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US-Präsident Bush besucht Berlin

Durak: Der amerikanische Präsident wird in wenigen Stunden mit militärischen Ehren vom Bundespräsidenten Johannes Rau empfangen und hält im Bundestag um 14:00 Uhr seine Rede, der man ja mit wirklich großem Interesse entgegen sieht. Erwartet wird eine Grundsatzrede zu den transatlantischen Beziehungen, politisch wie militärisch, zum künftigen internationalen Kampf gegen den Terrorismus und insbesondere auch zur weiteren Irak-Politik der USA. Wie ausführlich er zur letzteren Stellung nehmen wird, das ist fraglich. Unser USA-Korrespondent, Siegfried Buschschlüter ist in Berlin gemeinsam mit vielen anderen Journalisten. Schönen guten Morgen, Herr Buschschlüter.

    Buschschlüter: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Welche Erwartungen knüpft denn die amerikanische Seite an diesen Besuch, zunächst einmal in Deutschland?

    Buschschlüter: Beginnen wir doch einmal mit der Rede, die etwa 20 bis 25 Minuten im Bundestag dauern wird: Da wird es um ein freies, geeintes Europa unter Einbeziehung Russlands gehen. Ich würde sowieso sagen, dass das Herzstück dieses Besuchs der Gipfel mit Putin ist: Sie wissen, da wird ein Vertrag unterzeichnet über den Abbau von strategischen Atomsprengköpfen. Um zwei Drittel sollen sie in den nächsten zehn Jahren reduziert werden. Das ist der letzte große Abrüstungsvertrag, und dann wird man im bilateralen Verhältnis zwischen Russland und den USA in Zukunft nicht mehr über Rüstung und Waffen sprechen, sondern über politische und wirtschaftliche Fragen, darüber wie aus ehemaligen Gegnern, ideologischen Feinden, Freunde und Verbündete werden. Bei dieser Rede im Bundestag wird Bush darauf hinweisen, und er wird natürlich eher das Verbindende betonen und das Trennende nicht. Er wird darauf aufmerksam machen, dass der Krieg gegen den Terror weitergeht und dass die Gefahren noch nicht gebannt sind - so sehen es zumindest die Amerikaner -, dass die Bedrohung weiter besteht. Und er wird auch betonen, Frau Durak, dass die USA diesen Krieg nicht alleine führen können, dass sie eine Art große Koalition brauchen. Aber im Mittelpunkt wird natürlich das transatlantische Verhältnis stehen, und ich glaube, Bush wird sich bemühen, den Eindruck zu entkräften, den man in Europa hat, dass die USA immer wieder zu Alleingängen neigen. Er wird das Verbindende betonten und deutlich machen, dass man gemeinsame Wertvorstellungen hat, wie Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft, gemeinsames Vorgehen im Nahen Osten - Sie wissen die Rolle des Quartetts auf dem Balkan -, und zu den Differenzen - die gibt es ja auch: Klimapolitik, Stahlzölle, Agrarsubventionen, Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofes -, wird er sagen: Das ist normal. Ich bin ziemlich sicher, da es da nichts Neues gibt, wird es auch in den bilateralen Gesprächen nicht groß angesprochen werden. Selbst wenn die deutschen Politiker natürlich auch auf Druck der Öffentlichkeit immer wieder sagen - Natürlich werden wir darüber reden -, wird man die Zeit nicht verschenken, über etwas zu reden, wo man sich nichts Neues zu sagen hat.

    Durak: Das politische Vorspiel aus den USA zu diesem Besuch war ja auch nicht ohne, Herr

    Buschschlüter: Es gab Kritik, wie es hieß, am wachsenden Anti-Amerikanismus in Europa. Wie groß ist diese Sorge in den USA tatsächlich?

