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Urteile im NSU-Prozess
Kein Schlussstrich

Die Urteile im NSU-Prozess sind gesprochen. Die Verteidiger wollen in Revision gehen. Gleichzeitig muss es weitere Aufklärung geben, fordern Politiker und Angehörige der Opfer. Denn an vielen Stellen seien schwere Fehler passiert.

Von Frank Capellan | 11.07.2018
    Demonstranten kritisierten am Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München eine unzureichende Aufklärung der Mordserie - mit Banner: "NSU-Komplex auflösen"
    Für die Urteile im NSU-Prozess gibt es Lob aber auch Kritik (AFP/GUENTER SCHIFFMANN)
    Kein Schlussstrich! Unter dieser Überschrift stehen die meisten der Reaktionen auf das Münchener Urteil. Zu viele Fragen seien noch ungeklärt. Der Vorwurf des Behördenversagens steht weiter im Raum. Nach wie vor sorgt die Rolle des Verfassungsschutzes für scharfe Kritik. Christdemokrat Clemens Binninger warnt allerdings davor, die Schuld für die späte Aufdeckung des rechtsextremen Terror-Netzwerkes allein einer Stelle zuzuschreiben. Der frühere Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag gegenüber dem Deutschlandfunk:
    "Es gab nicht den einen Fehler. Es gab nicht die eine schuldige Behörde. Schwere Fehler, Versäumnisse, Fehleinschätzungen sind an vielen Stellen passiert. Bei den Nachrichtendiensten, bei der Polizei auch, bei der Justiz und bei der Politik. Wir konnten keinen Anhaltspunkt dafür finden, weder in den Akten noch bei den Zeugenbefragungen, dass einem Verfassungsschutzamt der Aufenthaltsort des Trios oder gar schlimmer: das Agieren des Trios irgendwie bekannt gewesen wäre!"
    Die Grünen sehen das völlig anders. Fraktionschef Anton Hofreiter sieht insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz in der Verantwortung. Weitere Ermittlungen sind seiner Ansicht nach auch nach dem heutigen Urteil unabdingbar.
    "Der Verfassungsschutz hat massenhaft Akten geschreddert. Da ist es unbedingt nötig, dass da weitere Aufklärung notwendig ist. Und desweiteren: Was hoch problematisch ist, das Unterstützer-Umfeld des NSU ist immer noch vorhanden."
    Aus Berhördenpannen gelernt
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann glaubt allerdings, dass aus Behördenpannen gelernt wurde. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sei erheblich besser geworden. Der CSU-Minister verweist auf das gemeinsame Terrorabwehrzentrum und die Rechtsextimus-Datei, die Ermittlungsergebnisse von Polizei und Verfassungsschutz zusammenführe. Alles zu spät für die Opfer des NSU-Terrors. "Sie bleiben unvergessen", unterstreicht Außenminister Heiko Maas. "Was die Täter angerichtet haben, ist durch nichts wiedergutzumachen", erklärt Maas auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Nebenkläger, die Angehörigen der Ermordeten sind zwar mit dem Urteil gegen Beate Zschäpe zufrieden. Sie machen heute aber ihrer Enttäuschung darüber Luft, dass die Aufklärung der Taten nicht ausreichend erfolgte. Dabei erinnern sie an ein Versprechen der Kanzlerin aus dem Jahr 2012
    "Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen."
    Weitere Aufklärung fordert auch die Linkspartei. Während wir hier stehen und das Urteil begrüßen, ist die Gefahr von weiteren rechtsextremen Taten weiter relevant, meint Petra Pau, Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss
    "Ich erwarte, dass der Generalbundesanwalt die zwei noch laufenden Verfahren gegen zum Teil namentlich bekannte Unterstützerinnen und Unterstützer, mutmaßliche Unterstützer, des NSU-Kerntrios weiterführt."
    Bundesanwalt Herbert Diemer geht auf solche Forderungen zunächst nicht ein. "Dass wir dieses Urteil haben, ist ein Erfolg des Rechtsstaats. Der Senat ist uns in allen entscheidenden Punkten gefolgt." lautet sein Fazit.