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US-Migrationspolitik
Im Zweifelsfall Abschiebung

Mexikaner ohne Papiere werden aus den USA ausgewiesen - und zurück in ihr Land deportiert. Unter der Regierung von Donald Trump ist diese Praxis verschärft worden - und trifft nun auch immer häufiger Menschen, die schon lange in den USA leben und dort Familie haben. Ein Orstbesuch bei Abgeschobenen in Mexiko.

Von Victoria Eglau | 07.05.2018
    Auf einem Wegweiser vor einer Palme stehen die Worte "Mexiko Only - No USA Return".
    Straßenschild an der Grenze zu Mexiko. Die Abschiebung kann mittlerweile jeden treffen, berichten deportierte Migranten in Mexiko. (AFP/Sandy Huffaker)
    Die "Casa del Migrante" in Ciudad Juárez ist ein freundliches, blitzsauberes Haus, das von der katholischen Kirche betrieben wird. Gestrandete Menschen bekommen hier ein Bett, frische Kleidung und warme Mahlzeiten. An einem der Tische im Innenhof sitzt Juan Herrera, 29 Jahre alt und leicht untersetzt.
    Am Tag zuvor ist der Mexikaner aus den USA abgeschoben worden - schon zum zweiten Mal: "Sie haben mich geschnappt, als ich schwarz über die Grenze gegangen bin. Das war nach meiner ersten Abschiebung. Beim ersten Mal hatte mich die Polizei ohne Papiere erwischt, als ich gerade mit meiner Familie im Supermarkt war. Es ist schon traurig, wenn die Kinder sehen, wie ihr Vater abgeführt wird."
    Insgesamt elf Jahre lang hat Juan Herrera in Texas gelebt, dort als Bauarbeiter gearbeitet und eine Familie gegründet. Dass er mit einer US-Amerikanerin verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat, hielt die US-Migrationsbehörde nicht davon ab, ihn zu deportieren. Juan Herrera führt seine Ausweisung auf den Regierungswechsel zurück. "Jetzt, unter Trump, werden mehr Einwanderer ohne Grund festgenommen. Vorher haben wir in Frieden gelebt - heute müssen wir Angst haben, einfach so von der Polizei angehalten zu werden. Sie nehmen Dich fest, rufen die Migrationsbehörde an und deportieren dich."
    Deportiert nach einer Geschwindigkeitskontrolle
    Die Ausweisung von Juan Herrera ist kein Einzelfall. Donald Trump ist mit der Botschaft angetreten, dass die "indocumentados", die Einwanderer ohne Aufenthaltspapiere, in den USA nicht willkommen sind. Viel häufiger als früher trifft es nun Menschen, die schon sehr lange im Land leben. Die illegalen Immigranten werden bei Razzien festgenommen, die es auch schon unter der Regierung von Barack Obama gab, oder die Polizei erwischt sie im Auto bei Alkohol- und Geschwindigkeitskontrollen.
    "Ich kam mit meinem Mann von der Arbeit, wir wollten unsere Kinder vom Babysitter abholen. Weil wir etwas zu schnell gefahren sind, hat uns die Polizei gestoppt. Mein Mann ist US-Amerikaner, ihn haben sie in Ruhe gelassen. Das ist Rassismus, denn mich haben sie gleich nach meinem Ausweis gefragt, den ich nicht hatte - und sofort kam ich ins Gefängnis."
    Eingangstor des Casa del Migrante - Migrantenherberge in Ciudad Juarez
    Casa del Migrante - Migrantenherberge in Ciudad Juarez (Victoria Eglau / deutschlandradio)
    Die Mexikanerin, die das erzählt, will ihren Namen nicht nennen. Gerade ist sie aus den USA deportiert worden, nachdem sie dort vier Monate in einem Abschiebegefängnis gesessen hatte. Die Migrationsbehörde von Ciudad Juárez hat die 22-Jährige, die ein rotes Polohemd trägt, in die Migranten-Herberge gebracht. Mit zwölf war sie in die USA gekommen. "Seit dem Antritt von Trump reicht es, keine Papiere zu haben - und schon wird man von seiner Familie, seinen Kindern, seiner Wohnung und Arbeit getrennt. Meine Töchter sind vier und eins und ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde."
    Botschaft der Diskriminierung
    Das Vorgehen der USA unter Trump gegenüber den lateinamerikanischen Einwanderern hält auch der Leiter der Migranten-Herberge, Pater Javier Calvillo, für verheerend. Noch schärfer allerdings kritisiert er Trumps Vorgänger: "Obama klang immer so menschlich, aber er hat den Einwanderern den meisten Schaden zugefügt und in großem Stil deportiert. Unter seiner Regierung entstanden Abschiebegefängnisse für Minderjährige, für Frauen, für Familien, und er fing mit den Razzien gegen Immigranten an."
    Pater Javier Calvillo - Leiter Casa del Migrante sitzt in seinem Büro
    Pater Javier Calvillo - Leiter Casa del Migrante (Victoria Eglau / deutschlandradio)
    An Trump fürchtet Pater Javier Calvillo weniger die Drohung, an der Grenze eine Mauer zu bauen, als die Botschaft der Diskriminierung: "Wenn diese Botschaft bei den Menschen ankommt, und sich in Handlungen verwandelt, dann haben wir es mit einer viel gefährlicheren Mauer zu tun - und die ist nur schwer zu zerstören."
    Letzte Hoffnung Kanada
    Juan Herrera, der deportierte Mann aus Texas, will noch heute zu seiner Mutter fahren - sie lebt in der mexikanischen Grenzstadt Reynosa. Herreras Hoffnung ist, mithilfe des Anwalts, den seine amerikanische Ehefrau beauftragt hat, doch noch einen legalen Weg in die USA zu finden. Falls das nicht klappt, würde er noch einmal durch den Grenzfluss Rio Grande schwimmen. "Ich muss meinen Kindern, meiner Familie helfen. Ich kann sie doch nicht allein lassen."
    Auch eine der deportierten Frauen in der "Casa del Migrante" hat Verwandtschaft in Reynosa und will mit dem Bus dort hinfahren. Aber sie habe Angst, sagt sie, denn die Gegend sei in der Hand von Drogenkartellen und sehr gefährlich. Unter den abgeschobenen Mexikanern herrscht Ratlosigkeit und Ungewissheit. Die junge Mutter im roten Polohemd will erst einmal in Mexiko bleiben - weit entfernt von ihren kleinen Kindern. "Meine Töchter haben in den USA, glaube ich, bessere Bildungs- und Zukunftschancen. Ich werde mir Arbeit suchen und später versuchen, nach Kanada zu emigrieren."