    Buschschlüter: Colin Powell ist in einem Interview mit Kollegen darauf angesprochen worden, und er sagte: Ich geben mir wirklich erdenkliche Mühe, ständig mit meinen Kollegen in Kontakt zu bleiben - und das tut er auch. Er versucht auch dem Weißen Haus deutlich zu machen, wie die Verbündeten, die Freunde, über gewisse Dinge denken. Man findet hin und wieder in der amerikanischen Presse Artikel, die europakritisch und europafeindlich sind, weil die Amerikaner natürlich immer wieder feststellen, dass die Europäer schnell bei der Hand sind, wenn es um die Kritik an der amerikanischen Politik geht. Aus verständlichen Gründen - Sie sprachen vorhin den Irak an. In der Tat: Der Irak wird hier ein Thema sein, und Colin Powell hat das gestern bei der Ankunft deutlich gemacht. Er hat gesagt, es sei wichtig, in enger Konsultation mit den Freunden Amerikas zu bleiben. Und dann kam ein wirklich wichtiger Satz, den man auch mal aufmerksam lesen muss: Im Hinblick auf das, was wir tun könnten, sagte er, sei es wichtig sowohl im Rahmen der Vereinten Nationen, also multilateral, als auch in Bezug auf andere Möglichkeiten, gegen dieses Regime vorzugehen, zu konsultieren. Mit Vereinten Nationen ist natürlich gemeint, den Irak aufzufordern, die UN-Waffeninspektoren mit einem umfassenden Mandat wieder ins Land zu lassen, das heißt sie müssen frei und uneingeschränkt nach Massenvernichtungsmitteln forschen können. Da haben ja schon Gespräche zwischen dem Irak und Kofi Annan stattgefunden. Nur, die müssen irgendwann mit einem Ergebnis zum Abschluss kommen. Saddam Hussein muss Ja oder Nein zu Waffeninspektoren sagen. Und wenn er Nein sagt, muss der Westen, einschließlich Russlands wissen, wie man darauf reagiert. Darüber wird hier natürlich gesprochen werden. Wenn Saddam Hussein beispielsweise feststellt, dass die Russen mit an einem Strang ziehen, dürfte er wahrscheinlich eher geneigt sein, die Inspektoren ins Land zu lassen. Wenn er die Inspektoren nicht ins Land lässt, Frau Durak - und da gibt es aus amerikanischer Sicht keinen Zweifel -, dann droht eine Militäraktion, denn anders kann man den Regimewechsel, den der amerikanische Präsident angekündigt und angedroht hat, nicht durchsetzen. Wie und wann diese Militäraktion stattfindet, das ist noch nicht entschieden, und deswegen konnte Bush in einem ARD-Interview vor dem Abflug sagen: Ich habe noch kein Schlachtpläne auf dem Tisch. Hat er auch noch nicht. Darüber zu spekulieren ist noch zu früh.

    Durak: Diesen Strohhalm hat ja auch der Bundeskanzler ergriffen, hat darauf verwiesen, dass es noch keine konkreten Pläne gibt, aber die große Angst und Sorge in Deutschland auf vielen politischen Ebenen, aber auch in der Bevölkerung ist im Kurs, dass wenn alles andere nicht mehr fruchtet, also keine UNO-Aufforderung, nichts und nichts, dass die Amerikaner dann doch zuschlagen. Und die Frage ist: Werden sie es tun und wie wird sich Deutschland verhalten? Was erwarten die Amerikaner von uns?

    Buschschlüter: Nach dem Satz des amerikanischen Präsidenten, der Status Quo ist nicht hinnehmbar - und mit dem Status Quo meinte er, Saddam Hussein ist dabei, Massenvernichtungsmittel zu entwickeln, und die Gefahr ist groß, dass diese Massenvernichtungswaffen nicht nur von ihm eingesetzt werden, sondern in die Hände von Terroristen fallen - kann man den Status Quo, der nicht hinnehmbar ist, natürlich nicht auf uneingeschränkte Dauer hinnehmen. Das heißt, irgendwann muss dann der Regimewechsel vorgenommen werden, das heißt, Saddam Hussein muss gestürzt werden. Und ich sehe kaum eine andere Möglichkeit als das, wenn er die Inspektoren nicht ins Land lässt, mit militärischen Mitteln zu tun. Natürlich werden die USA versuchen, das gemeinsam mit den Verbündeten zu tun, aber ich bin ziemlich sicher, Frau Durak, sie werden von den Deutschen nicht etwas verlangen, was die Bundesregierung nicht tun kann. Das heißt, man wird nicht öffentlich Forderungen stellen, die dann öffentlich abgelehnt werden. Man wird sich vorher konsultieren und festlegen, wozu die Deutschen dann in der Lage sind. Darüber öffentlich zu spekulieren wollen die Politiker natürlich nicht, aber irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo entschieden werden muss: Militäraktion - ja oder nein, in welcher Form, wann und wie.

