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Unser täglich Brot

Das Rationalisierungskuratorium für Landwirtschaft ist eine Institution aus Bauern und Lohnunternehmern, aus landwirtschaftlichen Beratern und Sachverständigen sowie Wissenschaftlern und Landmaschinenfirmen und vertritt überwiegend die Interessen der Großlandwirte. Wie der Name schon vermuten lässt - Ziel des RKL ist es, mit Hilfe von technischen und organisatorischen Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit zu steigern und die Produktivität zu erhöhen. In Neumünster im Bundesland Schleswig-Holstein fand nun die Jahrestagung des RKL statt, und dabei ging es unter anderem um die Entwicklung auf dem Getreidemarkt, dem Rohstoff für unser tägliches Brot.

Annette Eversberg | 09.01.2004
    Der Beitritt der so genannten MOEL-Staaten Mittel- und Osteuropas, wie Estland, Tschechien oder Polen, um nur einige zu nennen, ist im Getreideanbau keinesfalls zu vernachlässigen. Die Produktionskapazitäten wurden bereits auf dem Weltmarkt für Getreide deutlich spürbar, erläutert Dr. Klaus-Dieter Schumacher vom Agrarhandelsunternehmen Toepfer International in Hamburg:

    Wir haben in den letzten beiden Jahren gesehen, dass die Länder Mittel- und Osteuropas zu Nettoexporteuren geworden sind in der Größenordnung von 10 Millionen Tonnen, die insbesondere im Wirtschaftsjahr 2002/2003 exportiert wurden.

    Doch es kommt noch zu erheblichen Schwankungen. In diesem Jahr erwarten die Länder Mittel-und Osteuropas eine sehr schlechte Ernte, so dass sich das Angebot auf dem Weltmarkt wieder verändern wird. Ein Horrorszenario zu entwerfen, nach dem die deutschen Marktfruchtbetriebe, die Weizen, Gerste, Raps oder Zuckerrüben anbauen, ihren bisherigen Wettbewerbsvorteil verlieren könnten, sei demnach nicht angebracht. Auch deshalb nicht, betont Klaus-Dieter Schumacher, weil die landwirtschaftlichen Strukturen noch längst nicht auf Westniveau sind:

    Alle kennen das Beispiel der polnischen Agrarstruktur, wo wir Betriebe von unter 5 Hektar haben. Aber ganz generell kann man sicher sagen, dass ein erheblicher Teil der Landwirtschaft Subsistenzwirtschaft ist, und dass sich diese Strukturen nur sehr, sehr langsam hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen verändern werden, wo dann eine marktfähige Erzeugung zur Verfügung stehen wird.

    Andererseits sehen junge Landwirte aus Deutschland nach dem EU-Beitritt Polens für sich Chancen, die es bisher so noch nicht gab, sagt Hagen Reinbeck, Student an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen:

    Es gibt große Perspektiven, vor allem, wenn man in die Praxis will, dann schon mal in den Osten zu gucken, die großen Flächen und die Prämien. Es gibt auch eine Preisstützung, und es gibt eine gewisse Sicherheit, die einhergehen wird mit der Reform, die auf die Ostländer übertragen wird. Ich denk,e da sind Chancen im Ackerbau, weil das einfach der sicherste landwirtschaftliche Bereich ist, denke ich schon.

    Vom Prämiensystem der EU profitieren tatsächlich zunächst einmal die osteuropäischen Ländern, die bisher gänzlich ohne solche Prämien gewirtschaftet haben. So bekommt ein ungarischer Marktfruchtbetrieb zwischen 200 und 250 Euro pro Hektar. Dafür werden die bisherigen EU-Länder weniger Prämie pro Hektar Fläche erhalten. Allerdings kann man nicht gleich damit rechnen, dass auch der Gewinn steigt. Denn wie das Beispiel Portugals oder Spaniens nach dem Beitritt gezeigt hat, erhöhen sich gleichzeitig die Arbeitslöhne, die jetzt noch einen Wettbewerbsvorteil eines ungarischen oder ukrainischen Spitzenbetriebes ausmachen. Deshalb ist auch die EU-Agrarreform, die zudem bundesweit eine Neuverteilung der Prämien bedeuten wird, für Professor Volker Petersen von der Universität Halle kein Nachteil für leistungsfähige deutsche Marktfruchtbetriebe:

    Die Prämien werden, je nachdem, wo der Marktfruchtbetrieb ist, sich ändern. Im Saarland wird der Betrieb ein bisschen besser da stehen, als in Schleswig-Holstein. Aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sich die Leistungsfähigkeit von Marktfruchtbetrieben nicht wesentlich ändern werden.

    Die Prämien sind für Landwirte jedoch nicht alles. Der Getreidemarkt schafft Möglichkeiten, auch ohne Prämien zu arbeiten. Und es gibt bereits Landwirte wie Jost Schwerdtfeger, der einen Hof zwischen Kiel und Eckernförde bewirtschaftet, die dies ernsthaft berücksichtigen, weil sie zu Weltmarktbedingungen produzieren wollen:

    Wenn ich hier persönlich überlege, für meinen Betrieb zuhause in der Zukunft, dann berechne ich alle Szenarien ohne Prämie, weil ich nicht in nächster Zeit damit rechnen kann, dass sie auf 10 bis 20 Jahre festgeschrieben wird.

    Bei solchen Überlegungen spielt auch zunehmend die Differenzierung eine Rolle, die selbst große Ackerbaubetriebe, wie der des Vorsitzenden des RKL, Eberhard Herweg, der insgesamt 4000 Hektar in Deutschland und Polen bewirtschaftet, nicht vernachlässigen sollten:

    Ich denke, dass wir in der Vergangenheit, der eine oder andere vielleicht auch Fehler gemacht hat, indem er sich zu schnell von irgendwelchen Produktionsrichtungen verabschiedet hat. Und wenn heute Betriebe 8 Stunden pro Hektar im Feld arbeiten, dann sind das bei 100 Hektaren erst 800 Stunden, und das reicht in keinem seriösen Beruf aus, eine Familie zu ernähren.