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US-Forscher klonen menschlichen Embryo

Breker: Sie haben es gehört, meine Damen und Herren: US-Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben den ersten menschlichen Embryo im Frühstadium geklont. Dies sei ein wichtiger Schritt zur Produktion embryonaler Stammzellen, die z.B. für die Behandlung von Diabetes, Herzkrankheiten und anderer Leiden, eingesetzt werden können, erklärten die Forscher aus dem US-Staat Massachusetts. Am Telefon begrüße ich nun den Bonner Stammzellenforscher Oliver Brüstle, der einen breiten öffentlichen Bekanntheitsgrad erreicht hat, weil er embryonale Stammzellen aus Israel nach Deutschland importieren wollte. Guten Tag Herr Brüstle.

    Brüstle: Guten Tag.

    Breker: Ein schwieriges emotional belastetes Thema, vorausgesetzt es stimmt, was wir aus den USA hören: Demnach wurde ein Mensch geklont. Das ist aber nicht das, was Sie wollen.

    Brüstle: Nein, mit Sicherheit nicht. Hier gibt es natürlich jetzt Befürchtungen, die Stammzellbiologie würde mit dem Klonen von Menschen zusammenhängen. Diese Befürchtungen müssen entkräftet werden. Uns, wie vielen anderen Wissenschaftlern, geht es darum, aus Stammzellen Spenderzellen für Transplantationszwecke herzustellen, nicht Embryonen zu klonen.

    Breker: Lassen Sie es uns ganz klar sagen. Dieses Klonen zur Produktion embryonaler Stammzellen, das heißt Töten für die Forscher.

    Brüstle: Ja, das heißt zumindest, dass in der Zellkulturschale Embryonen hergestellt werden durch Verschmelzung einer Körperzelle - also etwa einer Hautzelle -, und zwar ihres Zellkerns mit einer Eizelle. Es ist also kein Töten von Embryonen, die über künstliche Befruchtung erzeugt würden, sondern quasi ein künstliches Herstellen von Embryonen durch Implantationen, durch Einführen eines Zellkerns in eine Eizelle. Dieses Verfahren wurde in der Vergangenheit bereits etwa für die Erzeugung von Dolly angewandt, ist aber meiner Meinung nach kein Verfahren, das klinisch eingesetzt werden wird, und zwar deshalb, weil es ethisch enorme Probleme aufwirft, so etwa Eizellspende für diese transplantierenden Zellkerne und auch die Herstellung letzten Endes von totipotenten Zellverbänden, also von Embryonen. Darüber hinaus können Zählprogrammierungen in diesem frühen Stadium in der Zellkultur nicht sicher ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass es darauf ankommt, langfristig diese Umprogrammierungsmechanismen in der Eizelle zu verstehen. Dies kann an Tiermodellen erarbeitet werden, um diese Mechanismen langfristig auf erwachsene Zellen zu übertragen. Das Ziel, das dahinter steht und das im Moment von vielen Gruppen verfolgt wird, ist, letzten Endes, erwachsene Zellen durch Kenntnis dieser Umprogrammierungsmechanismen direkt in unreifere Zellen umzuprogrammieren, ohne den Umweg über die Eizelle, ohne die Gewinnung von Embryonen. Hier geht die Forschung hin, um langfristig eben zusätzlich zu diesem Vorteil der Zellgewinnung aus Stammzellen auch die Abstoßungsreaktionen umgehen zu können.

    Breker: Herr Brüstle, Klonen ist aber nicht der einzige Weg, um zu embryonalen Stammzellen zu gelangen. Was unterscheidet denn ihr Weg vom Weg des Klonens?

    Brüstle: Unser Weg, den wir beschreiten würden, ist folgender: Wir würden aus überzähligen Embryonen gewonnene Stammzelllinien in der Zellkultur in Nervenzellen oder anderen Zellen, die im Nervensystem eingepflanzt werden können, ausreifen. D.h. für diese Forschung wird nicht geklont, es besteht auch keine Notwendigkeit für das Klonen. Das Klonen ist dann interessant, wenn die Abstoßungsproblematik, die heute mit Medikamenten beherrscht werden muss, über einen anderen Ansatz angegangen werden soll. Aber hier ist wiederum meine Meinung: Dies wird nicht über Zellkernverpflanzungen in Eizellen erfolgen, sondern eben erst dann, wenn die Mechanismen verstanden sind. Insoweit greift diese Entwicklung, die sicherlich auch natürlich enorme Medienwirksamkeit erzielt hat, vielleicht auch bezweckt hat - es handelt sich hier um ein privates Unternehmen - in einer schlechten Art und Weise voraus.

    Breker: Bei uns in der Bundesrepublik, Herr Brüstle, ist der Import von embryonalen Stammzellen nicht verboten.

    Brüstle: Das ist richtig. Rein rechtlich gesehen ist sowohl der Import als auch die Forschung an embryonalen Stammzellen zulässig.

    Breker: Eine Entscheidung des Ethikrates steht noch aus. Die Politik, so scheint es, spielt auf Zeit. Hat denn die Forschung überhaupt diese Zeit?

    Brüstle: Ja, sicherlich ist hier bereits ein Nachteil, ein Rückstand entstanden, d.h. die Frage ist gar nicht mehr: Wollen wir an diesen Entwicklungen teilnehmen, sondern können wir den Rückstand noch aufholen? Meine große Befürchtung ist, dass der Entscheidungsprozess immer weiter hinausgezögert wird, dass mit Beginn des nächsten Jahres auch die Zeichen anders stehen - wir bewegen uns auf die Wahlen zu. Dass diese Thema immer mehr an Brisanz gewinnt und immer länger auf die lange Bank geschoben wird, könnte bedeuten, dass diese Forschung überhaupt nicht in Deutschland entwickelt werden kann, was sicherlich langfristig nicht nur Nachteile für die Wissenschaft hätte, sondern letzten Endes dann auch für die Patienten, wenn diese Therapien, die sicherlich noch weit in der Zukunft sind - auch das muss offen gesagt werden, dass wir hier von Zeiträumen von fünf bis zehn, vielleicht mehr Jahren - letzten Endes verzögert in Deutschland umgesetzt werden können. Wenn überhaupt.

    Breker: Sie haben ja den Antrag für den Import der israelischen embryonalen Stammzellen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewusst gestellt, um eine Klärung herbeizuführen. Wenn Sie sich jetzt das Verfahren und die Dauer des Verfahrens angucken, geschieht da nicht schon eine Klärung?

    Brüstle: Ja, es ist sicherlich so, dass sehr viel diskutiert wurde. Ich möchte die bislang geäußerten Meinungen nicht als abschließendes Votum auffassen. Es ist sicherlich so, dass die Enquête-Kommission des Bundestages sich mit einer deutlichen Mehrheit gegen den Import ausgesprochen hat. Es ist aber denkbar, dass sich der Nationale Ethikrat ausgewogener entscheiden wird. Dies ist natürlich nicht vorherzusehen. Auch die Abstimmung im Bundestag ist im Moment noch schwer absehbar. Das heißt insgesamt, trotz der Verzögerungsstrategie und der Aufschübe, die eingetreten sind, würde ich das nicht als eine negative Einstellung bewerten. Es ist ein komplexes Thema. Es muss viel darüber diskutiert werden, aber, auch nach jeder noch so langen Diskussion, muss am Ende ein Ergebnis stehen, und diese Zeit ist nun mehr als reif.

    Breker: Der Bonner Stammzellenforscher, Oliver Brüstle war das im Deutschlandfunk.