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Unsichere Aussichten für Schnapsbrenner

Die Herstellung von Alkohol ist in Deutschland steuerpflichtig. Rund ein Drittel des produzierten Schnaps kauft der Staat zu einem Festpreis - für die Schnapsbrenner im Land bisher ein sicheres Einkommen. Allerdings nur noch bis 2017.

Von Michael Brandt |
    Es ist sieben Uhr morgens und Tobias Müller in Oberkirch heizt seine Brennblase an. Unten sieht sie aus wie ein Apparat zum Mandelbrennen auf dem Jahrmarkt.

    "Das ist eine Brennerei mit einem Wasserbad, hier unten tun wir mit Holz heizen, dann wird dieses Wasserbad erhitzt."

    Tobias Müller ist Mitte 30 und Juniorchef des Obstbaubetriebes in Oberkirch-Zusenhofen. Er wird den Tag heute im Schuppen beim Schnapsbrennen verbringen. Für ihn ein angenehmer Tag:

    "Ich mein´, bei dem Wetter ist das eigentlich eine schöne Arbeit, da sitzt man im Trockenen und im Warmen, das ist besser als Draußen jetzt im Matsch und im Regen rumzurennen. Und man kann auch nebenher ein bisschen Büro machen."

    Entsprechend hat er es heute auch locker angehen lassen, was die Kleidung angeht. Seine Füße stecken nicht in schweren Arbeitsstiefeln, sondern in ausgetretenen Badelatschen. Das Büro kommt aber später, erst mal wird die Brennblase gefüllt. 120 Liter vergorene Apfelmaische kommen in den Kupferkessel, ein blubbernder gelber Brei.

    Dann schließt Müller die Einfüllklappe und erklärt, was mit dem Brei in den kommenden 40 Minuten passiert, denn nur die untere Hälfte der Brennblase sieht aus wie ein Kessel zum Mandelbrennen, oben gibt es ein Gewirr aus Röhren und Schläuchen.

    "In der Kupferblase ist dann die Brennmaische drinnen, hier ist ein Rührwerk, das die Maische umrührt, durch die Erhitzung steigt dann der Alkoholdampf nach oben, geht dann in den Verstärker, hier ist dann eine Kühlspirale, sodass dann nur der ganz gute, starke Alkohol rübergeht."

    Nach etwa einer Viertelstunde fließt der erste gute, starke Alkohol aus einem dünnen Rohr, zuerst ist es ein kleiner Strahl, dann wird er immer dicker.

    Zu Besuch bei den Müllers ist an diesem Morgen Klaus Lindenmann, der Geschäftsführer des badischen Kleinbrennervereins. Logisch, dass der seinen Sitz ebenfalls in Oberkirch hat, denn die Gemeinde in den Ausläufern des Schwarzwalds in Richtung Rheintal bezeichnet sich selbst als die Hauptstadt der Schnapsbrenner. Das geht zurück, erzählt Lindenmann, auf eine Begebenheit im Jahr 1726.

    "Der Bischof von Straßburg hat hier den Landwirten erlaubt, Kirschen anzubauen und dann zu brennen, und weil hier schon immer ein starkes Obstbaugebiet war, sind hier dann die meisten Brennrechte entstanden. Sicherlich auch bedingt durch die Nähe zu Straßburg."

    Um Schwarzwälder Kirschwasser, oder wie an diesem Morgen einfachen Obstler zu brennen, braucht man also ein Brennrecht. Für die Familie Müller bedeutet das, dass sie an genau zehn Tagen im Jahr Schnaps brennen darf.

    "Das muss man vorher beim Zoll anmelden, dann kommt auch mal ein Zollbeamter durch und macht dann Stichproben, und schreibt es dann ins Buch. Jeder hat ein Brennbuch."

    Pro 100 Liter Kernobstmaische muss Müller später 3,6 Liter reinen Alkohol bei der Zollverwaltung abgeben, oder wie er sagt:

    "Den Teil, den liefern wir dann ab ans Monopol für die Steuer."

    Das funktioniert so: Die Herstellung von Alkohol, also das Schnapsbrennen, ist steuerpflichtig. Diese Steuern werden aber beim Kernobst nicht mit Geld, sondern mit Naturalien bezahlt, nämlich mit Alkohol.

    Rund ein Drittel dessen, was mittlerweile in einem kräftigen Strahl aus dem dünnen Rohr am unteren Ende der Brennblase fließt, kauft der Staat also zu einem Festpreis von rund 3,50 Euro pro Liter. Dieser Festpreis hat über die Jahre geholfen, das Einkommen der Obstbauern zu sichern, zumal in schlechten Jahren.

    Mittlerweile steht fest, dass dieses Monopol Ende 2017 fallen wird. Für Tobias Müller eine unsichere Perspektive:

    "Das bedeutet dann, dass dann mehr Alkohol am Markt ist und das wird wohl unweigerlich zu einer Reduzierung des Preises führen."

    Und Klaus Lindenmann vom Kleinbrennerverband ergänzt, dass diese Änderung insbesondere kleine Brennereien bedroht, deren Obst auf Streuobstwiesen wächst und nicht in intensiv bewirtschafteten Plantagen.

    "Für den ein oder anderen Brenner sicherlich. Wir haben seit Jahren durch den Strukturwandel zurückgehende Brennerzahlen. Durch diese Änderung 2018 wird dieser Trend sicherlich verstärkt."

    Oberkirch, die Hauptstadt der Schnapsbrenner, liegt übrigens im Wahlkreis des obersten Dienstherren der Monopolverwaltung, von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dennoch hört man bei Obstbauer Müller und bei Verbandsfunktionär Lindenmann kein schlechtes Wort über die deutsche Politik.

    "Wir haben 2003 die Verlängerung bis 2010, schon damals hat der Agrarkommissar Fischler gesagt, Ende 2010 ist Ende der Fahnenstange. Dann haben wir jetzt nochmal eine Verlängerung bis 2018 gekriegt. Das ist im Endeffekt der deutschen Politik zu verdanken."

    Jetzt sei immerhin noch etwas Zeit, um nach Lösungen zu suchen, wie das Kulturgut Kleinbrennerei auch über das Jahr 2018 hinaus gesichert werden kann.

    Die Maische in der Brennblase von Tobias Müller ist inzwischen ausgekocht, aus dem Rohr tropft zwar noch etwas, aber Alkohol ist kaum noch dabei. Rund zehn Liter Schnaps schwappen in der großen Aluminiumkanne unter dem Auslauf und mit einem geübten Schwung kommt er in ein blaues Fass.

    Zwei Drittel werden unter anderem im eigenen Hofladen vermarktet, der Rest geht, wie Müller sagt, ans Monopol. Bis 2017.