Niltal ist ja der historische Sudan, von Nubia im Norden bis zu den Dinka, Nuer, Shur, Shilluk im Süden und der Westen, das sind diese riesigen verlassenen Hochplateaus, der Jebel Marra zum Beispiel, der höchste Berg, der ist 3000 Meter hoch und dort leben diese Fur, die Zaghawa, zwei uralte, aber nie ganz in den Sudan integrierte Kulturvölker, die jetzt einem Genozid, also jetzt seit anderthalb Jahren, einem Genozid anheim gefallen sind und das genau jetzt zehn Jahre nach dem Genozid in Ruanda. Jedermann hat gesagt, wie konnte das in Ruanda 94, Juni 94 passieren, eine Million Menschen dahingemacht in einem Völkermord und jetzt passiert es haargenau, wiederum in der gleichen internationalen Indifferenz, wir haben also gar nichts daraus gelernt.
Remme: Herr Ziegler, ich will einmal eine Kette aufbauen: kein Öl, keine Rohstoffe, keine Kameras, keine Hilfe. Ist das so richtig?
Ziegler: Etwas schematisch, wenn ich das sagen darf, stimmt das haargenau. Da sterben, wahrscheinlich sind jetzt über 100.000 Menschen schon gestorben und zwar nicht einfach am Hunger, das ist nicht einfach eine Dürrekatastrophe, sondern die Dschandschawid, das islamistische Regime von Khartum tötet ja mit Söldnern, mit Proxies und diese Reitermilizen, die zerstören wirklich wie die apokalyptischen Reiter die Hirsefelder, Hirse ist das Grundnahrungsmittel, zerstören die Dörfer, brennen die ab. Ich habe im letzten Januar einige dieser fürchterlichen Gebiete verbrannter Erde gesehen, Menschen werden hingemacht. Also, wenn die Dschandschawid in ein Dorf kommen, sind ja meistens die jungen Männer schon in die Berge geflohen und dann werden die Kinder, Frauen, wer noch da ist, Tiere, einfach systematisch umgebracht.
Remme: Herr Ziegler, wer kann diese Situation von außen am ehesten beeinflussen?
Ziegler: Die Weltgemeinschaft, wie man das so schön sagt. Der Sicherheitsrat müsste ganz massiv Druck machen auf die Regierung von Khartum, die ist verantwortlich. Natürlich ist nicht die reguläre sudanesische Armee, wie in Juba, im Süden, im tropischen Süden impliziert, sondern es sind diese Reitermilizen, die man unterscheiden kann, die hellere Haut und so weiter, die diese fürchterliche Arbeit verrichten und deshalb sagt die sudanische Regierung immer, das sind Stammeskriege und das sind interne ethnische Auseinandersetzungen und so weiter. Das ist einfach gelogen. Die europäischen Mächte, von denen der Sudan ja entwicklungshilfemäßig sehr stark abhängt, also, die Europäische Union müsste da ganz massiv durchgreifen und die sudanesische Armee zwingen, dort nicht nur die Hilfsgüter endlich durchzulassen auf den zwei, drei West-Zentrum-Achsen, Straßenachsen, es gibt ja praktisch keinen anderen Zugang als zwei Straßen, sondern auch die Ordnungsfunktion wahrzunehmen und die eigenen Bürger vor dem Völkermord zu schützen.
Remme: Ich will noch auf die humanitäre Hilfe eingehen, ich habe sie eingangs erwähnt. Ist diese Hilfe so, wie ich sie beschrieben habe und so, wie sie die Malteser jetzt leisten, angesichts der herrschenden Gewalt, wie Sie sie beschrieben haben, überhaupt möglich und sinnvoll?
Ziegler: Es gibt zwei Aspekte. Ganz sicher ist jede Hilfe, die ein Kind einen Tag weiter am Leben hält, sinnvoll. Natürlich, menschliches Leben ist immer sinnvoll, auch wenn es ganz prekär ist. Es gibt zwei Situationen, es gibt 170.000 inventarisierte, wahrscheinlich sehr viel mehr Flüchtlinge im Tschad, Sie wissen, dass die Zaghawa zum Beispiel, aber auch die Fur beiderseits der nationalen, im Berliner Kongress Ende des neunzehnten Jahrhunderts künstlich fixierten Grenze leben. Der Tschad, im ganzen Osten des Tschads, dort leben die Flüchtlinge und die sind jetzt mehr oder weniger geschützt durch die internationale Gesellschaft vor den Übergriffen dieser Mördermilizen. Dort kann Hilfe geleistet werden in, ich sage nicht in Sicherheit, aber doch fast in normaler Weise und dort muss sie geleistet werden, ganz massiv, damit wenigstens diese Flüchtlinge überleben können. Innerhalb des Darfur, dort wo die Internally Displaced Persons sind, die überleben, die herumirren in den Bergen und langsam zugrunde gehen, die zu erreichen, das ist unglaublich schwer, aber es muss versucht werden.
Remme: Jean Ziegler war das, der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Herr Ziegler, vielen Dank für das Gespräch.
Ziegler: Ich danke Ihnen.
Remme: Herr Ziegler, die Medien widmen sich dem Thema Darfur nur sehr zögerlich, auch weil die Lage im Land ausgesprochen kompliziert ist, denn es sind ja eigentlich drei Konflikte. Uns interessiert, wie gesagt, der Westen des Landes. Was wissen Sie über die momentane Lage?
