Sichere Herkunftsländer
Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil?

Dürfen EU-Länder bestimmen, welche Herkunftsstaaten sicher sind? Ja, aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dafür nun die Hürden erhöht. Die Auswirkungen des Urteils aus der Perspektive eines Migrationsforschers.

    Migranten aus verschiedenen Herkunftsländern kommen im Albanischen Hafen Shengin an
    Das sogenannte Albanien-Modell: Italiens Regierung will männliche volljährige Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten in Aufnahmelagern auf albanischem Boden unterbringen, während ihre Asylanträge bearbeitet werden (picture alliance / Sipa USA / SOPA Images)
    Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem jüngsten Urteil die Hürden für die Festlegung sicherer Herkunftsstaaten erhöht. Das ist eine Voraussetzung für beschleunigte Asylverfahren, wie sie Italien im sogenannten Albanien-Modell anstrebt.
    Dabei sollen männliche und volljährige Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten in Aufnahmelagern auf albanischem Boden untergebracht werden, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Frauen und Minderjährige sind davon nicht betroffen. Nur wenn ihr Asylantrag erfolgreich ist, dürfen die Flüchtlinge nach Italien. Es ist ein Prestigeprojekt der Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

    Das sagt der Migrationsforscher Christopher Hein:

    • Das Modell, Asylverfahren für männliche und volljährige Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern außerhalb der EU-Länder durchzuführen, sei mit diesem Urteil gescheitert.
    • Der Grund: Es gebe zu viele rechtliche, europarechtliche und menschenrechtliche Hindernisse.
    • Die Einrichtungen in Albanien kosteten viel Geld, brächten aber praktisch nichts – keine wirkliche Regulierung von Immigration oder der Asylverfahren.
    • Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat das Urteil scharf kritisiert. Hein sagt, sie werde sich aber daran halten müssen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei verbindlich für alle EU-Mitgliedstaaten, für die Gerichte wie die Regierungen.
    Ab Juni 2026 tritt eine große EU-Asylrechtsreform in Kraft. Sie sieht neue Regelungen im Hinblick auf sichere Herkunftsländer vor: Künftig wird es leichter werden, Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen - so beispielsweise auch dann, wenn allein einzelne Menschengruppen in dem Land verfolgt werden, wie zum Beispiel Homosexuelle. Hein:
    • Es sei möglich, dass der EuGH auch über die EU-Regelungen, die ab 2026 gelten sollen, entscheiden müsse.
    • Das werde dann eine Entscheidung darüber sein, ob Asylverfahren außerhalb der EU überhaupt zulässig seien.
    • Vermutlich würde entschieden, dass sie nicht mit europäischem Recht vereinbar sind – denn es gebe gravierende rechtliche Bedenken, Asylverfahren in Drittländern, also Nicht-EU-Ländern, durchzuführen.
    • Eine vergleichbare Vereinbarung, die Großbritannien mit Ruanda getroffen hatte, sei bereits vom EuGH unterbunden worden - das ganze Projekt sei danach „gestorben“.

    So denkt man in Albanien über die Lager:

    Südosteuropa-Korrespondentin Silke Hahne berichtet von einem Flüchtlingslager im albanischen Hinterland. Von der Bevölkerung vor Ort werde es akzeptiert, doch es gebe auch Kritik. Eine Bürgerbewegung mobilisiere von Anfang an gegen den Deal mit Italien. Für ihren Chef ist das Lager auf mehreren Ebenen problematisch. Er sagt:
    • Das Lager verletze die Menschenrechte. Außerdem sei es eine Verletzung der territorialen Souveränität Albaniens.
    • Dass Ministerpräsident Edi Rama die Vereinbarung mit Italien gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung getroffen habe, sei „eine sehr schlechte Sache“.
    Einige Beobachter vermuten, Rama habe mit dem Lager dem albanischen Beitrittsprozess in die EU nachhelfen wollen. Die Bürgerbewegung kritisiert auch das scharf:
    • Niemand sollte Albanien etwas dafür geben, dass das Land die Menschenrechte der Flüchtlinge verletze.