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"Unüberbrückbare Differenzen" zur Linkspartei

Der SPD-Politiker Thomas Oppermann hält das Verhältnis der Sozialdemokraten zur Linkspartei für geklärt. Der Parteirat habe sich dafür ausgesprochen, den Landesverbänden die Entscheidung über eine Zusammenarbeit zu überlassen. Zugleich habe das Gremium deutlich gemacht, dass es auf Bundesebene unüberbrückbare Differenzen zur Linkspartei gebe. Oppermann fügte hinzu, zu keinem Zeitpunkt sei Parteichef Beck in Frage gestellt worden.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Der Parteichef hat die Grippe und die Genossen sind verschnupft. Die SPD hat alle Symptome einer angeschlagenen Partei. Die Diagnose ist klar: akute Orientierungslosigkeit mit Blick auf die Linkspartei und chronische Zukunftsängste. Welche Therapie am besten hilft ist umstritten. Das Rezept von Kurt Beck scheint vielen jedenfalls nicht das richtige. Der Parteirat verordnete deshalb der SPD gestern strikte Ruhe. Allerdings es braucht wohl weitere Sprechstunden, um die Sozialdemokraten wieder auf die Füße zu bekommen. Sein Ohr am Puls der SPD hat der 1. Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann. Guten Morgen!

    Thomas Oppermann: Guten Morgen Herr Heinlein!

    Heinlein: Der Parteirat gestern also als eine Art große Visite für die SPD. Gönnen Sie uns doch einen Blick hinter die Kulissen. Wie heftig wurde denn über den Zustand der Sozialdemokratie gestritten?

    Oppermann: Das war eine sehr ausführliche, aber auch sehr sachliche Diskussion über die Politik der SPD. Sie war natürlich geprägt von der aktuellen Debatte, wie unser Verhältnis zur Partei der Linken sein soll, aber da gab es große Einigkeit, wie Sie ja an der großen Mehrheit für den Beschluss erkennen können.

    Heinlein: Haben sich denn einige Bezirks- und Landesvorsitzende so richtig den Frust von der Seele geredet? Das Hin und Her um die Linkspartei ist an der Basis für viele ja nur schwer zu verkaufen. Oder sind alle glücklich mit dem Parteivorsitzenden?

    Oppermann: Kurt Beck hat in der Debatte große Unterstützung bekommen. Seine Rolle stand im Übrigen nie in Frage, zu keiner Zeit während der letzten Tage oder der letzten Woche. Aber es gab auch Klarheit in der Sache. Wir wollen den Ländern künftig die Entscheidung überlassen über Koalitionen in den Ländern. Gleichzeitig haben wir in dem Beschluss deutlich gemacht, dass wir auf Bundesebene zur Partei Die Linke unüberbrückbare Differenzen sehen, also keine überbrückbaren, sondern unüberbrückbare Differenzen, dass deshalb eine Koalition auf Bundesebene unter keinen Umständen in Betracht kommt.

    Heinlein: Andrea Ypsilanti hat also jetzt auch die Zustimmung des Parteirates für den Bruch eines Wahlkampfversprechens. Sie kann sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Ist das ein Erfolg für Kurt Beck?

    Oppermann: Andrea Ypsilanti hat zunächst die Absicht, mit der FDP und den Grünen in Hessen eine Koalition zu bilden. Das ist ihr erklärtes politisches Ziel. Ihre Bemühungen gehen in diese Richtung. Das hat sie übrigens gestern auch noch mal bekräftigt. Daneben gibt es sogar Sondierungsgespräche mit der CDU, obwohl das der hessischen SPD angesichts der Politik, die die CDU dort in den letzten Jahren betrieben hat, außerordentlich schwer fällt. Das sind die primären Bemühungen der hessischen SPD. Das bitte ich doch bitte zur Kenntnis zu nehmen!

    Heinlein: Peer Steinbrück sieht dies anders. Er sagt, jegliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei ist ausgeschlossen. Der Parteirat der SPD sieht dies anders und ist lässiger in dieser Angelegenheit?

    Oppermann: Der Parteirat ist nicht lässig. Der hat dort sehr ernsthaft diskutiert. Wir unterscheiden klar: auf Länderebene entscheiden die Länder. Das geht auch gar nicht anders in der Praxis. Wer soll denn präzise einschätzen, ob die Personen der Linkspartei in den Ländern zuverlässige Personen sind, oder ob das ehemalige DKPisten, Trotzkisten oder Sektierer sind, mit denen man keine verlässliche Zusammenarbeit machen kann? Das kann natürlich präzise nur vor Ort entschieden und eingeschätzt werden. Deshalb ist es richtig, dass über Koalitionen in den Ländern vor Ort entschieden wird, aber auf Bundesebene haben wir eine klare Linie. Mit dieser Partei, die ja gar kein Programm hat, aber die einen radikalen Populismus verfolgt, sehen wir keine Möglichkeit der Zusammenarbeit - aus inhaltlichen Gründen.

    Heinlein: Was ist denn dann der Grund, warum Peer Steinbrück gestern im Parteirat so heftig kritisiert wurde?

