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Untote unterwegs

Jan Philipp Glogers "Holländer"-Inszenierung hat trotz löblicher Auftritte einiger Akteure ihre Mängel. Die Kernthese des Regisseurs - der Kommerz verschlingt und verscherbelt alles - wird überall zu deutlich. Zu früh hat man schon zu viel verstanden und weiß, was kommt.

Von Christoph Schmitz |
    Es gibt nur wenige Dirigenten, die mit der komplizierten Akustik des überdeckten Bayreuther Grabens zurechtkommen. Dirigenten, denen es darüber hinaus gelingt, hier einen klanglichen Mehrwert herauszuarbeiten. Christian Thielemann ist einer von ihnen.

    Sogar dem oft so schroffen, überlauten "Fliegenden Holländer" vermag Thielemann auf dem Hügel Farbe und Form zu verleihen. Höchst differenziert ist das Spektrum. Die Konturen widerstreitender Motive und Rhythmen bleiben auch im großen Toben erhalten, etwa wenn sich die Chöre der Holländer- und Daland-Welt ineinander verkeilen. In himmlische Leichtigkeit und Eleganz verzaubert Thielemann das Lied der Spinnerinnen. So ist er mittlerweile zu Recht zum Hausdirigenten der Festspiele geworden.

    Der Vorhang öffnet sich im Sturm- und Brandungsgetöse der Musik, und vor uns ragen als Klippen der norwegischen Steilküste Wände aus finsterstem Schwarz auf, über die geometrische Lichtströme rasen, Datenautobahnen der vernetzten Welt, die Nervenfasern des globalisierten Kapitalismus.

    Bühnenbildner Christoph Hetzer macht es auf eindrückliche Weise sinnfällig. Der Norweger Daland im blauen Businessanzug war in dieser Welt unterwegs, um die Ventilatoren seines mittelständischen Unternehmens zu verkaufen.

    Zurück in der Heimat strandet vor seiner Tür der Holländer, der heimatlose Weltreisende, der überall seine Geschäfte und sündhaft viel Geld gemacht hat, bis zum Selbstekel, wie es scheint. Denn das zahlreiche Dienstpersonal, das um ihn herum für Bequemlichkeit und Wellness sorgt, macht ihn nicht glücklich.

    Der Holländer des Regisseurs Jan Philipp Gloger will keine bezahlten Dienste mehr, sondern die ehrliche Liebe. So ist Glogers Titelheld weder eine mythische Phantomgestalt, noch die Wahnvorstellung einer hysterischen Senta. Sondern: Inbild eines der Gier und des Materialismus überdrüssigen Menschen.

    Auch Senta, Dalands Tochter, hat mit dem System längst gebrochen. Während ihr Vater sie, systemhörig, an den Geschäftsfreund Holländer verhökert, erfährt das Paar für einen glücklichen Moment den Augenblick der wahren Empfindung.

    Das ist von Jan Philipp Gloger alles gut durchdacht und teilweise in erschütternde Bilder gegossen. Vor allem am Ende, wenn der Holländer und Senta sich das Leben genommen haben und wenn zu den apotheotischen Schlussklängen Dalands Fabrikarbeiterinnen keine Ventilatoren in Kisten für den Versand verpacken, sondern farbige Kitschfiguren, Kleinplastiken aus Gips, die das Liebespaar Holländer und Senta darstellen. Der Kommerz verschlingt und verscherbelt alles.

    Samuel Youn, Ersatz-Holländer für den <li_1818337wegen nazi-tattoos="" ausgestiegenen="" evgeny="" nikitin<="" li_1818337="">, machte seine Sache gut, die Anspannung wegen des kurzfristigen Einsatzes war ihm anzumerken. Er wird sich noch frei singen müssen. Fraglich ist, ob er die für die Rolle notwendige Ausstrahlung hat, und jene Zerrissenheit, die Nikitin gewissermaßen in der Haut steckt.

    Adrienne Pieczonka gab der Senta viel Wärme und Entschiedenheit. Sehr schön Franz-Josef Seligs Daland, der Erik und der Steuermann.

    Die Inszenierung aber hat ihre Mängel. Wenn Daland der gewissenlose Fabrikant und Händler unserer Tage sein soll, dann würde man in seinen Werkstätten keine adretten, heiteren Arbeiterinnen erwarten, sondern vom Zeitdiktat getriebene Niedriglöhner. Sentas Ablehnung der Produktionswelt fehlt der anarchische Furor. Das ihr zugedachte Künstlertum ist naiv. Sie gestaltet Schiffe, Wellen und Sterne aus rot bemalter Pappe.

    Jan Philipp Glogers Kernthese wird überall zu deutlich. Zu früh hat man schon zu viel verstanden und weiß, was kommt. Die Matrosen des Norwegers sind allzu brave Burschen.

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    Wagner mit Popcorn - Beginn der 101. Bayreuther Festspiele

    Programmtipp:
    Deutschlandradio Kultur
    Sonntag, 29. Juli, 23.05 Uhr: Resümee der ersten Halbzeit von Jürgen Liebing</li_1818337wegen>