Archiv


Unter Genossen

Mit einer satten absoluten Mehrheit und wohlwollenden Umfrageergebnissen regiert Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz die Hansestadt. Selbst politische Gegner bescheinigen ihm solide Amtsführung - und rätseln über das Erfolgsrezept.

Von Verena Herb |
    Gestern Vormittag in der Hamburger Hafencity – 20.000 Fans begrüßen die deutschen Olympioniken fahnenschwingend und mit großem Jubel. Selbst Bürgermeister Olaf Scholz zeigt sich – für seine Verhältnisse – beflügelt von der Stimmung:

    "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen. Ich glaube, man kann sich kaum etwas Besseres vorstellen, als mit dem Schiff im Hamburger Hafen anzukommen. Und im Übrigen ist das eine begeisterte Sportstadt. Und deshalb ist das hier auch eine lässige Party."

    Scholz ist nicht lässig. Stattdessen wirkt Hamburgs erster Bürgermeister hanseatisch-spröde, zeitweise hölzern. Große Gesten sind seine Sache nicht. Er überzeugt eher im Vis-a-vis-Gespräch: Der Mann hat Witz. Ansonsten hat Scholz sich immer unter Kontrolle. Gleiches gilt für die Politik in der Hansestadt.

    "Aus meiner Sicht ist Scholz ein Regierungsminimalist, der es schafft, mit vergleichsweise geringem Aufwand – auch mit geringem Aufwand einzugreifen, zu intervenieren, ein Maximum an Effekt zu erzielen in seinem Sinne."

    Sagt Peter Ulrich Meyer, Leiter der Landespolitik des Hamburger Abendblatts. So mag es der SPD-Politiker, "Pakte" zu schließen. Beispiel: In Hamburg herrscht Wohnungsnot. Er einigt sich mit der Wohnungswirtschaft auf ein "Bündnis für das Wohnen". Olaf Scholz ist kein volkstümelnder Landesvater à la Kurt Beck oder ein Partyhopper wie Klaus Wowereit.

    "Er ist jemand, der sich den Dingen theoretisch abstrakt nähert, aber mit großer Sensibilität für die Problemlagen auch einzelner Menschen."

    "Hamburg muss ordentlich regiert werden". Das war der Leitspruch des 54-Jährigen. Und das wird jetzt durchgesetzt.

    Scholz: "Was wir versprechen, das halten wir auch."

    Kostenlose Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren – abgehakt. Abschaffung der Studiengebühren – gilt ab diesem Wintersemester. Der teilweise Rückkauf der Versorgungsnetze für Gas, Strom und Fernwärme: Im November letzten Jahres bereits wurden die Verträge zwischen der Stadt und den Energiekonzernen unterzeichnet.

    "Es wird sehr effektiv regiert."

    Meint Politjournalist Peter Ulrich Meyer – und selbst Scholz’ Vor-Vorgänger Ole von Beust, CDU, stellt dem Sozialdemokraten ein gutes Zeugnis aus:

    "Ich kann soviel sagen: Ich finde, dass er das persönlich, als Person, solide macht."

    Ordentlich, solide – Worte, die in den Ohren so manchen Hamburgers wunderbar klingen: nach Jahren schwarz-grüner Selbstfindung und Monaten desaströs-dilettantischer Regentschaft eines Interimsbürgermeisters Christoph Ahlhaus. Während der den großen Auftritt auf Empfängen und Partys genoss und sich mit seiner FiLa, der First Lady Simone, für deutsche Hochglanzmagazine ablichten ließ, pflegt Olaf Scholz das Image des Vollblutpolitikers mit vollem Terminplan. An manchen Tagen spult er ein Marathonprogramm ab – eilt von einer Schuleröffnung zum Interview, dann zum Staatsempfang und der abendlichen Präsidiumssitzung. Sein Anspruch: Gut vorbereitet sein. Sein Ruf: Der des detailverliebten Aktenfressers.

    "Ich nehme ihn wahr als sehr technokratisch und zentralistisch. Also: Es werden Dinge abgearbeitet, der Reihe nach. Das ist auch vernünftig, wenn man nach einer Wahl die Wahlversprechen abarbeitet. Aber ich glaube, es bildet sich kaum Raum, flexibel zu handeln, auch auf Kritik einzugehen."

    Schildert Markus Weinberg, CDU-Bundestagsabgeordneter und Landeschef der Christdemokraten an der Alster, seine Eindrücke. Er wirft dem ehemaligen Bundesarbeitsminister vor, keine neuen Impulse für die Stadt zu setzen und fragt sich:

    "Ja, wo soll denn Hamburg in 20 Jahren stehen? Noch einmal: Es ist gut, auch gut zu regieren. Das ist für Hamburg gut, für Bad Segeberg, Bad Oldesloe. Die müssen alle gut regiert werden die Städte. Aber eine Stadt wie Hamburg, eine Metropole, muss auch noch das gewisse Etwas haben. Eine Vision. Und die muss auch jemand verkörpern, der an der Spitze der Stadt steht."

    Von weitschweifenden zukunftsideellen Visionen hält Scholz aber so viel wie Helmut Schmidt: Nämlich gar nichts. Lieber behält "König Olaf", wie er genannt wird, im Hier und Jetzt das Zepter in der Hand. Dessen ist sich sein Weggefährte Detlef Scheele, der von Scholz als Sozialsenator an die Elbe geholt wurde, durchaus bewusst. Auch wenn er betont:

    "In der Regel ist es so, dass Entscheidungen sorgfältig, auch über einen längeren Zeitraum vorbereitet werden. Daran werden viele beteiligt. Die unmittelbar Zuständigen. Und am Ende wird in der Regel gemeinsam entschieden."

    Detlef Scheele hatte hörbar Schwierigkeiten, die richtigen Worte über seinen Chef und dessen Regierungsstil zu finden. Er hat sich auch einige Tage Zeit genommen für die Entscheidung, ob er zum Thema ein Interview gibt. Dabei ist Scheele einer der gestandeneren Mitglieder im Hamburger Senat und weiß Olaf Scholz durchaus zu nehmen. Von anderen Senatoren ist überliefert, sie hätten manchmal ein bisschen Angst vor ihrem Vorgesetzten. Beweise gibt es dafür freilich nicht. Doch zeigt sich ganz deutlich: Der Regierungschef hat die Truppe im Griff. Abendblatt-Redakteur Peter Ulrich Meyer:

    "Er ist niemand, der laut wird. Auch nicht nach außen laut wird. Man hat in diesem Jahr, oder fast schon anderthalb Jahren, noch nicht ein einziges Wort öffentlicher Kritik an einem Senator von ihm gehört. Oder an seiner Partei. Er hält sich, was das angeht, auch intern stark zurück. Gleichzeitig hat er eine so starke Stellung, dass die Dinge in seinem Sinne funktionieren."

    Die Partei ist ihm zu Dank verpflichtet: Gerhard Schröders einstiger Generalsekretär hat es geschafft, eine in den vergangenen Jahren zerstrittene Partei – die zudem auch programmatisch schwach war – zu einen und zur absoluten Mehrheit zu führen. So mancher SPD-Parlamentarier wird ihm das niemals vergessen. Doch Markus Weinberg, Landeschef der CDU, hört bereits schon "die Nachtigall trapsen" beim politischen Kontrahenten:

    "Wir wissen natürlich auch, dass es in der SPD Riesenkonflikte gibt, die momentan natürlich überschattet werden von der absoluten Mehrheit."

    Doch die SPD-Mehrheit ist nach wie vor stabil. In Umfragen liegen Olaf Scholz und seine Genossen aktuell bei 52 Prozent.