    Oppermann: Es gab vereinzelte Kritik an Peer Steinbrück, aber Sie können sicher sein: viel größer ist die Wertschätzung in der SPD für diesen Finanzminister, der wirtschaftliche und finanzpolitische Kompetenz repräsentiert und der den Haushalt erfolgreich konsolidiert.

    Heinlein: Ist es denn richtig, dass Peer Steinbrück für seine Kritik an Kurt Beck härter in die Mangel genommen wird als der Parteivorsitzende, der ja offen eingeräumt hat, einen Fehler gemacht zu haben?

    Oppermann: Wer hier stärker kritisiert worden ist, darauf kommt es letztlich nicht an.

    Heinlein: Warum nicht?

    Oppermann: Weil es in der Diskussion die Zielrichtung gab, zu geschlossenem Handeln zu kommen, und das ist gelungen mit dem Beschluss.

    Heinlein: Also sie wollen einen Deckel auf die Diskussion machen?

    Oppermann: Wir wollen keinen Deckel! Wir haben da ja offen diskutiert. Ich glaube es gab 25 oder mehr Wortmeldungen. Und wir werden auch heute in der SPD-Fraktion darüber eine Diskussion führen, aber es wird eine Sachdebatte sein und keine Personaldebatte.

    Heinlein: Wird denn tatsächlich in der Fraktion heute über den Kurs mit Blick auf die Linkspartei geredet werden? Es gibt Meldungen in den Medien, dass Peter Struck diese Debatte für heute untersagt hat.

    Oppermann: Wir haben keine Debatte untersagt. Ich bin auch sicher, dass es eine Debatte geben wird. Aber es wird eine Sachdebatte sein. Wir wollen Sachfragen klären. Wir wollen Inhalte klären. Wir wollen klären, welche Politik wir für Deutschland machen wollen. Dann ergibt sich fast schon automatisch, mit wem wir das machen können und mit wem wir das nicht machen können. Auf Bundesebene ist das klar: Mit der Linken kann eine verantwortliche Politik für Deutschland nicht gemacht werden. Sie sind außenpolitisch unzuverlässig. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zur sozialen Marktwirtschaft und ich glaube sie haben auch kein eindeutiges Verhältnis zum demokratischen Rechtstaat. Die DKP-Mitglieder, die auf den Listen der Linken kandidieren und die sich eine Rückkehr der Stasi wünschen, sprechen ja eine klare Sprache.

    Heinlein: Geht es denn, Herr Oppermann, tatsächlich noch um eine Auseinandersetzung in der Sache, dem künftigen Umgang mit der Linkspartei, oder ist es längst eine Debatte um die Person ihres Vorsitzenden Kurt Beck? Diesen Eindruck konnte man ja in den letzten Tagen durchaus gewinnen.

    Oppermann: Nein! Kurt Beck ist Vorsitzender. Kurt Beck bleibt Vorsitzender. Kurt Beck ist unumstritten in der SPD und er hat auch den ersten Zugriff für die Kanzlerkandidatur. Das wird allerdings erst am Ende des Jahres oder am Anfang des nächsten Jahres entschieden.

    Heinlein: Ist denn jemand, der Fehler macht, der richtige Mann, um die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zu führen?

    Oppermann: Ganz sicher ist derjenige der richtige, der einen Fehler gemacht hat, das erkannt hat und sich dafür sogar entschuldigt.

    Heinlein: Erleichtert denn das Fehlen von Kurt Beck derzeit die Diskussion in den verschiedenen Parteigremien? Kann dort offener gesprochen werden ohne den Parteivorsitzenden?

    Oppermann: Kurt Beck ist zwar zurzeit erkrankt, aber natürlich ist er auf eine gewisse Art bei uns anwesend. Es ist nicht so, dass wir hier komplett ohne seine Vorstellungen diskutieren.

    Heinlein: Aber die Umfragewerte - Sie wissen es sicherlich - für Kurt Beck rasen ja rasant in den Keller. Das können sie als Partei doch nicht dauerhaft ignorieren?

    Oppermann: Wir hatten eine schwierige Diskussion in den letzten Tagen. So etwas wirkt sich naturgemäß auf Umfrageergebnisse aus. Ich prophezeie Ihnen: das wird sich schon in wenigen Wochen wieder anders darstellen.

    Heinlein: Aber Frank-Walter Steinmeier ist dauerhaft populärer?

    Oppermann: Frank-Walter Steinmeier ist ein erfolgreicher Außenminister, ein guter stellvertretender Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei. Wir brauchen ihn in der Regierung; wir brauchen ihn auch im nächsten Wahlkampf.

    Heinlein: Vielleicht als möglichen Kanzlerkandidaten?

    Oppermann: Kanzlerkandidat - darüber entscheidet zunächst der Parteivorsitzende. Er hat den ersten Zugriff; davon wird er Gebrauch machen.

    Heinlein: Also wenn Kurt Beck keine weiteren Fehler macht, wird er Kanzlerkandidat der SPD?

    Oppermann: Wenn Kurt Beck zu dem Ergebnis kommt, dass er die SPD in die Bundestagswahl führen will, dass dies die richtige Entscheidung ist, dann wird es so kommen.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der 1. Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!