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Urteil
Leerverkäufe bleiben in der EU verboten

Innerhalb der EU dürfen Leerverkäufe weiterhin verboten werden. Das hat der Europäische Gerichtshof bestätigt. Gegen das Verbot der riskanten Geschäfte hatte Großbritannien geklagt.

Von Brigitte Scholtes |
    Die Richter des Europäischen Gerichtshofs haben das Verbot für Leerverkäufe in Europa bestätigt. Die europäische Börsenaufsicht ESMA darf sie in Krisensituationen untersagen, so wie dies etwa 2012 geschehen war. Damit ist die Klage Großbritanniens gegen dieses Verbot überraschend abgewiesen worden. Überraschend deswegen, weil der Generalanwalt Niilo Jääskinen Bedenken gegen das Verbot geäußert hatte - und der Ansicht des Generalanwalts folgt das Gericht meistens. Bei Leerverkäufen wetten Anleger auf fallende Kurse eines Wertpapiers, das sie aber gar nicht besitzen. Sie leihen es für eine bestimmte Zeit und verkaufen es sofort weiter - in der Hoffnung auf einen guten Gewinn, erklärt Robert Halver, Aktienmarktstratege der Baader Wertpapierhandelsbank:
    "Wenn man mit der genügend großen Macht und dem Volumen diese Kurse dann drückt und dann anschließend zurückkaufen muss, hat man einen Riesengewinn gemacht. Nur, hier muss man sagen, hier steht nicht die Absicherung einer Position im Rohstoffbereich oder im Devisenbereich auf der Tagesordnung, hier geht es darum, insbesondere durch sehr starke Finanzmarktmacht für sich sehr viel Geld zu verdienen."
    Herber Rückschlag für die "City"
    Dieses Instrument wurde vor allem am Finanzplatz London gern genutzt, deshalb sei es für die Briten ein herber Rückschlag, glaubt Halver:
    "Wir wissen ja, die Londoner City ist ja mit Banken sehr stark besetzt, und auch die britische Volkswirtschaft hängt sehr stark an der Finanzindustrie. Wenn jetzt also Leerverkäufe verboten werden, also wenn das Geldverdienen mit einem bewussten Setzen auf sinkende Kurse, auf Wetten, auf Spekulationen jetzt verboten ist, ist das schon ein massiver Schlag ins Gesicht."
    Ungedeckte Leerverkäufe von Aktien, Staatsanleihen aus EU-Ländern und Kreditausfallversicherungen auf diese Anleihen sind in Deutschland schon seit Juli 2010 verboten. Dabei leiht sich der Spekulant diese Papiere noch nicht einmal, kann so also einen Kursrutsch noch verstärken, vor allem in Krisenzeiten. Die Folgen des Verbots in Deutschland seien aber überschaubar, meint der Aktienstratege der Baader Wertpapierhandelsbank:
    "Das scheint auch niemanden großartig zu stören. Wir wissen ja, Deutschland ist auch nicht der Finanzplatz, der im Vergleich zu London oder New York besonders auf diese Instrumente gesetzt hat. Da sind wir deutlich braver."
    Gefahr wohl nicht gebannt
    Dennoch dürften Spekulanten auch weiter Mittel und Wege finden, mit Leerverkäufen Kurse zu manipulieren. Ausweichmöglichkeiten gebe es für die weltweit operierende Finanzindustrie immer, meint Halver:
    "Die Finanzbranche ist die globalste Branche der Welt. Was die also in Europa nicht mehr dürfen, können sie also durchaus in New York machen. Aber wenn man ein Zeichen setzt, wenn man also quasi auch dann mit dem Publikum signalisiert: "Hört mal zu: In Krisensituationen verbieten wir euch das zumindest dann in der Eurozone und in der Europäischen Union", dann ist das, glaube ich, für viele Banken auch der klare Hinweis: "Na ja, dann lasse ich es besser mal sein." Ansonsten wird eben dann auch, ich sag' es mal, der "Shitstorm" gegen die Banken enorm groß sein."
    Und da, das hoffen Kunden und Aufseher zumindest, sollten die Banken entsprechend sensibler geworden sein.