Tobias Armbrüster: Zwei Tote, großes Verkehrschaos, jede Menge umgeknickte Bäume – weite Teile Deutschlands haben seit gestern Nachmittag schwere Unwetter erlebt.
Thomas Ruppert ist Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Herr Ruppert, wo waren die Unwetter gestern und in der Nacht besonders schlimm?
Thomas Ruppert: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster. Besonders schlimm erst mal in Norddeutschland. Es war folgende Situation: Das übliche Ende einer Hitzewelle, so kann man es bezeichnen, der ersten Hitzewelle dieses Jahres. Die Luft hatte sich recht erwärmt, es war insbesondere entlang des Rheins sehr heiß, 35 bis 37 Grad dort, aber auch im gesamten Deutschland, vom Küstenbereich ausgenommen, deutlich über 30 Grad, vielerorts 35 Grad. Und wenn dann das Tief sich nähert, dann entlädt sich diese Energie in Gewittern.
Das begann eigentlich schon um die Mittagsstunden im Norden, dass sich da eine Gewitterlinie bildete, ziemlich parallel zur Küste zwischen Deutscher Bucht und Lübecker Bucht, und die östlich der Weser erst mal südostwärts vorankam. Am Höhepunkt der Entwicklung gestern am Nachmittag spannte sich eine Gewitterlinie von der Pfalz etwa, vom Südwesten in Rheinland-Pfalz über Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt bis in die Lausitz, und dort waren die stärksten Intensitäten zu verzeichnen. Man kann vielleicht zwei Schwerpunkte nennen: einerseits die Region Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen am späten Nachmittag und zuvor in Norddeutschland, und die beiden Todesfälle sind ja meines Wissens nach auch in Norddeutschland geschehen, durch Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit umstürzenden Bäumen.
"Orkanböen bis zu 127 Kilometer pro Stunde"
Armbrüster: Wenn Sie von schweren Intensitäten sprechen, dann meinen Sie schwerste Regenfälle und heftige Winde?
Ruppert: Ganz klar Unwetterkriterien. Das heißt Orkanböen, das heißt heftiger Starkregen und das heißt auch großer Hagel. Hagel von vier bis fünf Zentimeter wurden wohl örtlich registriert. Wir hatten Orkanböen und auch Starkregen. Um mal Zahlen zu nennen: Orkanböen bis zu 127 Kilometer pro Stunde, das war der höchste Wert. Ich gehe aber davon aus, dass es örtlich auch mehr waren, dass es 130, 135 km/h waren. Regen: 30, 40 Liter in kurzer Zeit pro Quadratmeter. Und wenn das flächendeckend auftritt, dann hat man ein Problem.
"Hitzewelle wurde beendet"
Armbrüster: Dann fragen wir uns natürlich, wie sieht das jetzt in den kommenden Tagen weiter aus? Bleibt es so stürmisch-regnerisch, oder wird es wieder heiß?
Ruppert: Erst mal nicht. Die Hitzewelle wurde beendet und wir haben jetzt eine Nordwestlage. Das heißt, an der Vorderseite oder Südseite des nächsten Tiefs kommt vom Atlantik her eher kühle Meeresluft zu uns nach Mitteleuropa. Das heißt, wir haben eine entspannte Phase mit kühleren Temperaturen, es ist nicht mehr so heiß. Die Gewitter beschränken sich zunächst noch auf den Süden Deutschlands. Da ist noch so eine Schliere von dieser warmen Luft zurückgeblieben.
Ansonsten haben wir eigentlich übers Wochenende zumindest recht freundliches Wetter, angenehm temperiert, Pi mal Daumen um die 25 Grad, sei dort gesagt, an der See frisch, im Süden zunächst noch heiß. Dann wird es aber leider sukzessive kühler, sodass wir dann doch einen eher kühlen und unbeständigen Witterungsabschnitt ab Beginn der neuen Woche erwarten.
"Bei Gewittern können wir eigentlich nur die Neigung vorhersagen"
Armbrüster: Herr Ruppert, ich weiß, dass solche Fragen immer schwierig sind, aber ich kann mir vorstellen, dass viele Hörer sich das jetzt gerade fragen, wo wir mit Ihnen sprechen, einem Meteorologen, einem Mann, der sich mit Wetter auskennt. Wir nähern uns ja in großen Schritten den Sommerferien, dem Hochsommer. Kann man aus den zurückliegenden Tagen und Wochen irgendetwas darüber ableiten, wie dieser Sommer bei uns in Deutschland aussehen wird?
Ruppert: Nach wie vor nein. Wir haben eine Drei-Phasen-Entwicklung. Gewitter: Bei Gewittern können wir eigentlich nur die Neigung vorhersagen und wir können über die Intensität erst dann Äußerungen treffen, wenn sich das Gewitter gebildet hat. Das ist das sogenannte Now-Casting oder die Kürzestfrist-Vorhersage.
Dann kennen viele Hörer das übliche Wetter, das drei Tage vorhergesagt wird. Das ist der Kurzfrist-Zeitraum. Den beherrschen wir mittlerweile ganz gut, aber auch nicht immer. Gerade konnektive Wetterlagen sind manchmal schwer zu beherrschen.
Dann haben wir die Mittelfrist-Periode, die wird in den Medien nicht so protegiert, nicht so herausgebracht. Das ist eher als Trend zu sehen. Das sind sieben bis zehn Tage. Alles, was darüber hinausgeht, kann man nicht mehr als Wettervorhersage bezeichnen, sondern das ist die Prospektion einer Saison, dass man davon ausgeht, der Sommer wird zu warm oder der Winter zu mild oder wie auch immer. Da kann man aber noch nicht sagen, dass es am 2. Juli so und so wird, oder am 1. August. Kurz zusammengefasst: Nach wie vor können wir das Wetter nur drei Tage vorhersagen. Alles was darüber hinausgeht, ist Trend beziehungsweise Prospektion, oder gar Spekulation.
Armbrüster: Und das wollen wir natürlich nicht. – Thomas Ruppert war das, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Vielen Dank für diese Informationen.
Ruppert: Sehr gerne. Auf Wiederhören!
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