Simon: Was ändert sich denn praktisch nach dem morgigen Tag, denn vollwertiges EU-Mitglied ist Ihr Land ja erst, wenn alles gut geht, in einem Jahr, wenn die Volksabstimmung und die Ratifizierung über die Bühne gebracht sind.
Migas: Es ändert sich vieles. Natürlich werden wir jetzt als Beobachter arbeiten. Unsere Leute in Brüssel und Bratislava müssen sich sozusagen auf die neuen Aufgaben vorbereiten. Ich möchte sagen, wir haben Erfahrung im Außenverhandlungsprozess durch die lebendigen Kontakte zu Mitarbeitern der Kommission, mit unseren Kollegen und Freunden aus Mitgliedstaaten. Wir haben eine solide Basis geschaffen für eine ganz neue Etappe unserer Arbeit. Ich möchte unterstreichen, dass seit einigen Monaten, eigentlich sofort nach dem EU-Summit in Kopenhagen letzten Dezember, wir mit unseren Vorbereitungen in Brüssel und Bratislava begonnen haben.
Simon: Herr Migas, die Botschafter der Beitrittskandidaten, also auch Sie zum Beispiel, waren ja bisher bei wichtigen Entscheidungen draußen vor der Tür, dann blieben die 15 Botschafter der Alt-EU unter sich. Ändert sich das auch?
Migas: Ja, es ändert sich. Wir müssen aktive Beobachter sein. In ungefähr zwei Wochen werde ich mit meinen Kollegen aus den Beitrittsländern mit meinen Kollegen der heutigen Mitgliedstaaten zusammen an einem Tisch sitzen. Es wird eine ganz andere, neue Situation für uns sein und wir hoffen, dass wir zusammen mit unseren Kollegen aus den Mitgliedstaaten eine Zeit verbringen, wo wir uns, die neuen Mitgliedstaaten, neuen Botschafter, sich gut für die Mitgliedschaft vorbereiten. Wir haben dafür ein Jahr, wir werden nicht stimmen können, aber wir können die Beschlüsse aktiv beeinflussen und ich hoffe, dass auch meine Delegation ganz aktiv tätig sein wird.
Simon: Können Sie sich vorstellen, dass die Beitrittskandidaten ihre Position zum Beispiel absprechen, um sich gegen die Altländer in diesem Jahr, bis sie wirklich volle Mitglieder sind, behaupten zu können oder sind ihre Interessen da zu unterschiedlich?
Migas: Das ist schwer zu sagen jetzt. Ich möchte diese Zeit ehrlich gesagt ausnutzen, um zu lernen und die neue Situation von einem anderen Gesichtspunkt zu sehen. Natürlich werden wir mit unseren Nachbarn Gespräche führen, aber ich möchte keine gemeinsame Position gegen jemanden vorbereiten. Ich glaube, wir müssen jetzt zusammen an einem gemeinsamen Europa arbeiten und die Zeit wird zeigen, wie die Situation dann aussieht. Was ich erwarte, ist eine gute Kooperation mit allen 25 Ländern, die an dem Tisch zusammensitzen werden.
Simon: Wie war das denn bis jetzt, Sie als slowakischer EU-Botschafter, haben Sie sich immer von den 15 Alt-EU-Länder-Botschaftern voll- und ernstgenommen gefühlt oder kamen Sie sich manchmal vor wie der Juniorpartner aus der Slowakei?
Migas: Das war unterschiedlich, aber meine Kollegen und ich sind durch verschiedene Phasen gegangen, aber es herrscht eine sehr positive Atmosphäre, nicht nur zwischen den Kollegen aus den Beitrittsländern, sondern auch zu den Kollegen aus den jetzigen Mitgliedstaaten. Ich persönlich habe das Gefühl nicht gehabt, ich habe sehr gute Beziehungen, zum Beispiel zum deutschen Botschafter, dem österreichischen und den anderen und wir haben uns viel geholfen. Diese Hilfe, besonders in der letzten Phase der Verhandlungen, war sehr wichtig. Wir haben eine solide Basis für eine weitere Zusammenarbeit auch im nächsten Jahr geschaffen.
Simon: Bei allem, von Ihnen so geschilderten, guten Verständnis unter dem Europa-Gedanken - es geht ja in Brüssel um Interessenpolitik. Konkret: wie wollen Sie als slowakischer Vertreter denn den Interessen Ihres eher kleinen Landes in einer Runde von 25 Gehör verschaffen?
Migas: Natürlich haben Sie recht, geht es um Interessen und wir haben schon eine Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen der so genannten Visegrad-Gruppe, das ist eine Gruppe, die besteht aus Polen, Ungarn, Tschechischer Republik und der Slowakei. Natürlich ist das eine Zusammenarbeit, die schon eine Tradition hat und natürlich haben wir Kontakte zu den kleineren Ländern der EU. Ich glaube, wenn wir unsere Interessen verteidigen müssten, werden wir natürlich ganz pragmatisch sein, werden Partner suchen, wie die anderen auch. Als kleines Land ist es immer besser, mit dem so genannten Verbündeten zusammenzuarbeiten als mit einer Position alleine dazustehen.
Simon: Herr Migas, bei all dieser schwierigen Arbeit, die da auf Sie zukommt, wie getragen fühlen Sie sich als slowakischer Botschafter denn von der Stimmung in der Heimat und auch in Ihrer Regierung?
Migas: Die Mitgliedschaft in der EU ist eine Priorität meiner Regierung und meines Landes. Das ist für mich eine Herausforderung, alles zu tun, um zu einem gemeinsamen Europa einen Beitrag zu leisten. Das ist sehr wichtig.
Simon: Das war ein Gespräch mit dem slowakischen EU-Botschafter Juraj Migas vor der morgigen Unterzeichnung der Beitrittsabkommen auf dem EU-Gipfel in Athen.
Link: Interview als RealAudio