    Durak: Umfragen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern zufolge, wird Präsident Busch von den Deutschen schlechter beurteilt. Deutlich schlechter als von unseren europäischen Nachbarn. Auch die Kritik an der Dominanz der Großmacht gehört dazu. Wie wird so etwas registriert?

    Buschschlüter: Es wird in den amerikanischen Medien registriert, aber die amerikanischen Medien und die Amerikaner kennen natürlich ihren Präsidenten etwas besser als die Europäer und die europäischen Medien. Man sieht in den europäischen Medien - und ich stelle das auch hier fest - sehr häufig, dass man dem amerikanischen Präsidenten nicht nur Kriegshetze vorwirft - da müsste man eigentlich fragen, über welchen Krieg wir denn reden, über den in Afghanistan, der ja eigentlich sehr erfolgreich war oder über den noch nicht geführten im Irak, über den man noch reden muss. Man wirft dem amerikanischen Präsidenten auch vor - das sind die alten Vorwürfe -, er sei nicht sehr eloquent. In der Tat: George W. Bush ist nicht sehr eloquent. Man wünschte sich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten sicherlich auch einen eloquenten Politiker. Bill Clinton war das, nur Bill Clinton neigte eher zu Entscheidungsschwäche. Was die Amerikaner an diesem Präsidenten schätzen, ist seine Entscheidungsfreude, dass er schnelle Entscheidungen trifft, dass er aber auch dann seine Mitarbeiter konsultiert - und er hat gute Mitarbeiter. Dass man über die politischen Entscheidungen, die dann getroffen werden, unterschiedlicher Ansicht ist, ja, das hängt mit unterschiedlichen Interessen zusammen. Ich fand die Kritik in den europäischen Medien zum Teil sehr heftig. Vielleicht sind die Europäer auch deswegen so kritisch, weil sie andere Maßstäbe an amerikanische Präsidenten anlegen. Die Amerikaner schätzen im Augenblick, in einer Zeit, in der sie sich aus ihrer Sicht im Krieg gegen den Terror befinden, einen Mann, der weiß was er will, der sagt, was er will und der auch die richtigen Maßnahmen trifft. Dass er in der öffentlichen Darstellung nicht immer so überzeugend und eloquent auftritt, damit sind sie bereit zu leben.

    Durak: Der Präsident hat auch gesagt, er hätte kein Problem mit Demonstrationen. Nun gab es Demonstrationen. In der Nacht gab es auch Ausschreitungen. Wasserwerfer wurden eingesetzt. Auch damit wird er wohl keine Probleme haben?

    Buschschlüter: Nein, die Entscheidung, ob der Präsident ins Ausland fliegt, wo er auftritt, trifft immer in letzter Instanz der Secret Service. Das ist übrigens nicht die CIA, wie ich heute Morgen in einer deutschen Zeitung gelesen habe: Es befänden sich 500 CIA-Agenten in der Stadt. Die CIA hat viel zu tun. Der Schutz des Präsidenten gehört nicht zu ihren Aufgaben. Das ist der Schutz und die Aufgabe des Secret Service. Der amerikanische Präsident tritt immer nur da auf, wo der Secret Service sicher sein kann, dass ihm nichts passieren kann. Deswegen kann er auch ziemlich gelassen sagen: Demonstrationen gehören zu einer Demokratie. Er weiß, dass, wenn er ins Ausland reist, der Secret Service für seinen Schutz zuständig ist. Mit Demonstrationen wie diesen hier in Berlin kann er leben; sie sind für ihn ein Zeichen der Demokratie. Dass er sich natürlich etwas anderes wünscht, Jubel und Begeisterung, das liegt wohl auf der Hand.

    Durak: Dankeschön Siegfried Buschschlüter, nicht nach Washington sondern nach Berlin. Er begleitet den amerikanischen Präsidenten.

    Link: Interview als RealAudio