
In der gesamten westafrikanischen Sahelzone haben islamistische Terrorgruppen die Zahl ihrer Angriffe massiv erhöht. Allein in Mali, Niger und Burkina Faso starben im vergangenen Jahr mindestens 4.800 Zivilisten durch Terroranschläge und ethnische Gewalt - zehn Mal so viele wie noch 2014. Und das, obwohl westliche Staaten und die Vereinten Nationen mehr als 20.000 Kämpfer im Einsatz haben – darunter, nach UN-Angaben, eine steigende Zahl von privaten Militärunternehmen und Söldnern. Dem französischen Sender France 24 erzählte Fremdenlegionär Giacomo, worum es ihm und seiner Kompanie im Sahel geht.
Die Fremdenlegionäre zielen auf die beiden Angreifer, die ihren Verletzungen wenig später erliegen. Dass Frankreich im Sahel nicht nur die eigenen Soldaten einsetzt, ist selten ein Thema.
Fremdenlegionäre beim Morgenappell in einer Kaserne in Frankreich, ausgestrahlt vom französischen Sender France 24. Die heute gut 10.000 Kämpfer der Legion stammen aus rund 150 Nationen. Sie eint, dass sie gerne in den Krieg ziehen, das Töten also nicht scheuen, und damit Geld verdienen. Sie werden dabei - anders als Soldaten - von einem Staat bezahlt, der nicht ihre Heimat ist.
"Erstens als tendenziell aktiennotierte kapitalistisches Unternehmen, das eigentlich allen Geschäftsanforderungen entspricht, also private militärische Dienstleistungsanbieter, bei denen man sagen kann, dass vor allen Dingen die USA ihre militärische Interventionsfähigkeit von Afghanistan bis vor allen Dingen zum Irak sicherstellen, indem sie militärische Arbeitskraft aus aller Herren Länder ankauften."
Gründer und langjähriger Geschäftsführer der Firma war 1996 Erik Prince, ehemals Mitglied einer Spezialeinheit der US-Armee. 2018 hielt ihm der Al-Jazeera-Journalist Mehdi Hassan einige der Gewalttaten vor, die Kämpfer von Blackwater im Irak begangen hatten:
"2005 feuerten Blackwater-Mitarbeiter 70 Schüsse auf das Auto eines irakischen Zivilisten ab. Das US-Außenministerium musste ermitteln. 2006 feuerten Angestellte von Blackwater wild in eine Ansammlung von irakischen Zivilisten, wobei sie unter anderem den Fahrer eines Krankenwagens töteten. Das geht aus durchgesickerten Dokumenten des US-Verteidigungsministeriums hervor. Im September 2007 schossen Angestellte von Blackwater auf Zivilisten und töteten mindestens 14 von ihnen. Der Vorfall wurde als das "Nisour Square-Massaker" bekannt, es wird auch der "Blutige Sonntag Bagdads" genannt. Das ist das, woran sich viele Menschen erinnern, wenn sie den Namen "Blackwater" hören."
"Die Firma hat genau das gemacht, wozu uns die US-Regierung beauftragt hat: Diplomaten und Wiederaufbauhelfer zu schützen, Mitglieder der Vereinten Nationen und anderer Delegationen. Wir haben mehr als 100.000 Missionen ausgeführt, und nicht einer der uns Schutzbefohlenen wurde getötet oder verletzt. Die Leute versuchen immer wieder, Blackwater als übermäßig aggressiv darzustellen, aber nur in einem halben Prozent aller Einsätze wurde überhaupt ein Schuss abgefeuert."
In Reaktion auf die Skandale im Irak änderte die Firma mehrfach den Namen, zuletzt 2011 in "Academi". Prince verkaufte das Unternehmen 2010 und gründete eine neue Firma: Die "Frontier Services Group", ein Sicherheits- und Logistikunternehmen mit Sitz in Hongkong und Fokus auf Afrika.
"Einer der frustrierenden Punkte bei der Recherche dieser privaten Militärunternehmen wie Dyncorps ist folgender: sie erfüllen eine staatliche Funktion, bekommen Geld der US-amerikanischen Steuerzahler. Sie fliegen Flugzeuge, die der US-Regierung gehören, sie nutzen US-Luftwaffenbasen. Sie tun alles, was sie tun im Namen des US-amerikanischen Volkes. Aber wenn man Informationen von ihnen möchte, dann sagen sie: Oh nein, wir sind ein privates Unternehmen, wir müssen nicht mit ihnen reden, wenn wir keine Lust haben. Sie berufen sich noch nicht einmal auf nationale Sicherheit. Es ist unmöglich, Antworten zu bekommen. Unmöglich sogar für Kongressabgeordnete."
Das ist einer der Gründe für den anhaltenden Boom dieser Unternehmen, meint der Politikwissenschaftler Herbert Wulff. Er hat sich auf Friedens- und Konfliktforschung spezialisiert.
"Die Situation ist so, dass nach wie vor sehr viele Regierungen diese privaten Firmen nutzen wollen, weil sie sich damit so ein bisschen aus der Verantwortung herausstehlen können. Die privaten Firmen werden eingesetzt vor allen Dingen dann, wenn, wie beispielsweise in den USA oder auch in Großbritannien aufgrund der gefallenen Soldaten in Kriegen und Konflikten, es nicht sehr populär ist, diese Soldaten einzusetzen. Oder auch wie im Fall Russlands, wenn man Ziele erreichen will - wie in der Ukraine beispielsweise - aber nicht die Verantwortung dafür als formal verantwortliche Regierung übernehmen will."
