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Unwetterfest
Suche nach sturmstabilen Bäumen

Die Unwetter zu Pfingsten ließen zahlreiche Bäume wie Streichhölzer umknicken, der Schaden an Häusern, PKW, Straßen, Bahngleisen ging in die Millionen. Was lässt sich daraus lernen? Gibt es Baumarten, die weniger anfällig für Stürme sind? Naturschützer sind davon überzeugt, andere Experten sind skeptischer.

Von Daniela Knoll |
    Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Gelsenkirchen beseitigen am 10.06.2014 auf der A43 in Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen) entwurzelte Bäume.
    Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Gelsenkirchen beseitigen auf der A43 in Recklinghausen entwurzelte Bäume. (picture alliance / dpa / Marcel Kusch)
    Die Kommunen sollten nicht nur aufräumen – sondern auch genau erfassen, welche Baumart die meisten Schäden verursacht hat, fordert der Naturschutzbund NABU NRW. Damit könnten sich die Städte auf zukünftige Wetter-Extreme besser vorbereiten. NABU-Landesvorsitzender Josef Tumbrinck:
    "Es muss jetzt hier das Ruhrgebiet und Düsseldorf eigentlich allen sagen können in einigen Monaten: Unsere Erfahrung mit dem Sturm sind folgende: Die Linde, die Eiche, die Baumhasel. Kann ich eine Linde noch als Straßenbaum pflanzen. Ist es geeignet oder welche Sorte hat es vielleicht besser überstanden. Das sind die Antworten auf das schreckliche Ereignis, die wir jetzt erheben können."
    Die Städte dokumentieren schon jetzt den Lebenslauf jedes einzelnen Stadtbaums in einer Art Baumkataster: Wie alt ist der Baum, wo steht er oder was wurde zuletzt am Baum gemacht. Jetzt aber - nach dem schweren Sturm-Ereignis - müsse man sich die Schäden an den Bäumen oder dem, was davon übrig geblieben ist, noch viel genauer anschauen.
    "Also solche Parameter jetzt aufzunehmen ist sehr aufwendig. Da müssen Sie jeden Baum intensiver angucken und das notieren auch. Und dann kommt der nächste Schritt, das auszuwerten, was ich mir da zusätzlich notiert hab. Das ist die Herausforderung."
    Tumbrinck ist überzeugt: "Sturmresistente" oder "sturmfeste" Baumarten hätten in den Städten weniger Schäden verursacht.
    Experten sehen einen Denkfehler
    Die Experten in den Grünflächen- und Gartenämtern der deutschen Kommunen halten das jedoch für einen Denkfehler. Denn das Hauptproblem in den Städten sei nicht die Baumart, sondern die Windstärke. Denn gerade in den Innenstädten bläst der Wind oft besonders stark, erklärt Joachim Bauer. Er arbeitet beim Grünflächenamt der Stadt Köln und leitet den Arbeitskreis "Stadtbäume" der "Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz".
    "So ... und ein gesunder Baum ist in der Regel standsicher, auch bei hohen Windgeschwindigkeiten. Aber eben bei Sturmböen, ja. Und wenn sie dann noch lokal etwas stärker auftreten, dann hat der Baum keine Chance mehr. Da ist es egal, ob der Baum gesund ist oder welche Baumart das ist. Das ist vollkommen egal. Die werden geworfen diese Bäume."
    Die Städte müssen bei der Straßenbegrünung die sogenannte Verkehrssicherheit gewährleisten und verwenden daher oft bruchfeste Baumarten aus hartem Holz, erklärt Bauer. Bei der Auswahl der Stadtbegrünung spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Ein großer Baum braucht einfach mehr Platz als eine kleine Baumart - sowohl über als auch unter der Erde. Mit Hitze oder Auto-Abgasen müssen aber alle Stadtbäume klar kommen. Es gibt auch Standorte, die für Bäume grundsätzlich eher ungeeignet sind. Zum Beispiel der Mittelstreifen einer Hauptverkehrsstraße. Daher schlägt Tumbrinck Alternativen vor:
    "Und deswegen einfach aus Schadensvorsorge, aber auch umgekehrt was Gutes tun durch solche blütenreichen Flächen dann. Oder auch Sträucher, beerenreiche Sträucher. Da kann ich dann eben einfach dem Sturm vorbeugen und trotzdem was Gutes tun an solchen schwierigen Standorten."
    Das wäre in etwa so, als würde man in der Stadt "Gummibäume" pflanzen, kommentiert Joachim Bauer so einen Vorschlag. Der Stadtbaum-Experte hat einen Gegen-Vorschlag parat:
    Gegenvorschlag: Vielfältigkeit
    "Also insofern würde ich lieber die These in den Raum werfen: Wenn wir uns vor solchen Sturmereignissen besser schützen wollen im Hinblick auf den Erhalt unseres Baumbestandes - dann müssen wir versuchen, den Baumbestand so vielfältig wie möglich auszubilden in den Städten."
    Einig sind sich beide Vertreter darüber, dass die Baumart zum Standort passen muss und umgekehrt. Nach Ansicht des Naturschützers Tumbrinck hat man einen Aspekt jedoch bisher völlig außer Acht gelassen:
    "Klimawandel hat eben auch was mit Starkwindereignissen zu tun und nicht nur mit Hochwasser. Und das ist sozusagen, was sich jetzt in unseren Kopf gebrannt hat."