Ziegler: Die momentane Lage ist nicht eine Krise, es ist eine Katastrophe. Es sind mehr als eine Millionen Menschen vom Hungertod und zwar vom unmittelbaren Hungertod bedroht. Sie wissen, der Westen, Darfur ist eine Welt für sich in diesem riesen Land, 2,5 Millionen Quadratkilometer hat der ganze Sudan, also ist weiter als das größte Land von Afrika. Aber der Darfur liegt sehr weit vom eigentlichen Sudan entfernt, denn das Niltal ist ja der historische Sudan, von Nubia im Norden bis zu den Dinka, Nuer, Shur, Shilluk im Süden und der Westen, das sind diese riesigen verlassenen Hochplateaus, der Jebel Marra zum Beispiel, der höchste Berg, der ist 3000 Meter hoch und dort leben diese Fur, die Zaghawa, zwei uralte, aber nie ganz in den Sudan integrierte Kulturvölker, die jetzt einem Genozid, also jetzt seit anderthalb Jahren, einem Genozid anheim gefallen sind und das genau jetzt zehn Jahre nach dem Genozid in Ruanda. Jedermann hat gesagt, wie konnte das in Ruanda 94, Juni 94 passieren, eine Million Menschen dahingemacht in einem Völkermord und jetzt passiert es haargenau, wiederum in der gleichen internationalen Indifferenz, wir haben also gar nichts daraus gelernt.
Remme: Herr Ziegler, ich will einmal eine Kette aufbauen: kein Öl, keine Rohstoffe, keine Kameras, keine Hilfe. Ist das so richtig?
Ziegler: Etwas schematisch, wenn ich das sagen darf, stimmt das haargenau. Da sterben, wahrscheinlich sind jetzt über 100.000 Menschen schon gestorben und zwar nicht einfach am Hunger, das ist nicht einfach eine Dürrekatastrophe, sondern die Dschandschawid, das islamistische Regime von Khartum tötet ja mit Söldnern, mit Proxies und diese Reitermilizen, die zerstören wirklich wie die apokalyptischen Reiter die Hirsefelder, Hirse ist das Grundnahrungsmittel, zerstören die Dörfer, brennen die ab. Ich habe im letzten Januar einige dieser fürchterlichen Gebiete verbrannter Erde gesehen, Menschen werden hingemacht. Also, wenn die Dschandschawid in ein Dorf kommen, sind ja meistens die jungen Männer schon in die Berge geflohen und dann werden die Kinder, Frauen, wer noch da ist, Tiere, einfach systematisch umgebracht.
Remme: Herr Ziegler, wer kann diese Situation von außen am ehesten beeinflussen?
Ziegler: Die Weltgemeinschaft, wie man das so schön sagt. Der Sicherheitsrat müsste ganz massiv Druck machen auf die Regierung von Khartum, die ist verantwortlich. Natürlich ist nicht die reguläre sudanesische Armee, wie in Juba, im Süden, im tropischen Süden impliziert, sondern es sind diese Reitermilizen, die man unterscheiden kann, die hellere Haut und so weiter, die diese fürchterliche Arbeit verrichten und deshalb sagt die sudanische Regierung immer, das sind Stammeskriege und das sind interne ethnische Auseinandersetzungen und so weiter. Das ist einfach gelogen. Die europäischen Mächte, von denen der Sudan ja entwicklungshilfemäßig sehr stark abhängt, also, die Europäische Union müsste da ganz massiv durchgreifen und die sudanesische Armee zwingen, dort nicht nur die Hilfsgüter endlich durchzulassen auf den zwei, drei West-Zentrum-Achsen, Straßenachsen, es gibt ja praktisch keinen anderen Zugang als zwei Straßen, sondern auch die Ordnungsfunktion wahrzunehmen und die eigenen Bürger vor dem Völkermord zu schützen.
Remme: Ich will noch auf die humanitäre Hilfe eingehen, ich habe sie eingangs erwähnt. Ist diese Hilfe so, wie ich sie beschrieben habe und so, wie sie die Malteser jetzt leisten, angesichts der herrschenden Gewalt, wie Sie sie beschrieben haben, überhaupt möglich und sinnvoll?
Ziegler: Es gibt zwei Aspekte. Ganz sicher ist jede Hilfe, die ein Kind einen Tag weiter am Leben hält, sinnvoll. Natürlich, menschliches Leben ist immer sinnvoll, auch wenn es ganz prekär ist. Es gibt zwei Situationen, es gibt 170.000 inventarisierte, wahrscheinlich sehr viel mehr Flüchtlinge im Tschad, Sie wissen, dass die Zaghawa zum Beispiel, aber auch die Fur beiderseits der nationalen, im Berliner Kongress Ende des neunzehnten Jahrhunderts künstlich fixierten Grenze leben. Der Tschad, im ganzen Osten des Tschads, dort leben die Flüchtlinge und die sind jetzt mehr oder weniger geschützt durch die internationale Gesellschaft vor den Übergriffen dieser Mördermilizen. Dort kann Hilfe geleistet werden in, ich sage nicht in Sicherheit, aber doch fast in normaler Weise und dort muss sie geleistet werden, ganz massiv, damit wenigstens diese Flüchtlinge überleben können. Innerhalb des Darfur, dort wo die Internally Displaced Persons sind, die überleben, die herumirren in den Bergen und langsam zugrunde gehen, die zu erreichen, das ist unglaublich schwer, aber es muss versucht werden.
Remme: Jean Ziegler war das, der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Herr Ziegler, vielen Dank für das Gespräch.
Ziegler: Ich danke Ihnen.