"Russland hat in den vergangenen vier Jahren 19 Militärabkommen mit verschiedenen afrikanischen Staaten geschlossen. Einerseits bietet Russland Militärexpertise, also Beratung bei Strategien, bei Fragen der Rüstung, bei Fragen militärischer Aktion, andererseits aber auch ganz konkret militärisches Material. Das kann von Hubschraubern bis zu Panzern bis hin zu Modellen einer Kalaschnikow auch dieses sein."
Dabei stoßen Russland und russische Militäranbieter auf starke westliche Konkurrenz. Wobei deren Gebaren nicht transparenter ist als das der Russen.
Wie die Drohnenaufnahmen zeigten, wurden die verwundeten Soldaten von einem zivilen Bell 214-Hubschrauber geborgen. Er gehörte dem Sicherheitsunternehmen Erickson. Offenbar war auch eine zweite Transportfirma namens Berry Aviation alarmiert worden. Die wirbt auf ihrer Internetseite unverhohlen mit ihren engen Verbindungen zur US-Armee. Allein für Africom, das US-Kommando für Afrika mit Sitz in Stuttgart, arbeiten in Nordafrika und im Sahel 21 amerikanische militärische Dienstleister. Dort verdienen außerdem etliche weitere Sicherheits- und Militärunternehmer ihr Geld. Sie stammen aus Frankreich, Großbritannien, Russland und der Ukraine, aber auch aus dem Irak, Nigeria und Ghana.
Ihre Auftraggeber sind immer häufiger keine Staaten, sondern private Unternehmen, die beispielsweise ihre Grundstücke, ihre Erdölanlagen oder Minen für den Bergbau sichern. Der Markt ist also unübersichtlicher denn je, und das trotz langjähriger internationaler Bemühungen, den Einsatz solcher Sicherheitsfirmen und Militäranbieter zu kontrollieren. Das Ziel: Kriegsverbrechen durch mögliche Sanktionen zu verhindern, das Leben von Zivilisten zu schützen.
Eine Linie, auf die sich schon Blackwater im Irak bezogen hat, um den Einsatz militärischer Gewalt zu rechtfertigen. Bisweilen sind aber die schutzbefohlenen Objekte oder Personen legitime militärische Ziele, beispielsweise der Befehlshaber einer Armee, der sich von einem privaten Unternehmen schützen lässt. Solche Fälle hat es tatsächlich gegeben. Fast zwangsläufig wird der Militärdienstleister in Kämpfe verwickelt. Sassòli hat gegenüber den privaten Akteuren im Krieg eine widersprüchliche Haltung.
Soldaten, die Zivilisten töten, verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht. Sie können und sollen von der Militärjustiz ihrer Staaten belangt werden. Das allerdings geschieht viel zu selten. Ein Beispiel unter vielen: der Sahel. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und der UN-Mission MINUSMA begehen Soldaten der Armeen von Burkina Faso, Mali und Niger immer mehr Verbrechen an Zivilisten. Sanktionen bleiben in aller Regel aus. Für den Fall, dass ein Staat untätig bleibt, gibt es eine zweite, die internationale Ebene, sagt der Politikwissenschaftler Herbert Wulff.
"Und hier drücken sich viele Länder, je mächtiger sie sind, umso mehr drückten sie sich davor, den internationalen Strafgerichtshof anzuerkennen. Und in den USA ist dies ganz eindeutig der Fall gewesen. Genau damit nicht die Streitkräfte zur Rechenschaft gezogen werden können von einem internationalen Gericht. Das ist die Schwäche des Völkerrechts, wie wir es bis heute kennen, dass es eben auf internationaler Ebene sehr schwer nur durchsetzbar ist."
Söldner und private Militärunternehmer unterstehen nicht der Militärjustiz, sondern der zivilen Gerichtsbarkeit ihres Heimatlandes. Deshalb konnten US-Gerichte die Blackwater-Mitarbeiter für Verbrechen im Irak verurteilten. Aber auch solche Verfahren sind ausgesprochen selten, weil es selten einen Kläger gibt. Und weil es für zivile Richter schwierig ist, das Geschehen in einem Konflikt im Ausland zweifelsfrei zu rekonstruieren.
"Das ist so wie mit dem Krieg. Der Krieg ist ja auch verboten. Aber ich glaube nicht, dass man durch eine Konvention, und dass man durch Regeln des humanitären Völkerrechts den nun eliminiert. Und damit ist eher die Frage, dass man einen regulatorischen Rahmen schaffen muss."
Auch daran wird gearbeitet. Auf Initiative der Schweiz wurde vor zehn Jahren ein internationaler Verhaltenskodex ins Leben gerufen, das so genannte Montreux-Dokument. Private Sicherheitsanbieter sollen sich zertifizieren, auf bestimmte Regeln verpflichten und sich gegebenenfalls einem Beschwerdeverfahren unterwerfen. Der Kodex bezieht Vertreter aus dem Sicherheitssektor, Nichtregierungsorganisationen und Regierungen mit ein. Bisher sind nur knapp einhundert Unternehmen dem Kodex beigetreten. Nicht nur deshalb ist Sassòli skeptisch:
"Ein großes Problem ist natürlich, dass diese ganzen Sachen doch sehr westlich sind. Die chinesischen "Private Military Companies", die gerade in Afrika von großer Bedeutung sind, und die russischen in Libyen zum Beispiel, die sind da natürlich nicht dabei."
(Dies ist eine Deutschlandfunkproduktion aus 2020, Wiederholung vom 17.9.2020)